Höhe der Anschaffungskosten bei Erwerb der Anteile an Erfüllungs statt gegen Forderungsverzicht

In der Feststellung des Jahresabschlusses kann ein deklaratorisches Anerkenntnis von Gesellschafterforderungen oder -verbindlichkeiten liegen. Dies ist auch steuerlich zu berücksichtigen.

Aus dem Jahresabschluss kann sich ebenfalls ergeben, dass und ab wann die Gesellschaft bestimmte Aktien treuhänderisch für den Gesellschafter gehalten hat.

BFH Urteil vom 10.05.2016 – IX R 13/15

Sachverhalt:

Streitig ist die Höhe der Anschaffungskosten bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlusts i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Unrecht hat das FG dem geänderten Jahresabschluss der P-GmbH jegliche Indizwirkung für den Abschluss und die tatsächliche Durchführung des von den Klägern behaupteten Treuhandverhältnisses abgesprochen.

Zur Begründung seines Urteils hat das FG u.a. ausgeführt, die Kläger hätten die A-Aktien an Erfüllungs statt von der P-GmbH erworben. Zwar fehle eine ausdrückliche Erklärung, dass die Kläger im Gegenzug für die Übertragung der Aktien auf die ihnen noch zustehenden Kaufpreisforderungen verzichten wollten. Der Verzicht ergebe sich jedoch indiziell daraus, dass die P-GmbH in ihrem Jahresabschluss für 2001 die entsprechenden Forderungen erfolgswirksam ausgebucht habe. Der Jahresabschluss der P-GmbH sei für das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern und das Verhältnis der Gesellschafter untereinander verbindlich. Der Erwerb der Aktien habe jedoch erst am 25. Oktober 2001 stattgefunden. Das von den Klägern zum 5. März 2001 behauptete Treuhandverhältnis könne nicht festgestellt werden. Die Kläger hätten eine schriftliche Zustimmung der P-GmbH zu ihrem Schreiben vom 15. Februar 2001 nicht vorgelegt. Die P-GmbH habe die Vorgänge nicht zeitnah dokumentiert. Der geänderte Jahresabschluss der P-GmbH könne über die tatsächliche Handhabung zum 5. März 2001 keinen Aufschluss geben, weil er erst nach Ablauf des Jahres aufgestellt worden sei.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr (2004) geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Eine unmittelbare Beteiligung liegt auch vor, wenn die veräußerten Anteile, abweichend von der rechtlichen Inhaberschaft, dem Veräußerer nach steuerrechtlichen Grundsätzen zuzurechnen sind.

Wirtschaftsgüter sind auch im Steuerrecht grundsätzlich dem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 der Abgabenordnung –AO–); davon abweichend ist das Treugut steuerrechtlich dem Treugeber zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO). Ein Geschäftsanteil (hier: Aktie) ist steuerrechtlich ein Wirtschaftsgut i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO und stellt einen treugutfähigen Gegenstand dar.

Voraussetzung für die steuerliche Zurechnung ist das Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses.

Die Voraussetzungen dafür sind weder im Zivilrecht noch für das Steuerrecht gesetzlich bestimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Treuhandverhältnis nur gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht (schuldrechtlich) so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft gewissermaßen als “leere Hülle” erscheint. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug.

Bei der Frage nach der tatsächlichen Durchführung einer Treuhandvereinbarung kommt der bilanziellen Behandlung des Treuguts indizielle Bedeutung zu. Deshalb ist einem Treuhandverhältnis die steuerliche Anerkennung grundsätzlich zu versagen, wenn das Treuhandvermögen in der Bilanz des Treuhänders nicht als solches dargestellt.

Bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich gegeben und damit eine von der zivilrechtlichen Inhaberschaft abweichende Zurechnung gerechtfertigt ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. § 159 Abs. 1 Satz 1 AO enthält eine Beweisführungslastregelung für den Fall, dass streitig bleibt, wem die Rechte oder Sachen gehören. Allerdings beschränkt § 159 Abs. 1 AO nicht die Pflicht des FG, gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden.

Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Zu Recht hat das FG allerdings nicht darauf abgestellt, dass das Treugut in der Bilanz der P-GmbH nicht als solches ausgewiesen war. Da das Treuhandverhältnis nach dem Vortrag der Kläger nur für wenige Monate im Jahr 2001 bestand und am Bilanzstichtag bereits beendet war, konnte und durfte es im Jahresabschluss der P-GmbH als solches nicht abgebildet werden.

Mit Erfolg rügt die Revision aber, dass das FG dem geänderten Jahresabschluss der P-GmbH jegliche Indizwirkung für den Abschluss und die tatsächliche Durchführung des von den Klägern behaupteten Treuhandverhältnisses abgesprochen hat.

Dabei ist das FG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass durch die Feststellung des Jahresabschlusses nicht nur die Bilanz, sondern auch die in ihr dargestellten Rechtsverhältnisse im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander zivilrechtlich verbindlich bestätigt werden. In der Feststellung des Jahresabschlusses kann deshalb auch ein deklaratorisches Anerkenntnis von Gesellschafterforderungen oder –verbindlichkeiten liegen.

Zu Recht hat das FG diese Rechtsprechung im Streitfall auch herangezogen, um trotz fehlenden Nachweises eines Verzichts auf die restliche Kaufpreisforderung dem Vortrag der Kläger entsprechend eine Leistung an Erfüllungs statt festzustellen. Aus dem Jahresabschluss der P-GmbH ergibt sich, dass die Forderungen der Gesellschafter zum 31. Dezember 2001 ausgebucht worden sind. Damit ist im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft zivilrechtlich bindend festgestellt, dass zuvor ausgewiesene Forderungen der Gesellschafter (Kläger) am 31. Dezember 2001 nicht mehr bestanden. Auf dieser Grundlage hat das FG zutreffend angenommen, dass die Kläger nicht erst im Jahr 2004 auf ihre Forderung gegen die P-GmbH verzichtet haben. Diese tatsächliche Würdigung ist zumindest möglich und bindet deshalb den BFH. Das FG ist dabei offensichtlich davon ausgegangen, dass der Jahresabschluss der P-GmbH ordnungsgemäß festgestellt worden ist.

Vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Annahme des FG als widersprüchlich und damit als rechtlich fehlerhaft dar, dass dem Jahresabschluss der P-GmbH für den Abschluss und die tatsächliche Durchführung des von den Klägern behaupteten Treuhandverhältnisses (ab dem 5. März 2001) keine Aussagekraft zukomme, weil er erst nachträglich aufgestellt worden sei. Das FG scheint insofern der Ansicht zu sein, dass die tatsächliche Durchführung eines Rechtsverhältnisses nur durch eine zeitnahe Dokumentation nachgewiesen werden kann. Das ist nicht zutreffend. Der Nachweis einer steuerlich erheblichen Tatsache kann grundsätzlich durch sämtliche Beweismittel erbracht werden; entsprechendes gilt, wenn der Nachweis indirekt geführt werden muss. Aus dem geänderten Jahresabschluss der P-GmbH ergibt sich zumindest mittelbar, dass die P-GmbH 1 003 161 A-Aktien am 5. März 2001 aus ihrem Bestand ausgebucht hat, denn die Bewertung des Vorgangs im geänderten

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat –von seinem Standpunkt aus zu Recht– keine Feststellungen dazu getroffen, ob der geänderte Jahresabschluss der P-GmbH zumindest konkludent von den Gesellschaftern beschlossen worden ist. Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Nur dann wäre der geänderte Jahresabschluss der P-GmbH zivilrechtlich bindend und käme ihm auch steuerlich die beschriebene indizielle Bedeutung zu. Wäre insofern davon auszugehen, dass die Kläger rechtsverbindlich bereits am 5. März 2001 auf ihre Forderungen gegen die P-GmbH verzichtet hätten, läge die Annahme nahe, dass sie die A-Aktien ebenfalls an diesem Tag von der P-GmbH erworben haben.

Sollte sich nicht erweisen, dass der geänderte Jahresabschluss der P-GmbH von den Gesellschaftern zumindest konkludent beschlossen worden ist, wird das FG unter Berücksichtigung der von ihm noch aufzuklärenden Umstände, unter denen der geänderte Jahresabschluss der P-GmbH zustande gekommen ist, beurteilen müssen, welche Indizwirkung dem Vorgang dann für den (konkludenten) Abschluss und die tatsächliche Durchführung des von den Klägern behaupteten Treuhandverhältnisses zukommt.