Zum Umsatzsteuersatz bei Verpflegungsleistungen für Kindergärten

Liefert ein Unternehmer verzehrfertige Speisen in Warmhaltebehältern an Kindergärten zu festen Zeitpunkten aus und übernimmt er über die Speisenlieferung hinaus mit der abgestimmten Speiseplanerstellung, dem Lastschrifteinzug bei den Eltern, der Vorportionierung in Schüsseln vor Ort sowie der Geschirr- und Besteckreinigung nach den Mahlzeiten zusätzliche Dienstleistungen, liegen dem Regelsteuersatz zu unterwerfende sonstige Leistungen selbst dann vor, wenn die Speisen in einem standardisierten Produktionsablauf hergestellt werden.

BFH Urteil vom 28.05.2013 – XI R 28/11 BFHNV 2013 S. 1950 ff

Begründung:

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen dem Regelsteuersatz i.S. des § 12 Abs. 1 UStG unterliegen, weil es sich bei ihnen um sonstige Leistungen handelt, für die der ermäßigte Steuersatz i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht gilt.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für "die Lieferungen" der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Nach § 3 Abs. 1 UStG sind "Lieferungen eines Unternehmers … Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht)".

Demgegenüber sind sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 UStG "Leistungen, die keine Lieferungen sind". Die für die Streitjahre noch gültigen und inzwischen aufgehobenen Sätze 4 und 5 dieser Vorschrift hatten folgenden Wortlaut: "Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden."

Die Abgabe von Speisen zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern ist danach nur dann eine Lieferung und keine sonstige Leistung, wenn es sich um Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes handelt. Nur beim Vorliegen einer Standardspeise kommt es für die Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung auf zusätzliche Dienstleistungselemente –wie z.B. Überlassung, Abholung und Reinigung von Geschirr und Besteck– an. Handelt es sich um eine qualitativ höherwertige Speise als eine Standardzubereitung, liegt demgegenüber auch ohne derartige zusätzliche Dienstleistungselemente eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung vor.  Nach diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit der Klägerin. selbst dann als sonstige Leistung zu beurteilen, wenn die gelieferten Speisen  als Standardspeisen zu beurteilen wären. Im Streitfall kann daher dahinstehen, ob entsprechend dem Vortrag der Klägerin aufgrund der Fertigung von täglich insgesamt ca. … Speisen im standardisierten Produktionsablauf die hiervon an die Kindergärten gelieferten ca. … Mahlzeiten als Standardspeisen anzusehen sind.

Die Klägerin hat nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, über die Speisenlieferung hinaus zusätzliche Dienstleistungen, mit den Erzieherinnen und Elternkuratorien abgestimmte Speiseplanerstellung, Vorportionierung durch eine Servicekraft und anschließende Geschirr- und Besteckreinigung, erbracht. Dies genügt nach den vorgenannten Grundsätzen –entgegen der Ansicht der Klägerin für die Annahme einer der Regelbesteuerung i.S. des § 12 Abs. 1 UStG zu unterwerfenden sonstigen Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG .

Besondere Umstände, die belegen, dass die Lieferung von Speisen trotz der von der Klägerin zusätzlich erbrachten Dienstleistungen dominierender Leistungsbestandteil war, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Sie ergeben sich –entgegen der Ansicht der Klägerin– weder aus der fehlenden Zurverfügungstellung von Geschirr und Besteck noch aus der fehlenden Essenszuteilung am Tisch und der nicht vorhandenen Bedienung.

Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass sich –wie im Streitfall– die in Großküchen ausgeübte Tätigkeit auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines Imbissstandes beschränkt. Selbst die Klägerin hat nicht vorgebracht, dass es sich bei den an die Kindergärten gelieferten Mahlzeiten um Speisen nach Art eines Imbissstandes gehandelt habe. Die Abgabe von Speisen –wie hier– nach Maßgabe eines mit dem Leistungsempfänger vereinbarten Speiseplans zu vereinbarten Zeitpunkten in Warmhaltebehältern ist mit der Abgabe von Standardspeisen nach Art eines Imbissstandes nicht vergleichbar und kann daher auch nicht gleich beurteilt werden, auch wenn –wie die Klägerin einwendet– der Betreiber eines Imbisswagens oder Verkaufsstandes ebenfalls auf Kundenwünsche eingehen muss, um sein Geschäft dauerhaft zu betreiben.

 

Ermäßigter Steuersatz bei Verpflegungsleistungen für Kindergärten

Die Abgabe von Speisen zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern ist nur dann eine Lieferung und keine sonstige Leistung, wenn es sich um "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes handelt.

Nur beim Vorliegen einer Standardspeise kommt es für die Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung auf zusätzliche Dienstleistungselemente wie z.B. Überlassung, Abholung und Reinigung von Geschirr und Besteck an. Handelt es sich um eine qualitativ höherwertige Speise als eine Standardzubereitung, liegt demgegenüber auch ohne derartige zusätzliche Dienstleistungselemente eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung vor. Dies gilt aufgrund richtlinienkonformer Auslegung auch für die Beurteilung nach nationalem Recht.

BFH Beschluss vom 22.12.2011 – V R 47/10 BFHNV 2012 Seite 812

Begründung:

Wie das FG zu Recht entschieden hat, unterliegen die Leistungen des Klägers dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG, da es sich bei ihnen um sonstige Leistungen, nicht aber um Lieferungen handelt.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für "die Lieferungen" der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände.Nach § 3 Abs. 1 UStG sind "Lieferungen eines Unternehmens … Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht)". § 3 Abs. 9 UStG hatte in den Streitjahren folgenden Wortlaut: "Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. … Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden."

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Bog u.a. (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272 Leitsatz 1) ist die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung von Gegenständen, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen, während die Tätigkeiten eines Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, Dienstleistungen darstellen.

Danach ist die Abgabe von Speisen zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern nur dann eine Lieferung und keine sonstige Leistung, wenn es sich um "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes handelt.

Nur beim Vorliegen einer Standardspeise kommt es für die Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung auf zusätzliche Dienstleistungselemente wie z.B. Überlassung, Abholung und Reinigung von Geschirr und Besteck an. Handelt es sich um eine qualitativ höherwertige Speise als eine Standardzubereitung, liegt demgegenüber auch ohne derartige zusätzliche Dienstleistungselemente eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung vor.

Danach erbrachte der Kläger im Streitfall sonstige Leistungen, nicht aber Lieferungen. Es handelt sich nicht um die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines z.B. Imbissstandes, da der Kläger mit derartigen Speisen seine vertraglichen Verpflichtungen zur Berücksichtigung der "ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Essensteilnehmer", und zur Darreichung "eines altersgerechten und abwechslungsreichen Essens" sowie zur Darreichung "abwechslungsreicher Kost" in den Kindertageseinrichtungen nicht erfüllen konnte, zumal nach Bedarf "Auswertungsgespräche" zu führen und wöchentliche Speisepläne zu erstellen waren.

Die Speisenabgabe erfolgte zudem in Warmhaltebehältern und zu genau festgelegten Zeitpunkten. Besondere Umstände, die belegen, dass die Lieferung von Speisen dominierender Leistungsbestandteil war, sind demgegenüber nicht ersichtlich.