IT-Berater als Freiberufler

Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Steuerpflichtiger, der selbständig in der IT-Branche tätig ist, einen dem Ingenieur oder dem Diplom-Informatiker ähnlichen Beruf ausübt, sind hinreichend geklärt. Die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen sind ebenfalls geklärt.

Zur Feststellung, ob der Steuerpflichtige über in Breite und Tiefe vergleichbare Kenntnisse wie der Träger eines Katalogberufs verfügt, müssen die Finanzgerichte ggf. Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BFH Beschluss vom 9.03.2012 III B 244/11 BFH NV 2012 Seite 1119

Begründung:

Der Kläger, dessen selbständige berufliche Tätigkeit im IT-Bereich von der Vorinstanz nicht als freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt wurde, hält die Frage für klärungsbedürftig, inwieweit bei der Einstufung eines Selbständigen aus dem IT-Bereich, der über keinen akademischen Abschluss verfügt, verfassungsrechtliche Aspekte und Argumente für die Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe zu berücksichtigen sind. Vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) müsse außerdem geklärt werden, inwieweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens verfassungswidrig sei, mit dem nachgewiesen werden solle, ob ein IT-Berater ohne akademischen Abschluss über ein vergleichbares theoretisches Wissen in Breite und Tiefe wie ein IT-Berater mit akademischem Abschluss verfüge.

Auf diese Fragen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits Antworten gegeben. Dass ein neuerlicher Klärungsbedarf entstanden wäre, ist in der Beschwerdeschrift weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der BFH hat in einer Vielzahl von Entscheidungen Rechtsgrundsätze entwickelt, anhand derer zu beurteilen ist, wann ein Steuerpflichtiger einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten "Katalogberufe" oder einen "ähnlichen Beruf". Viele dieser Entscheidungen betreffen speziell die Abgrenzungsfrage, ob Steuerpflichtige, die  in der IT-Branche tätig sind, einen dem Ingenieur oder dem Diplom-Informatiker ähnlichen Beruf ausüben oder nicht.

Der Kläger geht fehl in der Annahme, dass hierbei die verfassungsrechtlichen Aspekte nicht berücksichtigt worden seien. Das Gegenteil ist der Fall. Der BFH hat bereits mehrfach die verfassungsrechtliche Problematik ausdrücklich erörtert. Er zieht die Merkmale der Ausbildung, etwa der für viele Katalogberufe typische Abschluss eines Studiums und der Kenntnisse zur Bestimmung des "ähnlichen Berufs" heran und sieht darin zulässige und einleuchtende Unterscheidungskriterien Den Belangen solcher Steuerpflichtiger, die eine Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht vorweisen können (z.B. Autodidakten ohne akademischen Abschluss), hat der BFH gerade aus Gründen der steuerlichen Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) dadurch Rechnung getragen, dass diese den Erwerb vergleichbarer Kenntnisse auch auf andere Weise (z.B. durch erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen) nachweisen können.

Um allerdings den gegenteiligen Effekt, nämlich die sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellung der Autodidakten gegenüber den Trägern der Katalogberufe, die sich einer oft langwierigen und anspruchsvollen Ausbildung unterziehen müssen, zu vermeiden, hat es der BFH auch für erforderlich angesehen, dass von jenen das Wissen des Kernbereichs des jeweiligen Fachstudiums in der Tiefe und der Breite nachgewiesen wird.

Die vom Kläger als verfassungswidrig bewertete Einholung eines Sachverständigengutachtens betrifft keine in einem Revisionsverfahren klärbare Rechtsfrage, sondern dient allein der Beantwortung der Tatfrage, ob der Steuerpflichtige, der keine förmliche Ausbildung absolviert hat, das zur rechtlichen Gleichstellung mit einem Träger eines Katalogberufs erforderliche Wissensniveau im Einzelfall erreicht oder nicht. Da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines ähnlichen Berufs den Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werden, müssen die betroffenen Steuerpflichtigen grundsätzlich auch die hieraus resultierenden verfahrensrechtlichen Folgen hinnehmen. Daher haben die Gerichte zur Feststellung, ob der Steuerpflichtige über ein vergleichbares Wissen tatsächlich verfügt, im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gegebenenfalls Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Das Sachverständigengutachten ist nur eines von mehreren denkbaren Beweismitteln. Der "Wissensnachweis" kann auch durch die Vorlage von praktischen Arbeiten, eine sog. Wissensprüfung oder durch Urkunden, die den erfolgreichen Besuch von Fortbildungsveranstaltungen belegen, geführt werden.