Entnahme von Kapitalbeteiligungen führt nur bei Versteuerung der stillen Reserven zu erhöhten Anschaffungskosten

Veräußert ein i.S. des § 17 EStG qualifiziert beteiligter Gesellschafter Anteile an der Kapitalgesellschaft, die er zuvor aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt hat, so tritt der Teilwert oder der gemeine Wert dieser Anteile nur dann an die Stelle der (historischen) Anschaffungskosten, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des Teilwerts oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können .

BFH Urteil vom 13.4.2010, IX R 22/09

Erläuterungen:

Veräußert ein i. S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) qualifiziert beteiligter Gesellschafter Anteile an der Kapitalgesellschaft, die er zuvor aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt hat, so tritt der Entnahmewert dieser Anteile nur dann an die Stelle der (historischen) Anschaffungskosten, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des Teilwerts oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können.

So entschied der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 13. April 2010 IX R 22/09 in einem Fall, in dem der Kläger zunächst unmittelbar und mittelbar qualifiziert an der Komplementär-GmbH einer KG beteiligt war und die Beteiligung dann in sein Privatvermögen entnahm. Der Entnahmegewinn blieb unversteuert. Später veräußerte der Kläger seine unmittelbare Beteiligung an der GmbH. Sein Begehren, den Veräußerungsgewinn als Differenz zwischen Veräußerungspreis und Entnahmewert zu versteuern, hatte letztlich keinen Erfolg.

Der Veräußerungsgewinn bildet sich aus dem Unterschied zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten. Anteile an einer Kapitalgesellschaft werden angeschafft, indem sie entgeltlich erworben werden. Überführt der Steuerpflichtige Anteile in sein Privatvermögen, erwirbt er sie mangels Rechtträgerwechsels nicht und schafft sie auch nicht an. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus ist die Entnahme einer Anschaffung aber gleichzusetzen, wenn stille Reserven dadurch tatsächlich erfasst wurden. Denn sonst würden Wertsteigerungen bei einer anschließenden Veräußerung entgegen der gesetzlichen Intention nochmals und damit doppelt erfasst. Einer einschränkenden Auslegung des § 17 Abs. 2 EStG bedarf es deshalb nicht, wenn wie im entschiedenen Fall kein Entnahmegewinn erfasst wurde und auch nicht erfasst werden kann.

Abgrenzung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu anderen Einkunftsarten

Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die Kapitalbeteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten und nur Arbeitnehmern angeboten worden war.

BFH Urteil vom 17. Juni 2009 VI R 69/06

Begründung:

Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen.

Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Kein Arbeitslohn liegt allerdings u.a. vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.

Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer sich an seinem Arbeitgeber kapitalmäßig beteiligt. Auch hier kann der Aktienbesitz eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung, die daraus erzielten Erträge sind daher keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen. Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt daher jedenfalls nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die Beteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten und veräußert wurde und auch nur Arbeitnehmern angeboten worden war.