Zur Vorsteueraufteilung bei Baumaßnahmen

Bei Baumaßnahmen ist zwischen der Herstellung eines neuen Gebäudes und anschaffungsnahem Aufwand einerseits und Erhaltungsaufwendungen andererseits zu differenzieren. Liegen Herstellungskosten oder anschaffungsnaher Aufwand vor, ist für den Vorsteuerabzug unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 4 UStG auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Für den Vorsteuerabzug aus Erhaltungsaufwendungen kommt es demgegenüber darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die Erhaltungsaufwendungen entstehen.

Hat der Steuerpflichtige in einer Steuererklärung für das Kalenderjahr des Leistungsbezugs einen sachgerechten Maßstab für die Aufteilung von Vorsteuern gewählt und wird diese als Steuerfestsetzung formell bestandskräftig, ist er sowohl für das Erstjahr als auch für die Folgejahre an diese Wahl gebunden.

BFH Urteil vom 10.12.2009 – V R 13/08 BFHNV 2010 S. 960

 Begründung:

 Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen bezogene Leistung nur zum Teil für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist der Unternehmer berechtigt, die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln.

 Entgegen der Auffassung des FA war im Streitfall auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen, weil der Kläger das Gebäude neu errichtet hat. Nach der Rechtsprechung des BFH der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. September 2008, BStBl I 2008, 896), ist bei Baumaßnahmen zwischen der Herstellung eines neuen Gebäudes und anschaffungsnahem Aufwand einerseits und Erhaltungsaufwendungen andererseits zu differenzieren. Liegen Herstellungskosten oder anschaffungsnaher Aufwand vor, ist für den Vorsteuerabzug unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 4 UStG auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Für den Vorsteuerabzug aus Erhaltungsaufwendungen kommt es demgegenüber darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die Erhaltungsaufwendungen entstehen. Da der Kläger vorliegend ein Gebäude neu errichtet hat, waren für die Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes maßgeblich.

Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen

Aus der Höhe der Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis kann nicht im Wege einer tatsächlichen, widerlegbaren Vermutung ohne nähere Prüfung auf eine wesentliche Verbesserung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB und mithin auf das Vorliegen von Herstellungskosten geschlossen werden.

BFH Urteil vom 22.09.2009 – IX R 21/08 BFH NV 2010 S. 846 ff

Begründung:

Aufwendungen, die –wie die hier streitigen– durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB.

Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Die streitigen Aufwendungen sind aber nicht allein deshalb als Herstellungskosten zu werten, weil sie in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks stehen und im Vergleich zum Kaufpreis hoch sind oder wie im Streitfall ein Vielfaches des Kaufpreises ausmachen. Daher lässt sich aus der Höhe der Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis auch keine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für die Qualifikation in der einen oder anderen Richtung ableiten, auch nicht aus Praktikabilitätserwägungen.

Übliche Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, also die bloße Instandsetzung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, sind in der Regel sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen (Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 EStG). Indes können solche Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotential) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. hier dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird. Das ist der Fall, wenn die Maßnahmen bei mindestens drei der Kern-Bereiche (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) jeweils zu einer Standarderhöhung geführt haben.

Ob die streitigen Maßnahmen als Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, hat das FG als Tatsacheninstanz anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei ist zunächst zu ermitteln, welchem Standard (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchvoll) die Kernbereiche im "ursprünglichen Zustand" i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entsprachen. Für diese Beurteilung sind die Maßstäbe zugrunde zu legen, die zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gebäude im ursprünglichen Zustand befand, allgemein üblich waren. Im Streitfall ist das der Zeitpunkt des Erwerbs, also das Jahr 2002, nicht das Baujahr 1958.

Abgrenzung von Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand

Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Aufwendungen für Baumaßnahmen als Herstellungskosten zu beurteilen sind. Unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung liegen (nachträgliche) Herstellungskosten eines Gebäudes u.a. dann vor, wenn seine Substanz vermehrt, seine nutzbare Fläche vergrößert wird oder wenn Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren.

BFH Beschluss vom 24.09.2009 – IV B 126/08 BFH NV 2010 S. 35 f.

Begründung:

Im Streitfall wurde das Gebäude hingegen um den Anbau eines bislang nicht vorhandenen Treppenhauses erweitert, so dass sich die nutzbare Fläche vermehrte.

Durch die Rechtsprechung des BFH ist indes geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Aufwendungen für Baumaßnahmen als Herstellungskosten zu beurteilen sind. Unter dem Gesichtspunkt der –vom FG für den Streitfall angenommenen– Erweiterung liegen (nachträgliche) Herstellungskosten eines Gebäudes u.a. dann vor, wenn seine Substanz vermehrt, seine nutzbare Fläche vergrößert wird oder wenn Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren.

Mit ihrem Vorbringen, der Anbau des neuen Treppenhauses habe nur der Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustands gedient und das Gebäude sei auch mit der bereits vorhandenen Treppe nutzbar gewesen, wendet sich die Klägerin im Grunde gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des FG.

Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes

Eine Grundstücksgemeinschaft, die ein Gebäude zum Teil steuerfrei an eine Arztpraxis vermietet und es im Übrigen den Gemeinschaftern für private Wohnzwecke überlässt, hat keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes.

BFH Urteil vom 8. Oktober 2008 XI R 58/07

Erläuterungen:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 8. Oktober 2008 XI R 58/07 entschieden, dass eine Grundstücksgemeinschaft, die ein Gebäude zum Teil steuerfrei an eine Arztpraxis vermietet und es im Übrigen den Gemeinschaftern für private Wohnzwecke überlässt, keinen Anspruch auf Vorausteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes hat.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte mit Urteil vom 8. Mai 2003 C-269/00 (“Seeling”) entschieden, dass die beim Erwerb gemischt unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzter Gegenstände geschuldete Umsatzsteuer grundsätzlich vollständig und sofort als Vorsteuer abziehbar ist, wenn sich der Steuerpflichtige dafür entscheidet, diese Gegenstände seinem Unternehmen zuzuordnen.
Im Fall “Seeling” hatte die unternehmerische Nutzung des Gebäudes zu steuerpflichtigen Umsätzen geführt, so dass die in Rechnung gestellten Leistungen für steuerpflichtige Umsätze verwendet worden waren. Dagegen waren im nunmehr vom BFH entschiedenen Fall sowohl die Vermietung als auch die Eigennutzung des Gebäudes durch die Gemeinschafter umsatzsteuerfrei. In einem derartigen Fall scheidet nach Auffassung des BFH der Vorsteuerabzug aus, weil dieser sowohl nach deutschem als auch nach Gemeinschaftsrecht voraussetzt, dass die Lieferungen und sonstigen Leistungen für steuerpflichtige Umsätze verwendet werden.