Umsatzsteuerlichen Organschaft in der Insolvenz

Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.

Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft.
Die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaft ändert hieran nichts.

BFH v. 15.12.2016 – V R 14/16, BStBl. II 2017, 600

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine GmbH, die insolvent wurde. Sie war unmittelbar bzw. über ihre Tochtergesellschaft als Alleingesellschafter an mehreren anderen GmbHs beteiligt. Die Klägerin war unternehmerisch im Sinne des § 2 UStG tätig. Sie wurde durch drei jeweils alleinvertretungs- berechtigte Geschäftsführer (A, Bund C) vertreten.
Die GmbH war als Alleingesellschafter im Einzelnen an den folgenden GmbHs beteiligt: E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH sowie J-GmbH. A war bei allen diesen Gesellschafter – mit Ausnahme der J-GmbH – alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Bei der J-GmbH waren C sowie eine Person, die zugleich bei der Klägerin in leitender Funktion tätig war, die Geschäftsführer.

Bis zum 12.5.2012 gingen die Klägerin und das zuständige Finanzamt übereinstimmend von einer umsatzsteuerlichen Organschaft in Bezug auf die genannten sechs Tochtergesellschaften aus. Aufgrund eines Insolvenzantrages durch die Klägerin selbst bestellte das zuständige Amtsgericht noch am Tag der Antragsstellung einen vorläufigen Sachwalter und setzte Gläubigerausschüsse ein. Die Kläger hatte beim Amtsgericht die Eigenverwaltung beantragt. Diesem Antrag
ist das Gericht grundsätzlich gefolgt, so dass die Klägerin auch weiterhin berechtigt war, unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters ihr Vermögen zu Verwaltung und ggf. darüber zu verfügen.

Im weiteren Verlauf eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin sowie zeitgleich über die sechs Tochtergesellschaften. Das Insolvenzgericht ordnete die Eigenverwaltung im Sinne des § 270 Abs.1 lnsO an. Der vorläufige Sachwalter wurde zum Sachwalter im eröffneten Insolvenzverfahren bestellt. Außerdem wurden Gläubigerausschüsse ein- gerichtet. In allen Eröffnungsbeschlüssen ordnete das Gericht an, dass die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe. Schuldbefreiende Leistungen sollten nur an diese erfolgen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Organschaft auch in der Insolvenz der Klägerin weiter- hin bestünde. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die Organschaft mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet war.

Begründung:

Mit der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Organträgers endet hier die Organschaft. Die durch den Gesetzgeber vorgesehen Zusammenfassung der Unternehmen inner- halb eines Organkreises wird der Organträger – hier die Klägerin – zum Steuerschuldner der Umsatzsteuer für alle Leistungen der Organgesellschaften. Der Organträger übernimmt beispielsweise auch die strafrechtliche Verantwortung gemäß § 370 AO für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaften. Die eigentlich rechtlich selbständigen Unternehmensteile werden zusammengefasst. So sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen. Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug.

Die Zusammenfassung, die die Vorschriften der Organschaft vorsehen, übernimmt allerdings das Insolvenzrecht nicht. Es gibt dort keine Regelungen für den Fall einer Konzerninsolvenz. Die InsO sieht kein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften vor.

Der BFH geht davon aus, dass der Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festgesetzt werden kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Unternehmers – hier des Organträgers – handelt. Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit der Insolvenzmasse nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs.1 Nr.1 InsO, da es sich um eine durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Verbindlichkeit handelt. Dies trifft aber nur auf eigenen Umsatztätigkeit des bisherigen Organträgers zu. So- weit die Umsätze der Organgesellschaft betroffen sind, liegen keine Masseverbindlichkeiten vor. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit dieser Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse. Zur Insolvenzmasse des Organträgers gehört daher nur seine Beteiligung an der Organgesellschaft, nicht aber auch das Vermögen der Organgesellschaft.

Die Eigenverwaltung ist ohne Bedeutung, da sie nichts an der Trennung im Insolvenzverfahren ändert. Außerdem endet bei der Insolvenz der Organgesellschaft die finanzielle Eingliederung. Der Organträger muss finanziell in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann. Bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters endet ohnehin die finanzielle Eingliederung. Sie entfällt aber auch, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach §§ 270ff. InsO anordnet.

Zwar ist der Schuldner und damit die Organgesellschaft gem. § 270 Abs.1 Satz 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die für die Organschaft erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt aber trotzdem.

Merke:
Die Organschaft bleibt spannend. Was eigentlich als Vereinfachungsregelung gedacht war, führt in der Praxis immer wieder zu größeren Problemen und vor allem zur Rechtsunsicherheit.

In diesem Zusammenhang ist dieses Urteil positiv zu sehen. Denn der BFH hat mit der Beendigung der Organschaft in diesen Insolvenzfällen eine klare Regelung getroffen. Im Rahmen einer komplexen Konzerninsolvenz aber auch aber auch bei weniger komplexen Strukturen – wie im in diesen Sachverhalt – verkomplizieren die Organschaftsregelungen die Insolvenzverwaltung nicht unnötig.

Keine Tarifbegünstigung bei Teilzahlung

Erfolgt die Auszahlung einer Gesamtabfindung in mehreren Veranlagungszeiträumen in etwa drei gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Dies gilt unabhängig davon, dass die Ratenzahlung durch die Insolvenz der Arbeitgeberin verursacht ist.

BFH Urtei vom 14.04.2015 – IX R 29/14

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bei der A-OHG nichtselbständig beschäftigt. Mit Aufhebungsvertrag vom 22. August 2006 wurde das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2006 wegen dringender betrieblicher Gründe aufgelöst und eine Ende Januar 2007 fällige Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 158.500 EUR vereinbart. Nachdem vor Auszahlung der Abfindung über das Vermögen der A-OHG im Januar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, meldete der Kläger diese Forderung neben weiteren Ansprüchen gegenüber seiner früheren Arbeitgeberin zur Tabelle an. Die Abfindungsforderung wurde vom Insolvenzverwalter in vollem Umfang anerkannt. Am 15. April 2009 erhielt der Kläger einen Teilbetrag von 55.474 EUR (34.272,80 EUR netto). Ein weiterer Teilbetrag von 50.264,24 EUR wurde in 2011 ausbezahlt.

Begründung:

Zu Recht hat das FG entschieden, dass die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Teilabfindung nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der BFH in solchen Fällen für geboten, in denen –neben der Hauptentschädigungsleistung– in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Soziale Fürsorge ist dabei allgemein im Sinne der Fürsorge des Arbeitgebers für seinen früheren Arbeitnehmer zu verstehen. Ob der Arbeitgeber zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung. Diese Auslegung leitet der BFH aus einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab.

Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Wollte man in derartigen Fällen an einem ausnahmslosen Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum festhalten, so würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt.

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall von einer einheitlichen, nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers auszugehen. Zweck der Tarifbegünstigung des § 34 EStG ist es, eine für den Steuerpflichtigen außergewöhnliche Progressionsbelastung auszugleichen. Schon an einer solchen fehlt es im Streitfall. Es geht hier nicht darum, veranlagungszeitraumübergreifend eine gleichmäßige progressive Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu verwirklichen.

Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen an, nicht etwa an einen geplanten oder vereinbarten Zufluss. Bei einem Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen entgegen einer eindeutigen Vereinbarung kommt im Rahmen von § 163 AO eine Rückbeziehung der späteren Teilleistung in den Veranlagungszeitraum in Betracht, in dem die –grundsätzlich begünstigte– Hauptentschädigungsleistung zugeflossen ist (so das BMF, a.a.O.). Typischer Fall hierfür ist die Korrektur einer versehentlich zu niedrigen Auszahlung durch Nachzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum. Demgegenüber fehlt es im Streitfall schon an der Hauptleistung, da zwei (ggf. drei) in etwa gleich hohe Teilzahlungen vorliegen.

 

Die Insolvenz der Arbeitgeberin ist zwar ursächlich dafür, dass der Kläger seine Abfindung nicht in einem Betrag erhalten hat. Dies hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass es einer Progressionsentlastung nicht bedarf. Dass der Insolvenzverwalter, sobald es ihm möglich war, sozial motiviert, die erste Teilzahlung geleistet hat, macht den Streitfall nicht den Fallgestaltungen von aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit gewährter Entschädigungszusatzleistungen vergleichbar. Denn es geht im Streitfall nicht um ergänzende Zusatzleistungen zur Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern um eine –wenn auch sozial motivierte– Aufteilung dieser Entschädigung.

Erneute Berichtigung der Umsatzsteuer bei späterer Vereinnahmung einer zunächst uneinbringlich gewordenen Entgeltforderung

Es ist nicht klärungsbedürftig, dass die spätere Vereinnahmung einer zunächst uneinbringlich gewordenen Forderung auch dann nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer erneuten Berichtigung der Umsatzsteuer führt, wenn der Insolvenzverwalter Sicherheiten zugunsten des Unternehmers verwertet und vor Auskehrung des Erlöses die Umsatzsteuer aus der Verwertung der Sicherheiten gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO als zusätzlichen Kostenbeitrag einbehalten hat.

BFH Beschluss vom 02.12.2013 XI B 5/13 BFHNV 2014 S. 588 f.

Begründung:

So liegt der Fall hier. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Vereinnahmung des Entgelts für die Warenlieferung und die Dienstleistungen, die der Kläger an die O-GmbH & Co. KG ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG dazu führt, dass die Umsatzsteuer für diese Umsätze (erneut) zu berichtigen ist.

Der Kläger hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden sind, an die O-GmbH & Co. KG, über deren Vermögen am … Juni 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, vor Insolvenzeröffnung eine Warenlieferung sowie Dienstleistungen ausgeführt. Hieraus standen ihm offene Forderungen gegen die O-GmbH & Co. KG in Höhe von 87.807,03 EUR zu (Bemessungsgrundlage 75.695,72 EUR, Umsatzsteuer 12.111,31 EUR). Im Juli 2005 berichtigte der Kläger diese Umsatzsteuer (zu Recht) nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit.

Soweit nach den tatsächlichen Feststellungen des FG diese Forderungen des Klägers –nach der Verwertung der Baumaschinen und Baufahrzeuge als Sicherheiten durch den Insolvenzverwalter durch Auskehrung des Verwertungserlöses an den Kläger zur Tilgung dieser Forderungen– später in Höhe von 47.197,20 EUR (anteilig) erfüllt worden sind, hat das FG zu Recht eine nachträgliche Vereinnahmung i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG angenommen, die  in dem Besteuerungszeitraum zu berücksichtigen ist, in dem die VeSoweit der Kläger geltend macht, er werde bei dieser Sichtweise wirtschaftlich gesehen doppelt mit Umsatzsteuer belastet, weil der Insolvenzverwalter im Rahmen der freihändigen Verwertung der dem Kläger zur Sicherheit übereigneten Baumaschinen und Baufahrzeuge für die Masse (§ 166 Abs. 1 InsO) nach § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO die Umsatzsteuer aus dieser Veräußerung mit dem Kostenbeitrag einbehalten und nicht an ihn, den Kläger, abgeführt habe, beachtet der Kläger nicht, dass es bei dem vom Insolvenzverwalter einbehaltenen Betrag um die Umsatzsteuer auf einen ganz anderen Umsatz, nämlich die Lieferung von Baumaschinen und Baufahrzeugen durch die Masse an Drittereinnahmung erfolgt ist.

 

Organschaft in der Insolvenz

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Unternehmen durch die umsatzsteuerrechtliche Organschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbesteht. Dies gilt gleichermaßen für die Insolvenzeröffnung beim Organträger wie auch bei der Organgesellschaft.

BFH Beschluss vom 19.3.2014, V B 14/14

Begründung:

Mit Beschluss vom 19. März 2014 (V B 14/14) äußert der Bundesfinanzhof (BFH) ernstliche Zweifel am Fortbestand der umsatzsteuerrechtlichen Konzernbesteuerung (Organschaft) im Insolvenzfall.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen werden nicht mehr besteuert. Die Konzernobergesellschaft (Organträger) ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Konzerngesellschaften (Organgesellschaften) gegenüber Dritten ausführen. Soweit die Steuerschuld des Organträgers auf der Umsatztätigkeit einer Organgesellschaft beruht, steht dem Organträger ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft zu. Die Organschaft soll nach ihrer gesetzlichen Konzeption der Steuervereinfachung dienen.

Im Streitfall wurde sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch bei den Organgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils Eigenverwaltung angeordnet. Aufgrund der Eigenverwaltung gingen Finanzamt (FA) und Finanzgericht davon aus, dass die Organschaft fortbestanden habe. Danach hatte der Organträger die Umsätze der Organgesellschaften auch während des Insolvenzverfahrens weiter zu versteuern. Dem trat der BFH mit seinem –im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen und zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten– Beschluss entgegen. Danach ist es grundsätzlich zweifelhaft, ob die Organschaft im Insolvenzverfahren fortbestehen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter bestellt oder Eigenverwaltung anordnet.

Der BFH begründet seine Entscheidung mit den aufgrund der Insolvenzeröffnung nur noch eingeschränkten Möglichkeiten zur Anspruchsdurchsetzung. So ist im Insolvenzverfahren des Organträgers die auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft entfallende Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeit und kann daher vom FA nicht durch Steuerbescheid gegen den Organträger festgesetzt werden. In der Insolvenz der Organgesellschaft ist der Organträger zudem nicht berechtigt, seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft als Masseverbindlichkeit geltend zu machen. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.

Erledigung einer Aufrechnungserklärung durch Möglichkeit der Saldierung nach § 16 UStG

Können wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens positive Umsatzsteuerbeträge und negative Berichtigungsbeträge (§ 16 Abs. 2 UStG) im Rahmen einer Steuerfestsetzung durch Bescheid des FA nicht mehr saldiert werden, erledigt sich der Streit um die Wirksamkeit einer hinsichtlich dieser Beträge vom FA abgegebenen Aufrechnungserklärung, sobald die Steuer für das mit Insolvenzeröffnung endende (Rumpf-)Steuerjahr berechnet werden kann und nicht ausnahmsweise von der Aufrechnungserklärung als solcher fortbestehende Rechtswirkungen ausgehen, welche die Rechte des Schuldners berühren.

Da ein über die Wirksamkeit der Aufrechnung ergangener Abrechnungsbescheid in der Regel die Feststellung enthält, dass aufgrund der Berichtigung entstehende Vergütungsbeträge oder Erstattungsbeträge nicht auszukehren sind, bleibt eine Klage gegen den Abrechnungsbescheid zulässig. Ist der Berichtigungstatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, ist der Abrechnungsbescheid aufgrund des § 16 UStG ungeachtet des § 96 Abs. 1 InsO als rechtmäßig zu bestätigen.

BFH Urteil vom 25.7.2012, VII R 44/10

Begründung:

Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oftmals nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu; sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung – InsO -). Das war nach der bisherigen, langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht der Fall – eine Aufrechnung also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts. Der BFH hat jetzt mit Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 diese bisher durch die dem Steuerrecht eigentümliche besondere Verknüpfung von Umsatzsteuerfestsetzung und Umsatzsteuerberichtigung (§ 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes – UStG -) gerechtfertigte Rechtsprechung aufgegeben: Eine Aufrechnung sei nur dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.

Im Streitfall wurde jedoch eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des insolventen Unternehmers deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Unternehmers) ebenfalls in Insolvenz geraten, das von diesem geschuldete Leistungsentgelt also uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers darf das Finanzamt Insolvenzforderungen nicht verrechnen.

In einem weiteren Urteil vom gleichen Tag (VII R 44/10) hat der BFH erkannt, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11) gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung gemäß § 16 UStG). Hier seien die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.

 

Uneinbringliche Entgelte in der Insolvenz

Der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner werden spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich.

Wird das uneinbringlich gewordene Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist der Umsatzsteuerbetrag erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die Eröffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfüllt (Änderung der Rechtsprechung).

BFH Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08

Begründung:

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist.

"Uneinbringlich" i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann.

Nach der Rechtsprechung des Senats werden spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote die Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner in voller Höhe i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen.

Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Vorsteuerberichtigung gegenüber dem Kläger als Organträger der H-GmbH vorzunehmen war. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hat die Vorsteuerberichtigung gegenüber dem (bisherigen) Organträger zu erfolgen, wenn die Uneinbringlichkeit vor der Organschaftsbeendigung eingetreten ist oder –wie im Streitfall– durch die Insolvenzeröffnung sowohl die Organschaftsbeendigung als auch die Uneinbringlichkeit gleichzeitig erfolgen.

 

Entstehung eines Auflösungsverlusts nach § 17 EStG in der Insolvenz

Ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG setzt voraus, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilung und Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen kann und dass feststeht, ob und in welchem Umfang noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen werden.

BFH Beschluss vom 29.12.2008 – X B 141/08 BFHNV 2009 S. 581 

 Begründung:

Im Falle einer Insolvenz entsteht ein Auflösungsverlust durch Ablehnung des Antrags auf Insolvenz mangels Masse oder wenn der Steuerpflichtige anhand einer Vermögensübersicht mit Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit belegen kann, dass die Schulden der Gesellschaft nicht durch Vermögenswerte gedeckt werden und ein Vergleich ausgeschlossen ist.

Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft







Wandelt sich das von einer Kapitalgesellschaft betriebene und wegen Insolvenzeröffnung zunächst unterbrochene Klageverfahren betreffend Körperschaftsteuer durch Aufnahme des Rechtsstreits durch das Finanzamt in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren und einigen sich die Beteiligten jenes Verfahrens über eine Verminderung der ursprünglich angesetzten verdeckten Gewinnausschüttung mit der Folge, dass das Finanzamt seine Anmeldungen zur Insolvenztabelle entsprechend vermindert und der Rechtsstreit in der Körperschaftsteuersache in der Hauptsache für erledigt erklärt wird, so ist bei summarischer Betrachtung in sinngemäßer Anwendung des § 32a Abs. 1 KStG die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides des Gesellschafters dementsprechend auszusetzen.

 BFH Beschluss vom 20. März 2009 VIII B 170/08

 

Ablösezahlung für Pensionsverzicht bei drohender Insolvenz

Erhält der Geschäftsführer einer GmbH eine Ablösezahlung auf eine Pensionszusage, so liegt Arbeitslohn vor, wenn in der späteren Insolvenz aufgrund fehlender Absicherung mit einem vollständigen Verlust der Pensionsansprüche gerechnet werden muss. Eine Tarifvergünstigung nach § 34 EStG kann dann nicht gewährt werden.

Finanzgericht München Urteil vom 21. August 2008 15 K 2291/05 – rechtskräftig EFG 2009 S. 345 f.

Haftung des GmbH Geschäftsführers für Lohnsteuer

Die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden richtet sich wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie.

Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag.

Die Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ist dem Geschäftsführer nach § 34 Abs. 1 AO, § 41a EStG nicht allein zur Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls auferlegt, sondern soll auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit sicherstellen.

Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer pflichtwidrig verspäteten Lohnsteuerzahlung und dem eingetretenen Schaden (Steuerausfall) ergibt sich daraus, dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zur fristgemäßen Lohnsteuerabführung erfasst wird.

BFH Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08

Begründung:
Der Geschäftsführer hatte in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO die Pflicht zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der im Haftungszeitraum von der GmbH angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger für die Monate April bis Juni 2003 zwar fristgerecht Lohnsteueranmeldungen abgegeben, zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt aber die angemeldeten Beträge nicht entrichtet. Die in der nicht fristgerechten Entrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf.

Hätte der Kläger die angemeldeten Lohnsteuern bis spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer für Juni 2003 (nach den unbestrittenen Angaben des FA am 15. Juli 2003) gezahlt, wäre es nicht zu dem Steuerausfall beim Fiskus gekommen, denn der Dreimonatszeitraum vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung, in dem nach § 130 Abs. 1 InsO Zahlungen des Schuldners anfechtbar sind (Anfechtungszeitraum), begann erst am 22. Juli 2003.