Kürzung des Gewinns aus Gewerbebetrieb um den Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG

Bei dem Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG handelt es sich um einen Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Der Gewinn des inländischen Unternehmens ist deswegen um diesen Betrag nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 zu kürzen.

BFH  Urteil vom 11.3.2015, I R 10/14

Begründung:

Kontrovers ist unter den Beteiligten allerdings, ob der Hinzurechnungsbetrag unter jene Beträge fällt, um welche der Gewinn der Klägerin als Ausgangsgröße nach Maßgabe von § 7 Satz 1 i.V.m. § 9 GewStG 2002 zu kürzen ist. Entgegen der Annahme von FA und FG ist das zu bejahe.

Einschlägig ist dafür § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002. Danach wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. So verhält es sich hier. Der Hinzurechnungsbetrag bestimmt sich nach dem quotalen Anteil der Zwischeneinkünfte und das sind wiederum die Einkünfte der Zwischengesellschaft, die ihrerseits aus einer ausländischen Betriebsstätte (nach Maßgabe von § 12 der Abgabenordnung –AO–, vgl. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 218) resultieren.

Nun handelt es sich, das liegt auf der Hand, bei jener Betriebsstätte um eine solche der Zwischengesellschaft, hier der A-Ltd., nicht aber der Klägerin. Der Regelungswortlaut des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 nimmt darauf indessen keine Rücksicht; es genügt, wie beschrieben, wenn die Einkünfte auf “eine” nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallen. Doch selbst dann, wenn man die darin angelegte Verallgemeinerung vernachlässigt und grundsätzlich einfordert, dass es sich um eine Betriebsstätte des gewerbesteuerpflichtigen inländischen Unternehmens –hier also der Klägerin– handeln muss, liegt jedenfalls unter den hier zu beurteilenden Gegebenheiten der Tatbestand der Vorschrift vor: Zwar verändert die Hinzurechnungsbesteuerung (anders als die allgemeine Missbrauchsverhinderung nach § 42 Abs. 1 AO) “rechtstechnisch” nicht die Einkünftezurechnung (vgl. § 2 Abs. 1 EStG 2002). Die ausländische Zwischengesellschaft in ihrer subjektiven Existenz und das daraus abgeleitete korporationsrechtliche Trennungsprinzip bleiben auch aus steuerrechtlicher Sicht unberührt; der entgegenstehenden Annahme des FG ist nicht beizupflichten. Indem das Gesetz die Einkünfte der Zwischengesellschaft in solche der an ihr qualifiziert beteiligten Inlandsgesellschaft umformt, eröffnet es aber zugleich ein erweiterndes Regelungsverständnis, wonach die betreffenden Einkünfte beim Gesellschafter nicht als “betriebsstättenlose” Auslandseinkünfte –so aber das FG– “in der Luft hängen”, vielmehr einer Auslandsbetriebsstätte zuzuordnen sind, die die Anforderungen des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 erfüllt. Die in § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG getroffene Anordnung, dass der Hinzurechnungsbetrag zu den Kapitaleinkünften gehört, bewirkt nichts anderes. Dadurch wird der Hinzurechnungsbetrag lediglich fiktiv einer Einkunftsart zugeordnet; an der Zuordnung des zugrundeliegenden Gewerbeertrags zu der Betriebsstätte der Zwischengesellschaft ändert das jedoch nichts. Diese Zuordnung bestimmt sich nach wie vor allein nach den –hier außer Frage stehenden– tatsächlichen Gegebenheiten, sie wird nicht fiktiv durch einen gegenläufigen Regelungsbefehl überlagert.

Die Unterscheidung von Gewinnanteil und Auslandseinkünften betrifft in gleicher Weise den Kürzungsbetrag, den § 9 Nr. 8 Satz 1 GewStG 2002 für die Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft anordnet, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter der Voraussetzung einer Mindestbeteiligung von der Gewerbesteuer befreit sind. Das ist hier aber nicht einschlägig. Zum einen, weil das im Streitfall anzuwendende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 28. Juni 2004 (BGBl II 2006, 931, BStBl I 2007, 158) –DBA-Singapur 2004– für die aus einer Hinzurechnung nach Maßgabe von §§ 7 ff. AStG hergeleiteten fiktiven Gewinnanteile mangels hinreichender Aktivität der zugrundeliegenden Tätigkeiten der Zwischengesellschaft keine Steuerfreistellung als Grundvoraussetzung für jene Kürzung zulässt (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b und c und Art. 7 und Art. 10 DBA-Singapur 2004). Zum anderen, weil die Hinzurechnungsbesteuerung sich nach § 20 Abs. 1 AStG über etwaige anderweitige Besteuerungszuordnungen in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung allemal hinwegsetzt, und das betrifft dann auch die Gewerbesteuer, wie sich aus § 7 Satz 1 GewStG 2002 und ebenso unmissverständlich aus § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 7 AStG ergibt.

. In Anbetracht des Vorstehenden kann hier dahinstehen, ob die Hinzurechnungsbesteuerung im Allgemeinen gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft –AEUV–, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C-115, 47) verstößt, diese Grundfreiheit ihrerseits trotz des Erfordernisses einer Mindestbeteiligung nicht durch die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV) verdrängt wird (s. dazu z.B. Senatsurteil vom 29. August 2012 I R 7/12, BFHE 239, 45, BStBl II 2013, 89, m.w.N.) und deswegen drittstaatenweit –im Streitfall also auch bezogen auf die singapurische A-Ltd.– wirkt. Es kann gleichermaßen unbeantwortet bleiben, ob auch § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 und die darin abgeforderte Aktivität der Auslandstochtergesellschaft in ähnlicher Weise gegen das Unionsrecht verstößt (so z.B. C. Pohl in Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer, 15. Aufl., Kap. 7 S. 784; Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 7 Rz 20a; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 297; derselbe, Außensteuerliche Aspekte der Gewerbesteuer, Grüne Hefte Nr. 177/2011, S. 14 f.; Quilitzsch, ISR 2014, 193; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 9 Nr. 7 Rz 4). Und es soll unbeantwortet bleiben, ob –bejahendenfalls– die Drittstaatenwirkung an der sog. Stand still-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV scheitern könnte. Schließlich ist auch zu den unspezifisch vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwendungen der Klägerin nichts weiter auszuführen.