Aufwendungen für einen Zivilprozess in Rumänien als außergewöhnliche Belastungen

Aufwendungen für einen Zivilprozess sind auch dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sie im (europäischen) Ausland angefallen sind.

FG Niedersachsen  Urteil vom 08.01.2014  3 K 11296/12

Begründung:

Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten nach dieser neuen Rechtsprechung des VI. Senats jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider und damit  auch des Kostenrisikos eingegangen sein. Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung durch die Ehefrau des Klägers bot aus Sicht eines verständigen Dritten eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hätte. Vielmehr handelt es sich um eine erbrechtliche Streitigkeit, die für die Ehefrau des Klägers eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Schon aus dem teilweise stattgebenden Urteil ergibt sich auch, dass die Klage erfolgsversprechend gewesen ist, die Voraussetzungen für den Abzug der Rechtsverfolgungskosten als außergewöhnliche Belastungen insoweit also gegeben sind.

Nach Auffassung des Gerichts sind aber auch im Hinblick auf das Begehren, die Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrags zu erreichen, hinreichende Erfolgsaussichten zu bejahen. Anders als im deutschen Sachenrecht ist der Eintritt eines gutgläubigen Erwerbs in Rumänien davon abhängig, dass der Alteigentümer seine Rechte nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend macht, zum anderen hat die Ehefrau des Klägers eine rumänische Rechtsanwaltskanzlei mit der Prüfung und Realisierung ihrer Ansprüche beauftragt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass ein Prozess nicht ohne hinreichende Erfolgsaussicht geführt worden wäre. Auch insoweit können die Voraussetzungen für einen steuerlichen Abzug der Rechtsverfolgungskosten also bejaht werden.

Zivilprozesskosten sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Zivilprozesskosten können Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen (Änderung der Rechtsprechung).

Unausweichlich sind derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Zivilprozesskosten sind jedoch nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Etwaige Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 12.5.2011, VI R 42/10

Begründung (BFH):

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.


Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Außergewöhnliche Belastungen sind dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehenden Kosten hinausgehen. Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt.


Mit dem Urteil vom 12. Mai 2011 hat der BFH diese enge Gesetzesauslegung aufgegeben und entschieden, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei.

Im entschiedenen Fall war die Klägerin Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehaltszahlungen einstellte, nahm die Klägerin ihre Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Klägerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Aufgrund dieses Befundes stellte die Krankenversicherung die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe. Daraufhin erhob die Klägerin erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 € machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom Finanzgericht (FG) bestätigt, denn die Klägerin lebe in intakter Ehe und könne auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 € "zurückgreifen".


Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.