Innergemeinschaftliche Lieferungen

Die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV a.F. erforderliche Angabe des Bestimmungsorts ergibt sich nur dann aus der für die Lieferung ausgestellten Rechnung, wenn von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist.

BFH Urteil vom 10.08.2016 – VR 45/15

Begründung:

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Lieferungen nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind.

Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, so dass es an der gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt.

Die Klägerin kann die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch nehmen. Es fehlt sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis.

Im Streitfall liegen, wie das FG insoweit zu Recht entschieden hat, Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die PKW im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbständiger Dritter versendet wurden. Versendungsbelege liegen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt wäre (§ 17a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UStDV a.F.).

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV a.F. in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

“1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

  1. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
  2. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
  3. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern”.

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung dieses Belegnachweises ergibt sich aus Art. 131. Danach wird die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nur “unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen”.

Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb nicht verzichtbar.

m Streitfall reicht die Nennung eines Bestimmungslandes in den Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts nicht aus. Der Bestimmungsort ergibt sich auch nicht aus den für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen. Zwar kann sich aus der Rechnungsanschrift im Einzelfall der belegmäßig nachzuweisende Bestimmungsort ergeben. Dies setzt aber voraus, dass von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist. Dies trifft auf Abrechnungen gegenüber Scheinunternehmen nicht zu.

Der Buchnachweis ist widerlegt.

Der Unternehmer soll nach § 17c Abs. 1 UStDV die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers aufzeichnen.

Zwar hat die Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Firmen C, M und PA aufgezeichnet. Da es sich aber bei diesen Firmen, die die Klägerin als ihre Abnehmer ansah, um Scheinfirmen handelte, ergibt sich aus der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern dieser Firmen nicht auch deren Unternehmereigenschaft. Denn steht fest, dass die buchmäßige aufgezeichnete Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mangels tatsächlich fehlender Unternehmereigenschaft diese nicht bezeugen kann, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann dann nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen.

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl –wie hier– die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Die Steuerfreiheit gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist.

Im Streitfall hat die Klägerin formal zwar den –entkräfteten– Buchnachweis (s. oben II.2.b), nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Angaben zu den Bestimmungsorten fehlten (s. oben II.2.a).

Es besteht kein Widerspruch zum EuGH-Urteil Traum vom 9. Oktober 2014 C-492/13 (EU:C:2014:2267). Danach müssen die Steuerpflichtigen ihre steuerlichen Verpflichtungen kennen, bevor sie ein Geschäft abschließen (Rz 29). Dieser Anforderung genügt § 17a UStDV in seiner Auslegung durch den erkennenden Senat. Die Angabe eines Bestimmungsorts ist nicht mit der eines Bestimmungslandes gleichzusetzen.

Im Übrigen ergibt sich aus dem EuGH-Urteil Traum (EU:C:2014:2267) nicht, dass einem Steuerpflichtigen, der der Verpflichtung zur Beibringung eines der Art nach vollständigen Belegnachweises nicht nachkommt, eine Steuerfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes zu gewähren ist. Ob die Klägerin im Hinblick auf andere Umstände als die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Beibringung von Angaben zu den Bestimmungsorten der Lieferungen gutgläubig gehandelt hat, ist daher unerheblich. Überlegungen zum Vertrauensschutz gleichen formal nur unvollständig erfüllte Belegpflichten nicht aus.

Innergemeinschaftliche Lieferungen

Die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV a.F. erforderliche Angabe des Bestimmungsorts ergibt sich nur dann aus der für die Lieferung ausgestellten Rechnung, wenn von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist.

BFH Urteil vom 10.8.2016, V R 45/15

Begründung:

Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, so dass es an der gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt.

Die Klägerin kann die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch nehmen. Es fehlt sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis.

Im Streitfall liegen, wie das FG insoweit zu Recht entschieden hat, Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die PKW im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbständiger Dritter versendet wurden. Versendungsbelege liegen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt wäre (§ 17a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UStDV a.F.).

Innergemeinschaftliche Lieferungen

Der Unternehmer darf den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch jenseits der formellen Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV grundsätzlich nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen führen.

BFH Beschluss vom 08.12.2015 – VB 40/15

Begründung:

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass die Revision nach § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei, da das Finanzgericht (FG) „ohne rechtliches Gehör einen Beweisantrag übergangen” habe. Sie habe beantragt, mittels Auskunft des italienischen Fahrzeugregisters Beweis zu der Frage zu erheben, ob die PKW, die Gegenstand der streitigen innergemeinschaftlichen Lieferung waren, in Italien zum Straßenverkehr zugelassen worden sind. Das FG habe nicht erklärt, dass es dem Beweisantrag nicht nachgehen wollte.

Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Unternehmer den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch jenseits der formellen Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) grundsätzlich nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen führen darf.

Der BFH hat dies damit begründet, dass der Neutralitätsgrundsatz die Steuerbefreiung zwar auch dann gebietet, wenn der Steuerpflichtige die formellen Anforderungen an den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung dann aber unbestreitbar feststehen müssen und dass der Unternehmer auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich nicht berechtigt ist, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Somit kommt ein Beweis durch Zeugen als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen

Danach scheidet die von der Klägerin beantragte Beweiserhebung bereits wegen § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV und damit aus Gründen des materiellen Rechts aus.

Der beantragte Beweis wäre nur zu erheben gewesen, wenn der Klägerin die Einhaltung der § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV „nicht zumutbar” war. Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Damit ist das Urteil nicht verfahrensfehlerhaft, sondern in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht ergangen, das die von der Klägerin gewünschte Art der Beweisführung –abgesehen vom Ausnahmetatbestand der Unzumutbarkeit– nicht vorsieht.

Anforderungen an den Nachweis einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung

Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden gehört nicht zu den Erfordernissen für einen i.S. des § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweis (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 60 Rz 29 und 32).

BFH Beschluss vom 03.05.2010 – XI B 51/09 BFH NV 2010 S. 1872 f

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits geklärt, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 –UStG–) grundsätzlich nicht erfüllt sind, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a, 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 (UStDV) nicht nachkommt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17a, 17c UStDV erbracht hat.

Das Finanzgericht (FG) ist von diesen Grundsätzen ausgegangen (Urteil S. 6 bis 8) und hat anschließend im Einzelnen begründet, dass im Streitfall aufgrund der objektiven Beweislage –u.a. aufgrund von Bescheinigungen der italienischen und spanischen Behörden über die Zulassung der in Rede stehenden PKW– feststehe, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, auch wenn die Klägerin und Beschwerdegegnerin die nach § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV erforderlichen Nachweise "nicht vollumfänglich" erbracht habe.

Der BFH hat aber durch das nachfolgend ergangene Urteil in BFHE 225, 264 entschieden, dass die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden nicht zu den Erfordernissen für einen i.S. des § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweis gehört (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 60 Rz 29 und 32). Davon zu unterscheiden sei die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das FA bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall.

Der V. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 225, 264 ausdrücklich ausgeführt, soweit er in seinem Urteil in BFHE 219, 410, BStBl II 2009, 49 von der Steuerpflicht der im damaligen Streitfall zu beurteilenden innergemeinschaftlichen Lieferungen ausgegangen ist, habe dies entscheidend darauf beruht, dass der als Abnehmer geführte Unternehmer die Erteilung der Vollmacht an den Abholer ausdrücklich bestritten habe.

EuGH-Vorlage zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erlaubt die Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist?

 Ist es für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung

– ob es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und

– ob der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat?

BFH Entscheidung vom 10.11.2010, XI R 11/09

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) u. a. die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist und ob es eine Rolle spielt, dass es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist.

Wenn ein Gegenstand durch einen Unternehmer oder durch seinen Abnehmer in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union (sog. Bestimmungsland) befördert oder versendet wird, ist diese innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nur dann steuerfrei, wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in dem anderen Mitgliedstaat "den Vorschriften der Umsatzbesteuerung" unterliegt. Durch diese Regelung wird bezweckt, dass im innergemeinschaftlichen Handel zwischen Unternehmern die Mehrwertsteuereinnahmen dem Mitgliedstaat zustehen, in dem der Endverbrauch erfolgt (Bestimmungsland). Die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferungen setzt nach nationalem Recht allerdings u. a. voraus, dass der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweist (§ 17c Abs. 1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV -).

In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hatte eine in Deutschland ansässige GmbH zwei Maschinen an das Unternehmen A mit Sitz in den USA verkauft. A hatte die Maschinen sogleich an ein Unternehmen (Ltd.) in Finnland weiterveräußert. Die Maschinen wurden durch eine von A beauftragte Spedition unmittelbar von der GmbH nach Finnland befördert. Da A in keinem Mitgliedstaat der Union für umsatzsteuerrechtliche Zwecke registriert war, zeichnete die GmbH (lediglich) die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der finnischen Ltd. auf. Deshalb versagte das Finanzamt die von der GmbH beantragte Steuerfreiheit der Lieferung.

Da die Richtlinie 77/388/EWG für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer – jedenfalls nicht ausdrücklich – verlangt, hat der BFH durch den Beschluss vom 10. November 2010 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie es den Mitgliedstaaten erlaubt, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist.