Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus den Herstellungskosten einer Sporthalle

Eine Gemeinde ist zum teilweisen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten einer Sporthalle, die sie (auch) Vereinen gegen eine nicht kostendeckende Nutzungspauschale überlässt, berechtigt, wenn die Prüfung aller Umstände ergibt, dass der für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Entgelt nicht gelöst ist.
Bei einer defizitären Leistungstätigkeit von Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge ist die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG grundsätzlich nicht (entsprechend) anwendbar.

BFH Urteil von 28.06.2017 – XI R 12/15 BFH/NV 2017, 1400

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, errichtete von 2010 bis 2014 eine Sporthalle mit angrenzender Gaststätte. Die Herstellungskosten der Sporthalle betrugen brutto… EUR.
Die vier Hallenteile umfassende Sporthalle sollte nach ihrer Fertigstellung für Zwecke des Schulsports genutzt werden. Zudem beabsichtige die Klägerin, die Sporthalle daneben auch an Vereine für Zwecke des Erwachsenensports zu überlassen.

Die Klägerin hat die Überlassung aller ihrer Sport- und Mehrzweckhallen in einer Entgeltordnung vom 14. Dezember 2005 geregelt. Danach erhebt die Klägerin für die Inanspruchnahme von Sport- und Mehrzweckhallen für den Übungs-, Trainings- und Schulungsbetrieb im Erwachsenensport –was auch für die Überlassung der hier in Rede stehenden Sporthalle an Vereine gilt– zur teilweisen Deckung der Betriebskosten eine Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil. Die Nutzungspauschale wird auf Grundlage der jeweils mit den Vereinen privatrechtlich vereinbarten Hallenbuchung (Belegungspläne) berechnet. Die Abrechnung erfolgt zweimal jährlich im Voraus. Für allgemeine Veranstaltungen der Vereine werden dagegen 0,25 EUR/qm, für kommerzielle Veranstaltungen allgemeiner Art (Veranstaltung von Wirtschaft, Handel und Verkehr) 1 EUR/qm und für kommerzielle Veranstaltungen besonderer Art (Tanz-, Show- und ähnliche Veranstaltungen von Privatpersonen oder privaten Interessengruppen) 2 EUR/qm sowie Zuschläge für Sonderleistungen und Nebenkosten erhoben.

Nach Angaben der Klägerin wird bei der Überlassung der den Streitfall betreffenden Sporthalle an Vereine ein Kostendeckungsgrad von 12,03 % erzielt.
Die Überlassung der Sporthalle an Vereine entspricht –was zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit steht– einem zeitlichen Nutzungsanteil von 14,29 %.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) lehnte den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der Sporthalle –soweit er anteilig auf die Überlassung der Sporthalle an die Vereine entfiel– in den Umsatzsteuerbescheiden für 2010 bis 2012 (Streitjahre) ab. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos.
Die Klage, mit der die Klägerin (zuletzt) den Abzug weiterer Vorsteuerbeträge in Höhe von… EUR (2010),… EUR (2011) und… EUR (2012) begehrte, hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil im Wesentlichen aus, die Klägerin habe in den Streitjahren beabsichtigt, durch die künftige Überlassung der Sporthalle auf privatrechtlicher Grundlage gegen Entgelt eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.

Die Hallenüberlassung habe nicht unentgeltlich erfolgen sollen. Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspreche, sei für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs unerheblich. Maßgeblich für die Annahme eines Leistungsaustauschs sei lediglich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil für die Hallenüberlassung, nicht allein für die Betriebskosten erbracht worden sei. Die Gegenleistung sei auch nicht derart von der Hauptleistung abgekoppelt, dass es an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung fehle (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– Kommission/Finnland vom 29. Oktober 2009 C-246/08, EU:C:2009:671, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2010, 224). Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die Bemessung des Entgelts vom Vermögen des Leistungsempfängers abhinge und ein Entgelt hierdurch eher den Charakter einer Gebühr erhielte. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Gegenleistung in der Anzahl der gebuchten Stunden bestehe und von jedem Verein in gleicher Höhe geleistet werde. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Klägerin habe zudem die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze bei Leistungsbezug nachweisen können. Die Überlassung von Sportanlagen sei weder nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei noch stehe im Streitfall eine mögliche Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) dem Vorsteuerabzug der Klägerin entgegen.
Die Aufteilung des Vorsteuerabzugs aus den von der Klägerin zugleich für ihre beabsichtigte wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit bezogenen Leistungen ergebe sich vorliegend aus der in der mündlichen Verhandlung getroffenen tatsächlichen Verständigung der Beteiligten über die geplanten zeitlichen Nutzungsanteile der Sporthalle. Die Beteiligten hätten anhand der geplanten zeitlichen Nutzungsanteile die Aufteilung des Vorsteuerabzugs vorgenommen und einen objektiv nachvollziehbaren entgeltlichen Anteil von 14,29 % festgestellt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.Das FG habe den anteiligen Vorsteuerabzug aus den Planungs- und Baukosten der Sporthalle zu Unrecht gewährt. Die beabsichtigte (und ab dem Jahr 2014 erfolgte) Überlassung der Sporthalle an Vereine sei unentgeltlich gewesen. Die Klägerin habe nach ihrer Entgeltordnung vom 14. Dezember 2005 nur ein nicht kostendeckendes, symbolisches Entgelt für die durch die zusätzliche Nutzung der Sporthalle entstehenden Betriebskosten erheben wollen (und später erhoben).
Der von der Klägerin ermittelte Kostendeckungsgrad von 12,03 % sei unzutreffend. Er liege bei 2,07 %; unter Berücksichtigung der die Nutzungspauschale übersteigenden zusätzlichen Verbrauchskosten sogar bei 0 %. Das FA weist auf die EuGH-Urteile Gemeente Borsele vom 12. Mai 2016 C-520/14 hin und sieht sich durch die dortigen Ausführungen in seiner Rechtsansicht bestätigt.
EuGH und BFH verneinten schon bei einer geringen Kostendeckung die wirtschaftliche Tätigkeit einer juristischen Peron des öffentlichen Rechts. Im Übrigen sei die Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung vorliegend nur scheinbar, weil es sich bei dem Entgelt, das die Klägerin von den Vereinen habe erheben wollen und später erhoben habe, um ein Steuerungsinstrument für die gleichmäßige Hallenbelegung handele.

Das FA bestreitet mit Schriftsatz vom 17. Mai 2017 erstmals, dass das von der Klägerin erhobene Entgelt für die Überlassung der Sport- und Mehrzweckhallen allgemein üblich und angemessen sei, und rügt insoweit einen Verstoß des FG gegen seine Sachverhaltsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin habe außerdem mit der annähernd kostenfreien Überlassung der Sporthalle für Zwecke des Vereinssports in ihrer Gemeinde keine Leistungen “auf einem allgemeinen Markt” erbracht.
Falls dennoch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin angenommen werde, sei die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 5 UStG entsprechend anzuwenden, weil die Bürger einer Stadt und die ortsansässigen Vereine als “nahestehende Personen” i.S. dieser Vorschrift anzusehen seien.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie verteidigt die Vorentscheidung und legt im Einzelnen dar, dass es sich bei der Überlassung der Sporthalle an Vereine um eine einheitliche (steuerpflichtige) Leistung handele, die entgeltlich habe erbracht werden sollen und erbracht worden sei und die auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Gemeente Borsele (EU:C:2016:334, UR 2016, 520) als eine “wirtschaftliche Tätigkeit” zu qualifizieren sei.

Begründung:

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin aufgrund ihrer in den Streitjahren objektiv belegten (und sodann verwirklichten) Absicht, die Sporthalle auf privatrechtlicher Grundlage gegen ein geringes Entgelt an Vereine zu überlassen, als Unternehmerin eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat und sie zum anteiligen Vorsteuerabzug aus den zur Errichtung dieser Halle bezogenen mit Mehrwertsteuer belasteten Eingangsleistungen berechtigt ist.

Der Unternehmer kann unter weiteren Voraussetzungen die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Das Vorsteuerabzugsrecht gilt auch für den Abzug der geschuldeten oder entrichteten Steuer für Investitionen, die –wie hier– für die Zwecke der noch erst beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigt werden, unter der Voraussetzung, dass die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Die Klägerin hat als Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. gehandelt.

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts wie die Klägerin war nach dem für die Streitjahre maßgebenden –unionsrechtskonform auszulegenden– § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage ausübte; erfolgte ihre Tätigkeit dagegen –anders als im Streitfall– auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, war sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die (auch) für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL (im nationalen Recht: nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen i.S. von § 2 Abs. 1 UStG) erforderliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt nur vor, wenn –bezogen auf den Streitfall– die Klägerin mit der zunächst beabsichtigten und nachfolgend auch ausgeführten Überlassung der Sporthalle an Vereine entgeltliche Dienstleistungen i.S. von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (im nationalen Recht: sonstige Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) erbracht hat.
Eine Dienstleistung wird nur dann “gegen Entgelt” erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.
Der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird, ist unerheblich, wenn es darum geht, einen Umsatz als “entgeltlichen Umsatz” zu qualifizieren. Dieser Begriff setzt nämlich lediglich das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung voraus, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat.Maßgeblich ist allein das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der

Davon gehen auch beide mit der Umsatzsteuer befassten Senate des BFH in ständiger Rechtsprechung aus. Anhaltspunkte dafür, dass der V. Senat in seinem Urteil in BFHE 256, 557, UR 2017, 302 den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung als Voraussetzung für einen entgeltlichen Umsatz hätte entfallen lassen, sind –anders als das FA meint– nicht ersichtlich. Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend bejaht.

Die (beabsichtigte) Überlassung der Sporthalle an Vereine ist –was nicht im Streit steht– eine sonstige Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Diese Dienstleistung wurde –entgegen der vom FA vertretenen Ansicht– gegen Entgelt erbracht.

Das FG hat zu Recht erkannt, dass der erforderliche unmittelbare Zusammenhang vorliegend bereits durch die jeweils auf die konkrete Hallennutzung bezogenen privatrechtlichen Verträge zwischen der Klägerin einerseits und dem betreffenden Verein andererseits begründet wird. Nach seiner Würdigung des Sachverhalts haben die Vereine die Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil erbracht, um die Sporthalle nutzen zu können, nicht –wie das FA meint– nur zur anteiligen Deckung der Betriebskosten. Diese mit Verfahrensrügen nicht angegriffene tatsächliche Würdigung des FG ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Sie ist für den BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist.
Danach sind zwar die Vermietung einer Immobilie und die Lieferung von u.a. Wasser, Elektrizität und Wärme, die diese Vermietung begleiten, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind. Anders ist es, wenn gewisse Bestandteile des Umsatzes, einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies trifft auf die Überlassung der Sporthalle an Vereine einschließlich der Sportgeräte, mit denen diese ausgestattet ist, und den durch die zusätzliche Nutzung veranlassten Betriebskosten in Gestalt von Heizung, Wasser- und Stromverbrauch zu.
Der Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung stünde ferner nicht entgegen, dass das Entgelt –wie das FA behauptet– (nur) ein “Steuerungsinstrument” für die gleichmäßige Hallenbelegung sei. Denn selbst wenn dem so wäre, würde der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der von der Klägerin erbrachten Dienstleistung und der Gegenleistung nicht entfallen.
Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass nach Auffassung des EuGH allein die von ihm. angesprochene “Asymmetrie” zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen in Gestalt eines Kostendeckungsgrades von 3 % nicht ausreicht, um das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszuschließen und die Unternehmereigenschaft zu verneinen. Denn ansonsten wären die nachfolgenden Ausführungen überflüssig.

Der Senat führt aus, eine “Asymmetrie” zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen “deute” darauf hin, dass kein Leistungsentgelt und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen. Im Übrigen hat der V. Senat des BFH im vorgenannten Urteil den Gesichtspunkt der Asymmetrie “entsprechend dem EuGH-Urteil Gemeente Borsele” (EU:C:2016:334, UR 2016, 520) lediglich dem FG als Prüfauftrag im zweiten Rechtsgang aufgegeben (Rz 15). Dies spricht gleichfalls dafür, dass auch nach dessen Auffassung allein ein geringer Kostendeckungsgrad eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht ausschließt.

Allerdings reicht das Vorliegen einer gegen Entgelt erbrachten Dienstleistung für die Feststellung einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL (allein) nicht aus. Daher sind zweitens alle Umstände zu prüfen, unter denen die Tätigkeit erfolgt ist.

Der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende die fragliche Dienstleistung erbringt, und den Umständen, unter denen eine derartige Dienstleistung gewöhnlich erbracht wird, kann eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Daneben können weitere Gesichtspunkte, wie u.a. die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen, bei dieser Prüfung berücksichtigt werden.

Aus einer “Asymmetrie” zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen folgt, dass –wie es der EuGH in seinem die Schülerbeförderung durch eine Gemeinde betreffenden Urteil Gemeente Borsele (EU:C:2016:334, UR 2016, 520, Rz 33) für Beiträge, die nur von einem Drittel der Nutzer gezahlt werden, und einem Kostendeckungsgrad von 3 % angenommen hat– es an einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen dem gezahlten Betrag und der Erbringung der Dienstleistungen fehlt, um den Gegenwert als ein Entgelt für die Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ansehen zu können Ein solcher Unterschied zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen “deutet darauf hin”, dass der Beitrag eher einer Gebühr als einem Entgelt gleichzusetzen ist
Hinsichtlich der Schülerbeförderung durch eine Gemeinde stellt der EuGH ferner darauf ab, ob die Gemeinde diese Leistungen auf dem allgemeinen Markt für Beförderungsleistungen anbietet oder selbst als Endverbraucher von Beförderungsleistungen in Erscheinung tritt, die sie bei Transportunternehmen, mit denen sie Vertragsbeziehungen hat, erwirbt und die sie den Eltern von Schülern im Rahmen der Daseinsvorsorge zur Verfügung stellt.

Die Gegebenheiten des Streitfalles, unter denen die Überlassung der Sporthalle erfolgen sollte und später erfolgt ist und deren Beurteilung dem nationalen Gericht obliegt stehen nach diesen
Grundsätzen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL nicht entgegen.
Die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das von ihr erhobene Entgelt nur einen geringen Teil der Kosten deckte. Der Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem zu entrichtenden Gegenwert weist im Streitfall die erforderliche Unmittelbarkeit auf, um diesen Gegenwert als ein Entgelt für diese Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 MwStSystRL ansehen zu können, weil die Leistung am allgemeinen Markt angeboten wird, das Entgelt marktüblich ist und von der tatsächlichen Nutzungsinanspruchnahme abhängt). Es kann deshalb im Streitfall dahinstehen, ob die Kostendeckungsquote –wie die Klägerin meint– bei 12,03 % liegt oder –was der Ansicht des FA entspricht– geringer ist.

Die Klägerin hat, wie schon aus der vom FG in Bezug genommenen Entgeltordnung zur Überlassung von Sport- und Mehrzweckhallen vom 14. Dezember 2005 folgt, auch mit der Überlassung der den Streitfall betreffenden Sporthalle an Vereine eine Leistung auf dem allgemeinen Markt angeboten. Sie tritt –anders als die Gemeinde im EuGH-Urteil Gemeente Borsele nicht nur selbst als Endverbraucher von auf dem allgemeinen Markt erworbenen Leistungen in Erscheinung, die sie im Rahmen der Daseinsvorsorge (ortsansässigen) Vereinen zur Verfügung stellt. Vorliegend hat die Klägerin eine Sporthalle errichtet, um diese neben dem Schulsport an Dritte gegen Entgelt zu überlassen. Insoweit entspricht ihre Tätigkeit nicht dem Bild eines Endverbrauchers, sondern dem eines am Markt teilnehmenden Unternehmers. Da es auf den Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit insoweit nicht ankommt, steht dem nicht entgegen, dass die annähernd kostenfreie Überlassung der Sporthalle vornehmlich Zwecken des Vereinssports (nur) in der Gemeinde dient.

Das von der Klägerin erhobene Entgelt in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil ist –wie das FG für den Senat bindend i.S. von § 118 Abs. 2 FGO festgestellt hat– zudem angemessen und für (gemeindeeigene) Mehrzweckhallen allgemein üblich, entspricht der in den Nachbargemeinden durchgeführten Praxis und wird auch von der Gemeindeprüfungsanstalt nicht beanstandet. Die Bedingungen, unter denen die Klägerin ihre Dienstleistung erbringt, unterscheiden sich mithin nicht von denen, unter denen die Tätigkeit der Sporthallenüberlassung von Gemeinden üblicherweise vorgenommen wird.
Soweit das FA erstmals in seinem Schriftsatz vom 17. Mai 2017 die Verfahrensrüge erhebt, das FG habe unter Verletzung der ihm gemäß § 76 Abs. 1 FGO obliegenden Sachverhaltsermittlungspflicht nicht ermittelt, wie sich die Vermietungspraxis von gemeindeeigenen Mehrzweckhallen im Kreis X darstelle, ist diese Rüge bereits wegen ihrer nicht fristgerechten Erhebung unzulässig.
Das Revisionsgericht darf grundsätzlich nur solche Verfahrensrügen berücksichtigen, die innerhalb der –am 17. Mai 2017 bereits abgelaufenen– Revisionsbegründungsfrist in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Weise angebracht werden Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Außerdem ist im Streitfall die von dem jeweiligen Verein zu entrichtende Gegenleistung abhängig von der Anzahl der belegten Stunden und genutzten Hallenteile, so dass es vorliegend –wie schon die Vorentscheidung unter Hinweis auf das (im EuGH-Urteil Gemeente Borsele in Rz 33 zitierte) EuGH-Urteil Kommission/Finnland zutreffend erkannt hat– nicht an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt.

Dagegen war nach dem Sachverhalt, der dem EuGH-Urteil Gemeente Borsele zugrunde lag, die Höhe des von den Eltern für die Schülerbeförderung jeweils zu entrichtenden Beitrags unabhängig von der Zahl der täglich zurückgelegten Kilometer, den Selbstkosten pro Fahrt und Schüler oder der Häufigkeit der Fahrten bemessen.
Das FG hat gleichfalls zu Recht erkannt, dass die stundenweise Überlassung von Sportanlagen nicht nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist und eine mögliche Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL dem Vorsteuerabzug nicht entgegensteht.
Die –wie hier– entgeltliche Überlassung einer Sporthalle ist grundsätzlich steuerpflichtig; denn die Überlassung von Sportanlagen ist nach der geänderten BFH-Rechtsprechung nicht gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei..

Eine mögliche Steuerfreiheit für “bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben” nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL steht im Streitfall dem Vorsteuerabzug der Klägerin nicht entgegen. Denn diese Steuerbefreiung wird im nationalen Recht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nur für sportliche Veranstaltungen umgesetzt. Eine derartige Veranstaltung liegt im Streitfall, bei dem sich die Klägerin nicht auf einen Anwendungsvorrang des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSyStRL beruft, nicht vor.

Die Klägerin hat –wovon das FG gleichfalls zutreffend ausgegangen ist– ihre Absicht der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze bereits bei der Errichtung der Sporthalle in den Jahren 2010 bis 2014 –und damit auch in den Streitjahren 2010 bis 2012– durch objektive Anhaltspunkte belegt. Wie sich aus ihrer Entgeltordnung vom 14. Dezember 2005 ergibt, überlässt sie ihre Sporthallen u.a. an Vereine zum Zwecke des Erwachsenensports gegen eine Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs durch die Klägerin war auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar kann der Vorsteuerabzug zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden
Allerdings hat das FG den Streitfall dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin keinen Sachverhalt künstlich geschaffen hat, allein um sich einen Steuervorteil zu verschaffen. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen, dass die Klägerin aufgrund außersteuerlicher Gesichtspunkte nicht berechtigt war, ein deutlich höheres oder auch den Betriebskosten entsprechendes Entgelt zu erheben, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat..

Die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG ist entgegen der vom FA vertretenen Rechtsauffassung im Streitfall nicht (entsprechend) anzuwenden. Nach § 10 Abs. 5 UStG werden Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehenden Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen (Nr. 1) sowie Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt (Nr. 2) nach der Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 UStG besteuert, wenn diese Bemessungsgrundlage das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG) übersteigt.
Der im Streitfall allein in Betracht kommende § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG verweist nur auf Körperschaften und Personenvereinigungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG. Deshalb ist diese Vorschrift bei unternehmerischer Betätigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG genannt sind, nicht anwendbar, zumal die Nutzer kommunaler Einrichtungen keine “nahestehenden Personen” sind. Auch eine entsprechende Anwendung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG scheidet aus.
§ 10 Abs. 5 UStG stellt eine abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) –nunmehr Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL– dar. Die Vorschrift ist als abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen eng auszulegen und darf nur angewandt werden, soweit dies hierfür unbedingt erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Das FG hat in Auslegung irreversiblen Landesrechts (vgl. § 118 Abs. 1 FGO) festgestellt, da es sich bei der Sporthalle um eine öffentliche Einrichtung i.S. von § 10 Abs. 2 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg im Bereich der Daseinsvorsorge handele, sei die Klägerin verpflichtet, ihren Bürgern und Vereinen den Zugang zu verschaffen; das Entgelt dürfe einen vertretbaren Rahmen nicht überschreiten. Bei einer derartigen defizitären Leistungstätigkeit von Gemeinden ist die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. auch Probst in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 403; Lippross, UR 2010, 214, 216 f.); das gilt jedenfalls dann, wenn wie im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehen.

Überdies durfte auch bereits in den Streitjahren 2010 bis 2012 (vor Inkrafttreten der entsprechenden Regelung in § 10 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG) ein Umsatz nicht gemäß § 10 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 UStG bemessen werden, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt –wie nach den bindenden Feststellungen des FG im Streitfall– marktüblich ist