Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen

Der Belegnachweis in Beförderungsfällen von KFZ in das übrige Gemeinschaftsgebiet wird gem. § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV durch die Vorlage einer Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten erbracht, das KFZ in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

BFH Beschluss vom 10.10.2011 – V B 35/11

Begründung:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), der die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung beansprucht, hat keine allgemeine Rechtsfrage formuliert und deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert und konkret dargelegt. Er trägt insoweit lediglich vor, er habe außer dem Zeugenbeweis keine Möglichkeit, durch einen "Buchnachweis" einen "Ausfuhrnachweis" zu erbringen. Abgesehen davon, dass dies schon im Ausgangspunkt unzutreffend ist, denn § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) verlangt als Belegnachweis in Beförderungsfällen also bei einer nach den Angaben des Klägers im Streitfall angeblich erfolgten Beförderung durch den Abnehmer den Nachweis durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, hat der Kläger nicht dargelegt, welche "Rechtsfrage im allgemeinen Interesse" einer Klärung durch den BFH bedarf und dass diese im Streitfall klärbar sei.

Der Kläger trägt lediglich vor, die Entscheidung werde "den Urteilen des Bundesfinanzhofs V R 84/07, 65/06 und 23/08 nicht gerecht". Danach sei es "für die Mehrwertsteuerfreiheit ausreichend, wenn der ausländische Käufer die Ware durch einen Beauftragten abholen lässt. Darauf, was der Abholer dann mit dem gekauften Fahrzeug macht, kommt es daher rechtlich nicht an". Unerheblich sei daher die Auffassung des FG, "dass sich aus den Unterlagen, die der Kläger vorgelegt hat, nicht ergäbe, dass das Fahrzeug tatsächlich nach Belgien ausgeführt worden" sei.

Das FG hat das Urteil insbesondere damit begründet, dass bei der Verletzung der in §§ 17a, 17c UStDV bezeichneten Nachweispflichten sei die Steuerbefreiung nur zu gewähren, wenn ohne weitere Ermittlungen feststehe, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliege.

Beteiligung an Steuerhinterziehung im Rahmen der innergemeinschaftliche Lieferung

Beteiligt sich ein Unternehmer wissentlich an einem "strukturierten Verkaufsablauf", der darauf abzielt, die nach der Richtlinie 77/388/EWG geschuldete Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat durch Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung zu verdecken, ist die Lieferung nicht nach § 6a UStG steuerfre.

BFH Urteil vom 11.8.2011, V R 19/10

Begründung:

Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen von § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben  ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern.  Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn –obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen– sich der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen.

Die Klägerin ist nach diesen Grundsätzen entgegen dem FG-Urteil nicht berechtigt, die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen aufgrund der nachweislich objektiv vorliegenden Voraussetzungen hierfür zu beanspruchen. Selbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass im Streitfall V Abnehmer der Lieferungen der Klägerin war, sind die Lieferungen der Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung steuerpflichtig.

 

Innergemeinschaftliche Lieferung: Steuerfreiheit im Reihengeschäft

Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gemäß § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden.

BFH Urteil vom 11.8.2011, V R 3/10

Begründung:

Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG insbesondere voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

Wird der in das übrige Gemeinschaftsgebiet beförderte oder versendete Gegenstand im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts geliefert, ist für die Zuordnung von Beförderung oder Versendung als Voraussetzung für die Steuerfreiheit gemäß § 6a UStG Folgendes zu berücksichtigen. Schließen bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. In Übereinstimmung damit kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, wobei die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann.

Der Ort der Lieferung, der zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen kann, befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG.

Für die Lieferung, der die Beförderung oder Versendung nicht zuzuordnen ist, gilt § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG: Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung vorangehen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt. Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung folgen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet. In Übereinstimmung damit gilt als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt.

Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es insoweit auf die "Verpflichtung" und die "Absichtsbekundung" an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten USt-Id-Nr. in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern. Liegen diese Voraussetzungen vor, die zu einer Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG führen, steht es einer Zuordnung von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb zur ersten Lieferung nicht entgegen, dass ein Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt ist.

Anders ist es, wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36). Beförderung oder Versendung sind dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund einer derartigen Mitteilung für den Ersterwerber erkennbar ist, dass die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht seiner Lieferung zuzurechnen ist. Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG).

 

 

Belegnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung im Versendungsfall durch CMR-Frachtbrief als Versendungsbeleg

Soll bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegmäßig durch einen CMR-Frachtbrief nachgewiesen werden, ist es grundsätzlich erforderlich, die für die Ablieferung vorgesehene Stelle (Bestimmungsort) anzugeben.

BFH Urteil vom 4.5.2011, XI R 10/09

Begründung:

Entgegen der Auffassung des FG kann im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein CMR-Frachtbrief ein geeigneter Versendungsbeleg i.S. des § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 UStDV sein.

Versendet wie im Streitfall der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStDV). Diesen Belegnachweis soll der Unternehmer durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) oder sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Spediteurbescheinigung oder eine Versandbestätigung des Lieferers (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV) erbringen. Ein CMR-Frachtbrief ist entgegen der Vorentscheidung als Frachtbrief i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV anzusehen. Auch die Finanzverwaltung erkennt nunmehr einen CMR-Frachtbrief als belegmäßigen Nachweis an.

Entgegen der Ansicht des FG scheidet ein CMR-Frachtbrief nicht bereits deshalb als geeigneter Versendungsbeleg aus, weil das Formular in Feld 24 nicht oder unvollständig ausgefüllt ist. Für die Anerkennung eines CMR-Frachtbriefs als Versendungsbeleg nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV kommt es nicht darauf an, dass dieser die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung aufweist.

Da es sich bei § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV um eine Sollvorschrift über die an den Nachweis nach § 17a Abs. 1 UStDV zu stellenden Anforderungen handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c), bleibt es dem Unternehmer allerdings unbenommen, einen geeigneten Ersatzbeleg vorzulegen, soweit sich der Ort der voraussichtlichen Auslieferung der vom Frachtführer in Empfang genommenen Ware nicht aus dem Frachtbrief ergibt.

Innergemeinschaftliche Lieferung und Versagung des Vorsteuerabzugs

Verwendet ein Unternehmer nach § 3d Satz 2 UStG bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der erworbene Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so steht ihm der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht zu .

 

BFH Urteil vom 1.9.2010, V R 39/08

Beachtung der “Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns” ist Entscheidung im jeweiligen Einzelfall

Eine Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sich ihre Beantwortung in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpft.

Die Frage, was unter der von einem Unternehmer nach § 6a Abs. 4 UStG zu beachtenden "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" zu verstehen ist, wenn der Gegenstand einer Lieferung tatsächlich nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Denn ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden.

BFH Beschluss vom 28.09.2009 – XI B 103/08 BFHNV 2010 S. 73 f.

Begründung:

Im Streitfall hält das FA sinngemäß die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, was unter der von einem Unternehmer gemäß § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1999 zu beachtenden "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" zu verstehen ist, wenn der Gegenstand einer Lieferung tatsächlich nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde.

Dieser Frage kommt entgegen der Auffassung des FA keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. Denn ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden. Dies erklärt auch, weshalb das FA in der bereits vorliegenden Rechtsprechung keine abstrakten Erörterungen, sondern nur Feststellungen im jeweiligen Einzelfall gefunden hat.

In der Vorinstanz wurde hierzu ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG zweifelsfrei erfüllt und die Lieferung steuerfrei ist, wenn nach § 6 a Abs. 4 Satz 1 UStG eine innergemeinschaftliche Lieferung auch bei fehlenden oder unvollständigen Buch- und Belegnachweisen durchgeführt wurde und der Unternehmer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Falschdeklarierung der vom Abnehmer vorgelegten Nachweise nicht erkennen konnte.

Der Klin komme der Vertrauensschutz nach § 6 a Abs. 4 UStG zugute. Die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns habe sie nicht verletzt. Die Klin habe die Unrichtigkeit der Verbringungsnachweise nicht erkennen können, zumal die Transportvorgänge ihre Betriebsstätte nicht berührt hätten. Sie habe auch keinen Verdacht schöpfen müssen, zumal sie ihren kaufmännischen Sorgfaltspflichten vollumfänglich nachgekommen sei und sogar die Hausbank der W GmbH kontaktiert habe. Die Klin sei insbesondere nicht gehalten gewesen, bezüglich der Transportvorgänge zusätzliche Nachforschungen anzustellen. Sie habe keinen Anlass zu irgendwelchen Recherchen gehabt. Die Organe der Klin und ihre vermeintlichen Haftpersonen seien vielmehr selbst Opfer von Täuschungshandlungen geworden. Ihr dürfe nicht das Risiko eines steuerunehrlichen Verhaltens ihres Vertragspartners aufgebürdet werden. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 27.09.2007 C-409/04 – Teleos.

 

 

 

 

Anforderungen an den Nachweis einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung

Wird bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein Gegenstand von einem Bevollmächtigten der Abnehmerfirma abgeholt, gehört der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners der Vollmacht nicht zu den Erfordernissen für einen ordnungsgemäßen Belegnachweis.

Davon zu unterscheiden ist die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall.

BFH Beschluss vom 03.08.2009 – XI B 79/08 BFH NV 2010 S. 72

Begründung:

Der BFH hat entschieden, die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden zähle nicht zu den Erfordernissen für einen i.S. des § 17a Abs. 1 und 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 ordnungsgemäßen Belegnachweis (entgegen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Januar 2009 IV B 9 – S 7141/08/10001, BStBl I 2009, 60 Rz 29 und 32). Davon zu unterscheiden sei die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das FA bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall.

Gehört die Vorlage der schriftlichen Vollmacht nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, kann auch der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners der Vollmacht nicht dazugehören (BFH Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06).

Hier wird ausgeführt:

Aus § 17a Abs. 1 UStDV lässt sich das Erfordernis einer belegmäßig nachzuweisenden Bevollmächtigung bei einer Abholung durch einen Beauftragten des Abnehmers nicht entnehmen. Der Unternehmer muss nach dieser Vorschrift nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dementsprechend reicht es bei einer Versendung durch einen selbständigen Beauftragten des Abnehmers aus, dass der Beauftragte gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV einen Eigenbeleg ("Bescheinigung des beauftragten Spediteurs") erstellt, der dann ohne weiter gehenden Bevollmächtigungsbeleg des Abnehmers als Auftraggeber des Spediteurs zur Erfüllung der Nachweispflicht nach § 17a Abs. 1 UStDV ausreicht. Da diese Vorschrift an den Belegnachweis bei Versendung und bei Beförderung dieselben Anforderungen stellt, bietet sie für den Fall einer Beförderung durch einen unselbständigen Beauftragten keine Rechtsgrundlage für zusätzliche Nachweiserfordernisse wie etwa die Verpflichtung, die Abholberechtigung durch Vollmachten nachzuweisen.

Auch § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV und § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV sind keine Rechtsgrundlage für die Forderung, dass der Unternehmer auch die Abholberechtigung des Beauftragten belegmäßig nachweist.

Keine Steuerbefreiung einer innergemeinschaflichen Lieferung bei Fehlen einer UST Identifikationsnummer

Eine Lieferung im Reihengeschäft an einen im Drittland ansässigen Abnehmer der keine UST Identifikationsnummer verwendet, die Gegenstände in Deutschland abholen lässt und direkt an den letzten Abnehmer in einem anderen Mitgliedsstaat weiterbeliefert, ist nicht steuerbefreit..

Sächsische Finanzgericht Urteil vom 25. Februar 2009 2 K 484/07 Rev. eingelegt EFG 2009 S. 1418 f..

 

 

 

 

Vermeidung der Erwerbsbesteuerung des Abnehmers

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt.

BFH Beschluss vom 29. Juli 2009 XI B 24/09

Begründung:

Die streitgegenständlichen Umsätze beruhen, was unstrittig ist, auf Lieferungen von Kraftfahrzeugen (PKW) an Abnehmer in Portugal. Bei diesen Abnehmern handelt es sich ganz überwiegend um portugiesische Unternehmer, die diese Fahrzeuge für ihr Unternehmen erworben haben. Soweit eine Zuordnung der Kfz-Lieferungen an Unternehmer weder von der Antragstellerin glaubhaft gemacht noch von der Steuerfahndung festgestellt wurde, und damit möglicherweise an Privatpersonen geliefert wurde, scheidet dagegen eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG aus.

Der EuGH hat entschieden, das nationale Gericht müsse insoweit prüfen, ob die verspätete Erbringung des Buchnachweises zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führen oder die Erhebung von Mehrwertsteuer beeinträchtigen konnte. Die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung könne dabei aber nicht als eine Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden, weil solche Einnahmen nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität dem Mitgliedstaat zustünden, in dem der Endverbrauch erfolge:

Danach ist nicht auszuschließen, dass das FG zu Recht wegen eines fehlenden Besteuerungsrechts Deutschlands eine Gefährdung des Steueraufkommens verneint hat. Dass es allein auf die Gefährdung des Steueraufkommens des Lieferstaats ankommt, entspricht auch einer weithin vertretenen Ansicht:’

Allerdings ist letztlich noch offen und ungeklärt, ob die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung auch dann vorliegen, wenn der Lieferer an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers im Gemeinschaftsgebiet mitwirkt: Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des EuGH, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt ist.

Mit der Ausstellung von Rechnungen, die den unzutreffenden Hinweis auf eine Differenzbesteuerung nach § 25a UStG trugen, hat die Antragstellerin an einer betrügerischen Handlung ihrer Abnehmer in Portugal mitgewirkt.. Es wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die Mitwirkung eines inländischen Unternehmers an einer Steuerhinterziehung, die sein ausländischer Abnehmer gegenüber dessen Mitgliedstaat begeht, es rechtfertigen kann, dass der deutsche Fiskus eine Steuer festsetzen darf, die nicht entstanden wäre, wenn der deutsche Unternehmer seinen wahren Abnehmer in seinen Büchern benannt und nicht einen Scheinabnehmer vorgetäuscht hätte. Dadurch könnte die Versagung der Steuerfreiheit möglicherweise einen unzulässigen Sanktionscharakter erhalten.

Buchnachweis bei Ausfuhrlieferungen – Ergänzung und Berichtigung – Steuerbefreiung trotz fehlenden Buchnachweises

Der Unternehmer muss den buchmäßigen Nachweis der steuerfreien Ausfuhrlieferung (§ 6 Abs. 4 UStG i.V.m. § 13 UStDV) bis zu dem Zeitpunkt führen, zu dem er die Umsatzsteuer-Voranmeldung für die Ausfuhrlieferung abzugeben hat.

Der Unternehmer kann fehlende oder fehlerhafte Aufzeichnungen eines rechtzeitig erbrachten Buchnachweises bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG nach den für Rechnungsberichtigungen geltenden Grundsätzen ergänzen oder berichtigen.

Wird der Buchnachweis weder rechtzeitig geführt noch zulässigerweise ergänzt oder berichtigt, kann die Ausfuhrlieferung gleichwohl steuerfrei sein, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis Abs. 3a UStG vorliegen (Änderung der Rechtsprechung)

Begründung:

Bei der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten. Wurde unbestreitbar eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt, die die materiellen Anforderungen erfüllt, ist diese auch steuerfrei, wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt, der Verstoß gegen die formellen Anforderungen aber den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden, nicht verhindert.

Aufgrund dieses EuGH-Urteils hat der Senat entgegen seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bei innergemeinschaftlichen Lieferungen bestehenden Nachweispflichten keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen sind.