Einkünfteerzielungsabsicht bei langjähriger Generalsanierung von leerstehenden Wohnungen

Eine beendete Vermietung von Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus entfaltet keine Indizwirkung für eine (fortbestehende) Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich zweier im Dachgeschoss neu geschaffener Wohnungen.

Dem Steuerpflichtigen ist ein inhaltlich angemessener, zeitlich jedoch begrenzter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zuzubilligen, innerhalb dessen er über die Fortführung oder Aufgabe seiner Vermietungstätigkeit entscheiden muss.

BFH Urteil vom 13.01.2015-IR 46/13 BFH/NV 2015, 668

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus mehreren Vermietungsobjekten. Sachverhalt:

Mit Grundstückskaufvertrag samt Auflassung vom … Juni 1995 hatte er das lastenfreie Alleineigentum an dem im Grundbuch des Amtsgerichts A eingetragene Flurstück 125 q mit einer Größe von etwa 620 qm erworben und den Besitz an dem mit einem Mehrfamilienhaus (elf Wohnungen; zwei im Erdgeschoss und jeweils drei in den drei Obergeschossen; Wohnungsgrößen zwischen 49 qm und 66 qm) und einer Doppelgarage bebauten Grundstück übernommen. Der Kaufpreis betrug 400.000 DM. Der Kläger hat zur langfristigen Finanzierung des Erwerbs zwei Darlehen bei der Sparkasse A aufgenommen.

Die im Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden neun Wohnungsmietverhältnisse gingen kraft Gesetzes auf den Kläger über. Das Haus war dringend sanierungsbedürftig. Der Kläger wirkte aktiv auf die Beendigung aller Mietverhältnisse hin, um eine Komplettsanierung des Hauses zu ermöglichen. Die Mietverhältnisse endeten überwiegend bereits im Jahr 1996, lediglich zwei wurden bis zum Jahr 1998 bzw. 1999 fortgesetzt. Der überwiegende Teil der Mieter kündigte von sich aus, um bereits sanierte Wohnungen in der Nachbarschaft zu beziehen. Der Kläger vermietete die frei werdenden Wohnungen zunächst nicht wieder. Ab dem Jahr 2000 stand das Haus vollständig leer; ab dem Jahr 2003 auch die Garage.

Für das Jahr 1999 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 5.000 DM für die Entkernung des Hauses als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Für die Jahre 2002 und 2003 machte er neben den jährlich anfallenden Zinsen, Abschreibungen und Versicherungsbeiträgen Aufwendungen in 2002 für die Absicherung des Grundstücks in Höhe von 5.894,93 EUR und in 2003 für die Errichtung eines Havariezauns in Höhe von 8.562,63 EUR sowie für Fassadenarbeiten in Höhe von 3.480 EUR als Werbungskosten geltend.

Die Kläger erklärten für das Jahr 1995 positive Einkünfte und für die Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 1996 Werbungskostenüberschüsse aus dem Wohnhaus. Für die Jahre 1996 bis 2001 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Verluste an; die entsprechenden Einkommensteuerbescheide sind bestandskräftig.

Enscheidung:

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG, wonach der Kläger bezüglich der einzelnen Wohnungen in den Streitjahren nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt habe, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat.

Danach sind Aufwendungen für Wohnungen, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leerstehen, auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der jeweiligen Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen. Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen als Voraussetzungen einer (fort-)bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast. Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden.

Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit ist dabei stets objektbezogen; maßgebend ist die auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Nach diesen Maßstäben hat das FG die Berücksichtigung der Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren zu Recht versagt. Das FG hat zutreffend eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers im Streitzeitraum für die im Zeitpunkt

Denn nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger erklärt, er habe die zu kleinen Wohnungen in den Obergeschossen nicht mehr vermieten wollen. Es sei vielmehr bereits im Jahr 1998 seine Absicht gewesen, auf den Geschossflächen jeweils zwei neue, größere Wohnungen zu schaffen. Überdies waren sie aufgrund der Entkernung nicht mehr betriebsbereit und hätten nicht mehr vermietet werden können.

Die im Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Mietverhältnisse sind ebenfalls nicht bei der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers für die zwei im Dachgeschoss neu ausgebauten Wohnungen zu berücksichtigen. Die Aufwendungen des Klägers bezogen sich insoweit auf andere Objekte als die zuvor vermieteten, so dass die vorangegangene Vermietung schon deshalb keine Rückschlüsse auf eine eventuelle Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieser durch den Ausbau neu entstandenen Objekte.

  1. c) Auch soweit das FG aus den sonstigen von ihm festgestellten Umständen die Überzeugung gewonnen hat, dass der Kläger die Einkünfteerzielungsabsicht für alle Wohnungen bereits zu Beginn des Streitzeitraums aufgegeben und bis zum Ende des Streitzeitraums nicht wieder aufgenommen hat, ist dies nach dem eingeschränkten Maßstab revisionsrechtlicher Kontrolle (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30) nicht zu beanstanden.

Das FG hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kläger die ursprünglich verfolgte Sanierungstätigkeit mit Abschluss der Entkernung im Jahr 1999 aufgegeben und er danach bis zum Beginn des Streitzeitraums keinerlei Bemühungen um eine Sanierung des Hauses entfaltet hat. Durch den Umstand, dass die Kläger bereits im Januar 2002 –also zu Beginn des Streitzeitraums– gegenüber dem FA geltend gemacht haben, sie beabsichtigten den Verkauf des Hauses, sah sich das FG bestärkt. Diese Würdigung ist, wenngleich nicht zwingend, so doch möglich und lässt weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze erkennen; sie bindet gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat.

Das FG hat dabei nicht verkannt, dass es grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen ist, darüber zu befinden, ob und inwieweit Renovierungsarbeiten aus Zeit- und/oder Geldgründen langsamer oder schneller und insbesondere ob diese Arbeiten in Eigenleistung selbst oder durch Fremdfirmen durchgeführt. Dem Kläger ist zwar ein inhaltlich angemessener, zeitlich jedoch begrenzter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zuzubilligen, innerhalb dessen er über die Fortführung seiner Vermietungstätigkeit entscheiden muss. Ohne Rechtsfehler kam das FG bei der Würdigung der Gesamtumstände jedoch zu dem Ergebnis, dass nach jahrelanger Untätigkeit –im Streitfall neun Jahre– dieser zeitlich begrenzte Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum überschritten worden ist. Aus dem langjährigen Leerstand der Immobilie und der diesbezüglich vollständigen Passivität des Klägers in der Zeit zwischen 1999 und 2008, verbunden mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kläger vor dem Streitzeitraum und mit der eigenen Einlassung der Kläger gegenüber der Stundungsstelle des FA, der Kläger habe bereits Anfang 2002 den Verkauf des Grundstücks beabsichtigt, hat es nach den Gesamtumständen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gefolgert, dass von einer Aufgabe der Vermietungsabsicht vor dem Jahr 2002 ausgegangen werden muss und dass es weder die Umstände des Streitzeitraums noch die Geschehnisse ab dem Jahr 2008 erlauben, von der Wiederaufnahme der Vermietungsabsicht durch den Kläger bereits vor dem Ende des Streitzeitraums auszugehen. Da die vom Kläger entmietete und entkernte Immobilie nicht betriebsbereit war, er im Streitzeitraum keinerlei Bemühungen unternommen hat, die Wohnungen zu sanieren und zu vermieten, und es zudem im Streitzeitraum auch nicht absehbar war, ob und ggf. wann die Räume im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen, ist es nicht zu beanstanden, wenn sich das FG vom Vorliegen einer entsprechenden Einkünfteerzielungsabsicht in den Streitjahren nicht überzeugen konnte.