Sog. „Tumormeldungen” eines Arztes für ein Krebsregister keine umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen

Sog. „Tumormeldungen” eines Arztes für ein Krebsregister, die in der reinen Dokumentation erfolgter Behandlungen von Patienten bestehen, sind keine umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen.

BFH Urteil vom 09.09.2015 – XI R 31/13 BFH/NV 2016, 249

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine aus den Ärzten Dr. A1 und A2 bestehende GbR, betrieb in den Jahren 2004 und 2005 (Streitjahre) eine urologische Gemeinschaftspraxis. Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren sog. „Tumormeldungen” für ein Krebsregister. Sie meldete auf einem einheitlichen Formblatt bestimmte Identitätsdaten an eine Klinik als „zentrale Anlaufstelle” zur Weiterleitung der Tumordokumentationen an das Krebsregister und erhielt für jede vorgenommene „Tumormeldung” eine (pauschale) Vergütung von der Klinik. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) umfasste die jeweilige „Tumormeldung” lediglich eine reine Dokumentation erfolgter Behandlungen von Krebspatienten und erforderte keine weitere gutachterliche oder fachliche Tätigkeit des Arztes.

Begründung;

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. .Das FG hat zutreffend entschieden, dass die „Tumormeldungen” der Klägerin für das Krebsregister nicht umsatzsteuerfrei sind.

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker.

Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), nach der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden”, steuerfrei sind. Sie ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) richtlinienkonform auszulegen.

Der Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG umfasst Leistungen, die der Diagnose, Behandlung und, soweit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Daraus folgt, dass ärztlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen

Zu den nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfreien Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören nach der Rechtsprechung des BFH auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Das Gleiche gilt für Folgebehandlungen, d.h. medizinische Maßnahmen, die dazu dienen, die negativen Folgen der Vorbehandlung zu beseitigen. Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind „ärztliche Leistungen”, „Maßnahmen” oder „medizinische Eingriffe”, die zu anderen Zwecken.

Dementsprechend hat der EuGH entschieden, dass „die Beförderung von menschlichen Organen und dem menschlichen Körper entnommenen Substanzen für verschiedene Krankenhäuser und Laboratorien, offensichtlich keine ‚ärztliche Heilbehandlung’ oder ‚Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin’ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie darstellt, da sie nicht zu den ärztlichen Leistungen gehört, die unmittelbar tatsächlich dem Zweck dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen, oder tatsächlich dem Zweck dienen, die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.

Derartige Leistungen können zwar einer Heilbehandlung dienen, stellen aber selbst keine solche dar.

Nach diesen Grundsätzen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die „Tumormeldungen” der Klägerin für das Krebsregister keine umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen sind.

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG bestanden die Leistungen der Klägerin in der reinen Dokumentation erfolgter Behandlungen, erforderten keine gutachterliche oder fachliche Tätigkeit des Arztes und waren weder als Abschluss noch als Vorbereitung einer Therapie anzusehen. Das FG hat diese Feststellungen dahingehend gewürdigt, dass die von der Klägerin vorgenommenen „Tumormeldungen” für das Krebsregister keinem therapeutischen Zweck dienten, da es an dem notwendigen unmittelbaren Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit fehle.

Entgegen der von der Klägerin geäußerten Rechtsansicht genügt es für die Annahme eines therapeutischen Zwecks ihrer „Tumormeldungen” für das Krebsregister nicht, dass andere Ärzte ihre konkreten Therapiemaßnahmen auf die Eintragungen im Krebsregister abstimmen können und die Datenbank der Verbesserung der medizinischen Betreuung der Patienten dient.

Krebsregister wurden zur Krebsbekämpfung, insbesondere zur Verbesserung der Datengrundlage für die Krebsepidemiologie eingerichtet (§ 1 Abs. 1 des Krebsregistergesetzes). Sie haben das Auftreten und die Trendentwicklung aller Formen von Krebserkrankungen zu beobachten, insbesondere statistisch-epidemiologisch auszuwerten, Grundlagen der Gesundheitsplanung sowie der epidemiologischen Forschung einschließlich der Ursachenforschung bereitzustellen und zu einer Bewertung präventiver und kurativer Maßnahmen beizutragen; sie haben vornehmlich anonymisierte Daten für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung zu stellen (§ 1 Abs. 2 des Krebsregistergesetzes).

Lediglich mögliche und mittelbare Auswirkungen einer Leistung –wie der Meldungen der Klägerin für das Krebsregister– auf die Heilbehandlung eines bei Ausführung dieser Leistung nicht bestimmbaren Personenkreises dienen nicht unmittelbar tatsächlich dem Zweck, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen, oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.