Reiseleistungen in der Umsatzsteuer

Reiseleistungen durch Reisebüros an Schulen und Universitäten sind nicht nach § 4 Nr. 23 UStG (Gewährung von Beherbergung und Beköstigung) steuerfrei.

Der Unternehmer kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH-Urteils vom 26. September 2013 C-189/11, Kommission/ Spanien (UR 2013, 835) auf Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG berufen, der entgegen der inländischen Regelung des § 25 UStG über die Margenbesteuerung nicht darauf abstellt, ob die Reiseleistung an einen Endverbraucher und nicht an einen Unternehmer erbracht worden ist.

BFH Urteil vom 21.11.2013, V R 11/11

Begründung:

Wie sind Reiseleistungen, die ein Reisebüro an Schulen, Universitäten und gegenüber Vereinen erbringt, umsatzsteuerlich zu behandeln? Mit diesen Fragestellungen hatte sich der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 21. November 2013 V R 11/11 zu beschäftigen.

Das klagende Reiseunternehmen hatte u.a. Schul- und Studienreisen an Schulen und gegenüber Vereinen durchgeführt. Einen Teil seiner Leistungen unterwarf es dem Regelsteuersatz von 19 %, die Klassenfahrten behandelte es dagegen als nach § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Soweit es seine Leistungen im Ausland erbrachte, sah es sie als nicht steuerbar an.

Der BFH hat zunächst entschieden, dass Reiseleistungen an Schulen bei Klassenfahrten nicht steuerbefreit sind. Anders als das Gesetz in § 4 Nr. 23 UStG voraussetzt, nimmt der Reiseunternehmer bei der Durchführung der Klassenfahrt Jugendliche nicht zur Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung bei sich auf.

Weiter hat der BFH entschieden, dass auf Reiseleistungen an Schulen und Universitäten die besondere gesetzliche Regelung zur Margenbesteuerung nach § 25 UStG anzuwenden ist. Und dies gilt auch für Reiseleistungen, die an Vereine erbracht werden. Worum geht es? Bei der Margenbesteuerung werden alle Reiseleistungen im In- und Ausland zu einer einheitlichen Dienstleistung zusammengefasst. Dies wirkt sich häufig für den Reiseveranstalter günstiger aus, weil die Steuer nach der Marge bemessen wird, also nach dem Unterschied zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag und den tatsächlichen Kosten des Veranstalters. Allerdings wird ein Reiseunternehmen nach deutschem Recht nur dann nach der Marge besteuert, wenn es an den endverbrauchenden Reisenden selbst leistet. Das Finanzamt und das Finanzgericht hatten deshalb die Margenbesteuerung der Reiseleistungen an Vereine abgelehnt. Anders das Unionsrecht: Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. September 2013 C-189/11, Kommission/Spanien ist die Margenbesteuerung auch auf Umsätze "mit allen Arten von Kunden" anzuwenden. Darunter fallen auch Leistungen an Vereine.

Im weiteren Verfahren muss nun festgestellt werden, ob sich die Margenbesteuerung insgesamt für den klagenden Reiseveranstalter günstiger auswirkt und ob er sich auf das Unionsrecht beruft.

 

EuGH-Vorlage zum Anwendungsbereich der mehrwertsteuerrechtlichen “Sonderregelung für Reisebüros”

Dem EuGH wird folgende Frage zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:

Gilt die "Sonderregelung für Reisebüros" in Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG auch für den isolierten Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne zusätzlich erbrachte Leistungen?

BFH Beschluss vom 10. Dezember 2009 XI R 39/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 XI R 39/08 die Frage vorgelegt, ob die "Sonderregelung für Reisebüros" in Art. 26 der Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG auch für den Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne zusätzlich erbrachte Leistungen gilt.

Im zugrunde liegenden Fall betreibt die Klägerin ein Reisebüro. Sie erwarb von der Sächsischen Staatsoper Dresden (Semperoper) Eintrittskarten und veräußerte diese an Endabnehmer ohne zusätzlich erbrachte Reiseleistungen. Streitig ist, ob diese Kartenverkäufe der sog. Margenbesteuerung nach § 25 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen,

§ 25 UStG gilt für "Reiseleistungen", die ein Unternehmer gegenüber Endabnehmern erbringt, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage der Reiseleistung eines Reisebüros ist nicht – wie sonst im Umsatzsteuerrecht – der gesamte Betrag, den der Kunde für die empfangene Reiseleistung aufwendet (abzüglich der Umsatzsteuer), sondern nur der Unterschied zwischen diesem Betrag und dem Betrag, den das Reisebüro für die Reisevorleistung aufwendet (die sog. Marge).

Eine entsprechende Regelung enthält die "Sonderregelung für Reisebüros" in Art. 26 der Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG, auf der § 25 UStG beruht. Deshalb ist § 25 UStG im Einklang mit dieser Bestimmung (richtlinienkonform) auszulegen. Die Regelung der Mehrwertsteuer-Richtlinie gilt aber nicht (nur) für "Reiseleistungen", sondern dem Wortlaut nach weitergehend für "Umsätze der Reisebüros". Diese Voraussetzung liegt nach einem Urteil des EuGH auch dann vor, wenn Reisebüros nicht die Beförderung des Reisenden übernehmen, sondern sich darauf beschränken, dem Reisenden eine Ferienwohnung zur Verfügung stellen.

Der BFH hält es für zweifelhaft, ob diese zur Vermietung einer Ferienwohnung als einer typischen Reiseleistung ergangene Rechtsprechung gleichermaßen für den isolierten Verkauf von Opernkarten gilt. Die Klärung der Zweifel, wie der Anwendungsbereich des Art. 26 der Mehrwertsteuer- Richtlinie 77/388/EWG zu bestimmen ist, ist dem EuGH vorbehalten, dem der BFH deshalb die Sache zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.