1 %-Regelung bei Überlassung mehrerer Kfz – Ermessensfehlerhafte Inhaftungnahme des Arbeitgebers

Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als ein Kfz auch zur privaten Nutzung, so ist der in der Überlassung des Fahrzeugs zur privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der 1 %-Regelung zu berechnen.

Die Inhaftungnahme des Arbeitgebers nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG ist regelmäßig ermessensfehlerhaft, wenn der Arbeitgeber entsprechend einer Billigkeitsregelung der Finanzbehörden Lohnsteuer materiell unzutreffend einbehält.

BFH Urteil vom 13.6.2013, VI R 17/12

Begründung:

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn, auch soweit er durch einen Dritten gewährt wird, für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart. Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt damit unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers. Denn der Vorteil aus der Nutzungsüberlassung umfasst das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur-, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten.

Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen bzw. verbilligten Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung fließt dem Arbeitnehmer mit der Inbesitznahme des Dienstwagens und nicht (erst) mit der tatsächlichen privaten Nutzung des PKW zu.

Der als Lohnzufluss zu erfassende geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Kfz zu privaten Zwecken ist grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten. Der tatsächliche Umfang der Privatnutzung wird nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige diesen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist. Ist dies der Fall, ist der für die Überlassung eines dienstlichen Kfz zur privaten Nutzung anzusetzende geldwerte Vorteil entsprechend dem Anteil der Privatnutzung an den insgesamt für das Kfz angefallenen Aufwendungen zu berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Werden dem Arbeitnehmer zwei Fahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen und fehlt es an ordnungsgemäßen Fahrtenbüchern, so ist der in der Überlassung des Fahrzeugs zur privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der 1 %-Regelung zu berechnen.

Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich mehr als ein Fahrzeug unentgeltlich oder verbilligt privat nutzen darf, die 1 %-Regelung nur für ein Fahrzeug gelten soll. Es besteht auch kein Grund, die Vorschrift einschränkend auszulegen. Denn werden dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zwei Fahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen, wird ihm ein doppelter Nutzungsvorteil zugewandt. Er kann nach Belieben auf beide Fahrzeuge zugreifen und diese entweder selbst nutzen oder –soweit arbeitsvertraglich erlaubt– einem Dritten überlassen. Hierdurch erspart er sich den Betrag, den er für die Nutzungsmöglichkeit vergleichbarer Fahrzeuge am Markt aufwenden müsste. Der Arbeitnehmer hat es überdies selbst in der Hand, durch Führung eines Fahrtenbuchs eine Besteuerung anhand der tatsächlich für die Privatfahrten angefallenen Kosten zu erreichen oder, falls er auf die Nutzungsmöglichkeit zweier PKW keinen Wert legt, eine abweichende entsprechende arbeitsvertragliche Regelung zu treffen.

Die Feststellungen in der Vorentscheidung tragen die Folgerung des FG nicht, aufgrund der Überlassung der BMW-Geländelimousine X5 sei Lohnsteuer abzuführen gewesen. In der Vorentscheidung ist lediglich ausgeführt, anlässlich einer Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass die Klägerin A zwei Fahrzeuge auch zur privaten Nutzung überlassen habe. Festgestellt ist hingegen nicht, ob auch das zweite Fahrzeug arbeitsvertraglich überlassen wurde. Fehlt es hieran, kann eine vertragswidrige Nutzung vorliegen, die im Falle der Überlassung eines PKW an einen Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führen kann. Eine vertragswidrige Nutzung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn die Nutzung ohne eine fremdübliche Vereinbarung erfolgt oder darüber hinausgeht. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass hinsichtlich der Überlassung des zweiten Fahrzeugs eine vGA vorliegt, kann der hierauf entfallende Betrag im angefochtenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid nicht angesetzt werden.