Insolvenzantrag des Lieferanten verhindert den Vorsteuerabzug nicht

In Insolvenzfällen kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass der spätere Insolvenzschuldner die Absicht hat, die von ihm in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zu entrichten.
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06

Das Finanzamt nahm die Käuferin des Anlagevermögens durch Haftungsbescheid vom 17. August 2005 nach vorheriger Anhörung als Haftungsschuldnerin für Steuerrückstände der insolventen GmbH ( Verkäuferin) gemäß § 25d UStG in Höhe der ausgewiesenen Vorsteuer in Anspruch.

Zur Begründung heißt es u.a.: Aufgrund der Hinweise auf der Rechnung auf ein Gespräch mit dem Insolvenzverwalter sei davon auszugehen, dass die Klägerin während der Kaufpreisverhandlungen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter von dem gestellten Insolvenzantrag und den gerichtlich angeordneten Sicherungsmaßnahmen Kenntnis erlangt habe. Zumindest aber hätte sie unter Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hiervon Kenntnis haben müssen. Es hätte dann der Klägerin zumindest bewusst sein müssen, dass die Insolvenzschuldnerin wegen der Sicherungsmaßnahmen die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das FA abführen würde.

Im Streitfall scheidet eine Haftung der Käuferin nach § 25d UStG scheidet aus.

Voraussetzungen für eine Haftung nach § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG sind (vgl. auch Abschn. 276d Abs. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien –UStR–):

– Die aus einem vorangegangenen Umsatz geschuldete Umsatzsteuer wurde nicht entrichtet.
– Diese Umsatzsteuer wurde in einer Rechnung nach § 14 UStG ausgewiesen.
– Die ausgewiesene Steuer wurde vom Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten

Absicht nicht entrichtet oder er hat sich vorsätzlich außer Stande gesetzt, diese zu entrichten.
– Der in Haftung zu nehmende Leistungsempfänger hatte bei Abschluss des Vertrages über seinen

Eingangsumsatz vom vorsätzlichen Handeln des Rechnungsausstellers Kenntnis oder hätte nach

der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Kenntnis haben müssen.

Dabei liegt die Darlegungs- und Feststellungslast grundsätzlich bei dem für den Erlass des Haftungsbescheides zuständigen FA (zutreffend Abschn. 276d Abs. 4 UStR).

Die Würdigung des FG, es lasse sich (bereits) nicht feststellen, dass die Verkäuferin als Ausstellerin der Rechnung entsprechend ihrer vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich hierzu vorsätzlich außer Stande gesetzt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Kenntnis oder das Kennen müssen der Klägerin als Leistungsempfängerin kommt es deshalb nicht mehr an.