Bildung von Steuerrückstellungen

Steuerrückstellungen sind nicht zwingend in Höhe der später festgesetzten Steuer zu bilden, sondern in der Höhe, in der am Bilanzstichtag mit einer Steuerfestsetzung gerechnet werden muss.

Niedersächsisches Finanzgericht 6. Senat, Urteil vom 15.03.2012, 6 K 43/10

Begründung:

Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH entweder das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer –ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen– Verbindlichkeit. Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. Dieser muss darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen. Des Weiteren ist ein wirtschaftlicher Bezug der Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich.

Nach diesen Grundsätzen hatte die Klägerin – wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – dem Grunde nach eine Rückstellung für Verbindlichkeiten aus Umsatzsteuer 2002 wegen unrichtigen Steuerausweises zu bilden, da sie Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis erstellt hatte, für die sie nach § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz in der im Streitjahr 2002 geltenden Fassung (UStG 2002) die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer schuldete.

Die Tatsache, dass die Klägerin in der Handelsbilanz keine entsprechende Rückstellung gebildet hat, steht der steuerlichen Berücksichtigung der Rückstellung nicht entgegen. Eine Rückstellung ist in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch dann zu bilden, wenn sie in der Handelsbilanz zu Unrecht nicht gebildet wurde.

Die Rückstellung war in der Höhe zu bilden, wie sie sich bei einer Inanspruchnahme mit Umsatzsteuer für die gesamten in Rechnung gestellten „Erdgaslieferungen“ der Klägerin ergab, also in Höhe des Betrags, der in dem Körperschaftsteuerbescheid vom 24.07.2008 berücksichtigt war. Sowohl am Bilanzstichtag (31.12.2002) als auch im Zeitpunkt der Bilanzerstellung musste die Klägerin nach den damals maßgeblichen Verwaltungsanweisungen damit rechnen, dass nach § 14 Abs. 3 UStG 2002 Umsatzsteuer auf die gesamten in Rechnung gestellten „Erdgaslieferungen“ der Klägerin festgesetzt würde.

Im Zeitpunkt der Bilanzerstellung für 2002 konnte die Klägerin noch nicht damit rechnen, dass eine derartige Regelung mit Rückwirkung für 2002 erlassen würde.