Leistungen aus einer Lebensversicherung an Stelle eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB

Wurde in einem Versicherungsvertretervertrag vereinbart, dass eine mit Beiträgen des Versicherungsunternehmens aufgebaute Alters- und Hinterbliebenenversorgung (Lebensversicherung) auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1, Abs. 5 HGB angerechnet werden soll, richtet sich die steuerrechtliche Behandlung einer Kapitalzahlung, die aufgrund des Lebensversicherungsvertrags nach Erreichen der Altersgrenze geleistet wird, nach den für die Einkünfte aus Kapitalvermögen geltenden Vorschriften. Der Umstand, dass die Kapitalzahlung an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB tritt, rechtfertigt es nicht, sie den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen.
BFH vom 08.12.2016 – III R 41/14
Sachverhalt:
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb seit Januar 1981 eine selbständige Versicherungsagentur, für die er den Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelte (§ 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Er war für die X- und Y-Versicherung tätig. Nach dem Inhalt der Vertreterverträge sollte der Kläger u.a. eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung erhalten. Diese sollte durch zwei Lebensversicherungsverträge sichergestellt werden, die im Todesfall oder bei Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren eine Kapitalzahlung vorsahen. In einem Zusatz vom 5. Januar 1981 zu den Vertreterverträgen erklärte der Kläger, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) aus Billigkeitsgründen insoweit nicht entstehen sollte, als er Leistungen aus der Alters- und Hinterbliebenenversorgung schon erhalten oder noch zu erwarten habe. Es sollte der aus den Beiträgen der beiden Versicherungsunternehmen aufgebaute Teil der Leistungen (Kapitalwert) aus der Alters- und Hinterbliebenenversorgung angerechnet werden. Weiterhin erklärte der Kläger, dass für den Fall, dass aufgrund einer Rechtsprechungs- oder Gesetzesänderung die Versorgung nicht bei der Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sein sollte, die Versorgungszusage insoweit entfallen sollte. In der Folgezeit erbrachten nicht nur die beiden Versicherungsgesellschaften Beitragszahlungen, sondern auch der Kläger selbst. Die von den Versicherungsunternehmen geleisteten Beiträge hatte der Kläger als Betriebseinnahmen erfasst und versteuert.

Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Zahlungen, die der Kläger von den beiden Versicherungsunternehmen erhielt, entsprechend der erteilten Abrechnung nur in Höhe von 4.063 EUR zu seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörten. Ebenfalls zu Recht hat es angenommen, dass die darüber hinausgehenden Zahlungen steuerfreie Lebensversicherungsleistungen waren. Dies gilt auch insoweit, als die Zahlungen die von den Versicherungsgesellschaften und vom Kläger erbrachten Beiträge überstiegen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG 2007). Allerdings hat es rechtsfehlerhaft die Gewerbesteuerrückstellung von 17.395 EUR nicht beanstandet.
Der Kläger erzielte als Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Zu diesen Einkünften gehören auch Ausgleichszahlungen nach § 89b Abs. 1 HGB, die ein Handels- oder Versicherungsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhält (§ 24 Nr. 1 Buchst. c EStG). Die Höhe dieser Ausgleichszahlung belief sich im Streitfall auf 4.063 EUR. Die darüber hinausgehenden Zahlungen, welche die beiden Versicherungsunternehmen aufgrund der Lebensversicherungsverträge leisteten, sind keine solchen zur Erfüllung eines Ausgleichsanspruchs des Klägers. Dementsprechend war kein weiterer Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in der Aufgabebilanz des Klägers zu aktivieren.
Nach § 89b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 HGB hat ein Versicherungsvertreter nach Beendigung eines Vertragsverhältnisses im Hinblick auf die von ihm vermittelten und erweiterten Versicherungsverträge einen Ausgleichsanspruch. Die Zahlung eines Ausgleichs muss unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 HGB i.d.F. des Streitjahres 2007); er kann gemäß § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht im Voraus ausgeschlossen werden.
Die Vorschrift des § 89b HGB verbietet nicht nur im Voraus getroffene Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch ganz ausgeschlossen wird, sondern auch solche, durch die er im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 30. Dezember 1970 VII ZR 141/68, BGHZ 55, 124). Die Frage, ob eine mit Mitteln des Unternehmers aufgebrachte Altersversorgung bei der Bemessung des Ausgleichs nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen ist, kann nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (BGH-Urteil vom 20. November 2002 VIII ZR 146/01, BGHZ 153, 6). Allerdings werden nachträglich getroffene Vereinbarungen über eine Anrechnung einer Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch vom Schutzzweck des § 89b Abs. 4 HGB nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil vom 8. Mai 2014 VII ZR 282/12, Der Betrieb 2014, 1425, m.w.N.).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann es im Streitfall dahinstehen, ob –wie das FG meint– der Vertragszusatz vom 5. Januar 1981 dazu führte, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB von vornherein nicht entstand, soweit er die Ansprüche des Klägers aus der Altersversorgung überstieg. Denn aus der tatsächlichen Abwicklung des Vertretervertrags ist zu ersehen, dass beide Vertragsparteien übereinstimmend der Ansicht waren, dass dem Kläger jedenfalls kein den Betrag von 4.063 EUR übersteigender Ausgleichsanspruch zustehen sollte. So hatten die beiden Versicherungsgesellschaften in ihrer Abrechnung zu Gunsten des Klägers keinen entsprechenden Anspruch angesetzt, der Kläger hatte auch keinen höheren Betrag geltend gemacht. Hierzu hatte er schließlich auch keinen Anlass, da er ansonsten aufgrund des Vertragszusatzes damit hätte rechnen müssen, dass in diesem Fall sein Anspruch auf Altersversorgung entfallen würde. Die Aktivierung eines den Betrag von 4.063 EUR übersteigenden Ausgleichsanspruchs schied daher aus.
Der Anspruch des Klägers auf die Altersversorgung ist steuerrechtlich als solcher zu behandeln und kann im Streitfall auch nicht allein deshalb, weil er im Wesentlichen an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB getreten ist, den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG zugerechnet werden.
Der Surrogationscharakter der Altersversorgung führt nicht dazu, dass die entsprechenden Ansprüche des Klägers dem Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Die von den beiden Versicherungsgesellschaften geleisteten Beiträge zur Altersversorgung waren eine Gegenleistung für die Tätigkeit des Klägers als Versicherungsvertreter und von ihm als Betriebseinnahmen erfasst. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen deshalb dem Betriebs- und nicht dem Privatvermögen des Klägers zuzuordnen waren. Denn für die Frage der Zuordnung ist vielmehr grundsätzlich auf die Natur des versicherten Risikos abzustellen. Der Abschluss einer Lebensversicherung ist in der Regel privat veranlasst, so dass Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag grundsätzlich zum Privatvermögen gehören. Der Anspruch aus einer Lebensversicherung kann ausnahmsweise zum Betriebsvermögen gehören, wenn ein Steuerpflichtiger aus betrieblichem Anlass einen Lebensversicherungsvertrag zu Gunsten eines Dritten abschließt.
Im Streitfall war der Abschluss der Lebensversicherungsverträge zwar aus der Sicht der Versicherungsunternehmen betrieblich veranlasst, nicht jedoch aus der Sicht des Klägers. Die Zahlung von Beiträgen durch die beiden Versicherungsunternehmen ändert nichts am “privaten” Charakter der Alters- und Hinterbliebenenversorgung.
Die die Beitragsleistungen übersteigenden Beträge, welche der Kläger aufgrund der Lebensversicherungsverträge ausgezahlt erhielt, können auch nicht als Einkünfte aus einer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit i.S. des § 24 Abs. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG angesehen werden.
Im Gegensatz hierzu waren im Streitfall die Beitragszahlungen der Versicherungsgesellschaften eine laufende Gegenleistung für die gewerbliche Tätigkeit des Klägers. Dagegen war der Zinsanteil, der in den Auszahlungsbeträgen enthalten war, welche der Kläger nach Ablauf der Vertragslaufzeit erhielt, Gegenleistung für die Kapitalüberlassung. Steuerrechtlich sind die Zinsen somit dem Grunde nach den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen.
Zutreffend hat das FG die von den beiden Versicherungsunternehmen aufgrund der Alters- und Hinterbliebenenversorgung geleisteten Zahlungen als nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei beurteilt.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 gehören außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies gilt nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Diese Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 ist im Streitfall anzuwenden, da die Versicherungsverträge, aus denen die Kapitalerträge stammen, vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen worden sind (§ 52 Abs. 36 Satz 5 EStG 2007).
Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 ist entscheidend, dass der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigten Vertragstypen gehört. Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 für Zinsen aus Versicherungen ist nicht an die weiteren Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft.
Nach den Feststellungen des FG erfüllten die Lebensversicherungsverträge die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004. Die Zahlungen, die der Kläger aufgrund der Verträge erhielt, waren somit auch insoweit steuerfrei, als sie die von den Versicherungsunternehmen und vom Kläger geleisteten Beträge überstiegen.
Nur in Höhe von 4.063 EUR bestand ein Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 89b HGB, der zu laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. c, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führte, die nach § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) auch gewerbesteuerrechtlich zu erfassen. Da die Gewerbesteuer im Streitjahr 2007 noch als Betriebsausgabe abziehbar war, ist dem Grunde nach eine Gewerbesteuerrückstellung anzusetzen. Die Rückstellung von 17.395 EUR, welche das FA aufgrund der Außenprüfung im Hinblick auf einen als laufenden gewerblichen Gewinn zu erfassenden Ausgleichsanspruch von 118.360 EUR gebildet hatte, ist allerdings überhöht. Das FG ließ sie zu Unrecht unbeanstandet.