Aufteilung gemischt genutzter Reisen

Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Können Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen in abziehbare Werbungskosten (Betriebsausgaben) und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich (betrieblich) veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind?

BFH Beschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01

Aufwendungen für Reisen sind demnach dann als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie durch den Beruf bzw. den Betrieb veranlasst sind. Ob dies zutrifft, ist durch die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen

Der Abzug der Reisekosten setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen/betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher bzw. betrieblicher Anlass zugrunde liegt (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages) und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Gleiches gilt, wenn die berufliche bzw. betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist.

Nach der Auslegung, die § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG durch die Rechtsprechung des Großen Senats erfahren hat, verbietet diese Vorschrift zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Beruf/Betrieb fördern. Es soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen entsprechenden Beruf haben, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuertem Einkommen decken müssen (BFH-Beschluss in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).

Die Rechtsprechung des BFH hat das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG allerdings seit jeher einschränkend dahin ausgelegt, dass es nicht anzuwenden ist, wenn und soweit sich der dem Beruf dienende Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit und leicht –gegebenenfalls im Wege der Schätzung– abgrenzen lässt.

Für die Kosten der An- und Abreise bei gemischt veranlassten Reisen ist die bisherige Rechtsprechung des BFH allerdings davon ausgegangen, dass sie nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Es handele sich bei diesen Kosten nicht um eindeutig abgrenzbare, beruflich bzw. betrieblich veranlasste Aufwendungen

Der vorlegende Senat ist nach erneuter Überprüfung der Rechtsfrage der Auffassung, dass bei gemischt veranlassten Reisen auch die Kosten der An- und Abreise grundsätzlich eindeutig abgrenzbare, beruflich/betrieblich (mit-)veranlasste Aufwendungen sind, bei denen eine der Sachlage entsprechende Aufteilung nach objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben in der Regel möglich ist. Er hält an seiner insbesondere in den Urteilen in BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10, und in BFH/NV 1998, 449 vertretenen, entgegenstehenden Auffassung nicht mehr fest.