Lehrgänge eines Leutnants keine Berufsausbildung

Die Lehrgänge, die ein Angehöriger der Bundeswehr nach seiner Ernennung zum Leutnant im Rahmen einer militärfachlichen Ausbildung absolviert, gehören nicht mehr zur „erstmaligen Berufsausbildung” i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

BFH Beschluss vom 09.03.2016 – III B 146/15

Sachverhalt:

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die Mutter eines im März 1990 geborenen Sohnes (S). Dieser leistete ab Januar 2009 den Wehrdienst. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2009 wurde er als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit (14 Jahre) übernommen. Von Oktober 2010 bis Anfang September 2013 studierte er Betriebswirtschaftslehre (Bachelor). In dieser Zeit wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 2012 zum Leutnant ernannt, nachdem er die entsprechende Offiziersprüfung abgelegt hatte. Nach Abschluss des Studiums wurde er zu einer Nachschubtransportstaffel zum Zweck der „Ausbildung zum Offizier Truppendienst nach Studium” versetzt. Anfang Januar 2014 nahm er an einem zweimonatigen Lehrgang „Führungstraining Luftwaffe” teil. Die militärfachliche Ausbildung zum „Transportoffizier Streitkräfte” dauerte von Anfang April 2014 bis Dezember 2014. Nach dem Absolvieren verschiedener Prüfungen erhielt S hierüber im Dezember 2014 ein Zeugnis.

Die Antragstellerin bezog für S Kindergeld. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2014 hob die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes zunächst ab Januar 2015 auf. Nachdem sie von der Antragstellerin verschiedene Nachweise und Unterlagen erhalten hatte, hob sie durch einen weiteren Bescheid vom 21. Januar 2015 die Festsetzung von Oktober 2013 bis Dezember 2014 auf und forderte Kindergeld von 2.760 EUR zurück. Die Familienkasse war der Ansicht, S habe das Studium und die militärische Ausbildung beendet und befinde sich nicht mehr in Ausbildung.

Begründung:

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, wobei eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch unschädlich sind (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).

Ob die Ausbildungsmaßnahmen, an denen S nach dem Ende des Studiums teilnahm, als Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG anzusehen sind, ist nicht entscheidungserheblich. Denn in diesem Fall läge eine weitere Ausbildung nach Abschluss der Erstausbildung vor, die im Streitfall nicht zu einem Anspruch auf Kindergeld führen könnte, weil S mehr als 20 Wochenstunden erwerbstätig war (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Der Senat hat zur Ausbildung eines Bundeswehrsoldaten zum Feldwebel entschieden, dass dieser seine erstmalige Berufsausbildung mit Bestehen der Feldwebelprüfung abgeschlossen hat. Verwendungslehrgänge, die der Prüfung zeitlich nachfolgen, sind nicht mehr Bestandteil der Erstausbildung.

Diese Grundsätze sind im Streitfall entsprechend anzuwenden. S hat nach dem Bestehen der Offiziersprüfung und Ernennung zum Leutnant zum 1. Oktober 2012 die Ausbildung zum Offizier gemäß § 24 Abs. 3 SLV abgeschlossen. Ob das Kindergeld für die nachfolgende Zeit bis zum Abschluss des Studiums im September 2013 zu Recht festgesetzt wurde, braucht der Senat nicht zu prüfen, da dieser Zeitraum nicht im Streit ist. Die Lehrgänge, an welchen S im Streitzeitraum (Oktober 2013 bis Dezember 2014) teilnahm, sind bei summarischer Prüfung nicht anders zu beurteilen als die Lehrgänge, welche in dem vom Senat entschiedenen Fall auf die Feldwebelprüfung folgten.

Anhaltspunkte dafür, dass S wegen eines Ausbildungsdienstverhältnisses i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG kindergeldrechtlich zu berücksichtigen sein könnte, ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch aus den vorliegenden Akten.

Freiwilliges soziales Jahr ist keine Berufsausbildung

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob ein freiwilliges soziales Jahr eine Berufsausbildung darstellt, kann nicht mit der Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung mit dem zivilen Unterhaltsrecht (§ 1610 Abs. 2 BGB) begründet werden.

Ein freiwilliges soziales Jahr ist keine Berufsausbildung i.S. des § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG. Für Kinder, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, ist folglich kein Ausbildungsfreibetrag zu gewähren.
Auch bei einer gemeinsamen Einkommensteuerveranlagung gilt der Einspruch eines Ehegatten nicht zugleich als Einspruch des anderen Ehegatten.

BFH Beschluss vom 25.11.2014-VI B 1/14 BFHNV 2015 S.

Begründung:
er BFH hat bereits entschieden, dass ein freiwilliges soziales Jahr keine Berufsausbildung. Neue Gesichtspunkte, die Anlass für eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen, liegen nicht vor. Insbesondere ist die Frage, ob ein freiwilliges soziales Jahr nach Änderung der gesetzlichen Vorschriften hierzu (Jugendfreiwilligendienstegesetz, Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008) als Berufsausbildung i.S. des § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen ist, nicht klärungsbedürftig. Die Antwort liegt auf der Hand. Denn für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG ist weiterhin darauf abzustellen, ob eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 EStG vorlieg. Im Rahmen des § 32 Abs. 4 EStG unterscheidet der Gesetzgeber weiterhin zwischen Berufsausbildung einerseits (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und freiwilligem sozialen Jahr andererseits (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), so dass sich schon aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergibt, dass der Freiwilligendienst auch weiterhin keine Berufsausbildung darstellt.

Freiwilligendienst im Ausland grundsätzlich keine Berufsausbildung

Der freiwillige Dienst im Ausland stellt trotz dem vorhandenen Ausbildungscharakter keine Berufsausbildung dar.

Etwas anderes kann gegeben sein, wenn der Auslandssprachaufenthalt von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet wird.

BFH Urteil vom 9.2.2012, III R 78/09

Begründung:

Der von T geleistete Freiwilligendienst ist nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG begünstigt. Insbesondere liegt kein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des im Streitzeitraum noch geltenden FSJG vor.

Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, werden grundsätzlich nicht für einen Beruf ausgebildet und können daher nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt werden. Denn Freiwilligendienste dienen in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl.

Ausnahmsweise kommt eine abweichende Beurteilung etwa dann in Betracht, wenn der Freiwilligendienst, der von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten wird, einen so engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer betrieblichen Ausbildung hat, dass er –wie ein Praktikum– als Bestandteil einer Berufsausbildung angesehen werden kann. Die Bezeichnung der Maßnahme als Freiwilligendienst, Praktikum oder Volontariat ist nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen durch systematische Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten oder die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht.

Zwar kann die mit der Absolvierung eines Freiwilligendienstes im Ausland verbundene Verbesserung von Sprachkenntnissen die Annahme einer Berufsausbildung rechtfertigen, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden sind (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder –wie z.B. bei einem Sprachaufenthalt im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses– von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt.

Entsprechend den zu Au-pair-Verhältnissen aufgestellten Grundsätzen kann auch bei Kindern, die einen Freiwilligendienst im Ausland absolvieren, ein Sprachunterricht von mindestens 10 Wochenstunden als Berufsausbildung anzusehen sein; ausnahmsweise ist auch eine geringere Stundenzahl ausreichend.