Unternehmereigenschaft des geschäftsführenden Komplementärs einer KG

Ein geschäftsführender Komplementär einer KG kann umsatzsteuerrechtlich unselbständig sein (entgegen Abschn. 17 Abs. 2 Satz 3 UStR 2005/2008 und BMF-Schreiben vom 23. Dezember 2003 IV B 7 -S 7100- 246/03, BStBl I 2004, 240, unter A.1.)

BFH Urteil vom 14.4.2010, XI R 14/09

Begründung:

Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist gewerblich oder beruflich jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind die einzelnen Merkmale, die für und gegen die Selbständigkeit i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG sprechen, unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse gegeneinander abzuwägen. Selbständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sprechen für persönliche Selbständigkeit. Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, die Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Erfolgs, Ausführung von einfachen Tätigkeiten, die regelmäßig weisungsgebunden sind, sprechen gegen die Selbständigkeit der Tätigkeit.

Besondere Bedeutung kommt dem Handeln auf eigene Rechnung und Eigenverantwortung und dem Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko) zu. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit; ist der Steuerpflichtige von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt, spricht dies gegen Selbständigkeit.

Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass ein geschäftsführender Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft nichtselbständig handelt, wenn ihm ein festes Monatsgehalt und ein jährliches Urlaubsgeld gezahlt und von dem Gehalt Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten werden, wenn er nicht im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung handelt, sondern auf Rechnung und Verantwortung der Gesellschaft, und wenn er nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt.

Der Annahme, der Kläger habe seine Tätigkeit als geschäftsführender Komplementär der KG aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht nichtselbständig ausgeübt, steht nicht entgegen, dass er nach den zutreffenden und zwischen den Beteiligten auch nicht umstrittenen Ausführungen der Vorinstanz Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und damit ertragsteuerrechtlich selbständig tätig gewesen ist.

Das FG hat bei seiner Entscheidung, dass zwischen dem Kläger und der KG ein Verhältnis der Unterordnung bestand, zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer nicht als Ausfluss seiner Gesellschafterstellung gemäß den gesetzlichen Regelungen in §§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 114 ff. HGB ausgeübt hat, sondern auf der Grundlage seines Anstellungsvertrages und der Regelungen des Gesellschaftsvertrages, die von den abdingbaren Vorschriften des HGB abweichen.

Zwar enthält weder der Anstellungsvertrag noch der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung, die es den Kommanditisten oder dem Verwaltungsrat ausdrücklich gestattet hätte, dem Kläger Weisungen zu erteilen. Aber dem Verwaltungsrat standen andere Rechte zu, die ein mindest ebenso stark ausgeprägtes Unterordnungsverhältnis bewirkt haben wie eine ausdrücklich vereinbarte Weisungsbefugnis. Denn nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages obliegt dem Verwaltungsrat u.a. die Beratung und Überwachung der Komplementäre und der übrigen Mitglieder der Geschäftsleitung. Gemäß § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages kann der Verwaltungsrat einen Komplementär nach seinem eigenen freien Ermessen jederzeit mit der Folge abberufen, dass er aus der KG ausscheidet und zur unverzüglichen Einstellung seiner Tätigkeit verpflichtet ist. Das bedeutet, dass ein Komplementär, der seine Entscheidungen nicht im Einklang mit der Beratung durch den Verwaltungsrat traf, ohne Begründung jederzeit abberufen werden konnte und sofort seine Tätigkeit einzustellen hatte. Dies rechtfertigt die Würdigung des FG, der Kläger sei nach den mit der KG getroffenen Vereinbarungen zwar im Außenverhältnis als Gesellschafter aufgetreten, im Innenverhältnis aber wie ein Angestellter gegenüber den die KG beherrschenden Personen gebunden gewesen