Zur Ableitung des gemeinen Werts einer Minderheitsbeteiligung aus vorhergehenden zeitnahen Verkäufen der gesamten Beteiligungen aller Gesellschafter

Gibt es beim Kauf einer Mehrheitsbeteiligung von mehreren Gesellschaftern keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe einzelner erworbener Anteile zu einem höheren Kaufpreis oder die Höhe der insgesamt erworbenen Beteiligung zu einem höheren Gesamtkaufpreis geführt hat, ist es gerechtfertigt, den gemeinen Wert einer Minderheitsbeteiligung aus dem durchschnittlichen Kaufpreis für den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung abzuleiten, ohne einen Abschlag zu berücksichtigen.

BFH Beschluss vom 12.03.2015 – II B 85/14, BFH/NV 2015, 959

Begründung:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte das Finanzgericht festgestellt, dass der Anstoß zum Verkauf der GmbH-Anteile von einem Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 10 bis 12 % des Stammkapitals ausgegangen ist und eine Bank hierfür unverbindlich 500 DM je 100 DM Stammkapital angeboten hat. Die später getätigten Verkäufe der GmbH-Anteile und der jeweils vereinbarte Kaufpreis von 850 DM je 100 DM Stammkapital sind nur unter der Voraussetzung zustande gekommen, dass die Käuferin eine Schachtelbeteiligung oder eine Mehrheitsbeteiligung erwerben konnte. Hieraus wurde geschlossen, dass der marktkonform zustande gekommene Verkaufspreis durch die Höhe der umgesetzten Beteiligungen beeinflusst war und deshalb nicht ohne Ermäßigung zur Bewertung einer Minderheitsbeteiligung von 5 % herangezogen werden konnte.

Demgegenüber konnte das FG im Streitfall nicht feststellen, ob die Höhe der von den beiden Erwerbern S und T insgesamt gekauften GmbH-Anteile von jeweils 50 % oder die Höhe einzelner GmbH-Anteile Auswirkung auf den Gesamtkaufpreis oder einen Einzelkaufpreis hatte. Dies war vor allem dadurch bedingt, dass die Erwerber –wie die Klägerin selbst eingeräumt hat– keine Informationen darüber besitzen, nach welchen Regeln der Gesamtkaufpreis auf die einzelnen Gesellschafter verteilt worden ist und aus welchen Gründen die Kaufpreise für die Anteile der Gesellschafter M und B erheblich höher gewesen sind als die Kaufpreise für die Anteile der übrigen Gesellschafter. Die Klägerin konnte auch nicht zur Überzeugung des FG darlegen, dass die Kaufpreise für die von M und B erworbenen Anteile von jeweils 21,43 % durch einen Beteiligungscharakter beeinflusst worden sind, während dies bei der Festlegung der Kaufpreise für die in etwa gleich hohen Anteile der Gesellschafter C und D von jeweils 19,64 % nicht geschehen sein soll.

Gibt es beim Kauf einer Mehrheitsbeteiligung von mehreren Gesellschaftern keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe einzelner erworbener Anteile zu einem höheren Kaufpreis oder die Höhe der insgesamt erworbenen Beteiligung zu einem höheren Gesamtkaufpreis geführt hat, ist es gerechtfertigt, den gemeinen Wert einer Minderheitsbeteiligung aus dem durchschnittlichen Kaufpreis für den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung abzuleiten, ohne einen Abschlag zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere, wenn –wie im Streitfall– alle Anteile an einer GmbH zu einem Gesamtkaufpreis angeboten wurden und die von den veräußernden Gesellschaftern vorgenommene Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Anteile nicht erkennen lässt, worauf die unterschiedlichen Wertansätze für die von ihnen verkauften Anteile beruhen. Der aus allen Kaufpreisen ermittelte durchschnittliche Kaufpreis spiegelt in einem solchen Fall am besten den gemeinen Wert eines vom Käufer weitergegebenen Anteils wider.

Die Klägerin hat die Rechtsfrage aufgeworfen, wie die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zu erfolgen hat, wenn eine einheitlich auftretende Gruppe von Verkäufern an einem Tag alle Anteile (100 %) an einer Gesellschaft veräußert und ob und wie in diesem Fall ein Paketzuschlag systematisch auszuscheiden ist, wenn zwischen den Beteiligten ein Gesamtkaufpreis vereinbart worden ist. Diese Frage ist ausgehend von den Feststellungen des FG, die für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, nicht klärungsfähig. Denn das FG hat nicht festgestellt, dass einzelne Kaufpreise für die Anteile oder der Gesamtkaufpreis einen „Paketzuschlag” enthalten.

Minderheitsbeteiligung an Komplementär-GmbH kein notwendiges Sonderbetriebsvermögen

Die Minderheitsbeteiligung des Kommanditisten an der geschäftsführungsbefugten Komplementär-GmbH von weniger als 10 % ist nicht dem Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen, wenn –ausgehend vom gesetzlich normierten Regelfall– in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Abstimmung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgt. Dies gilt auch, wenn die Komplementär-GmbH außergewöhnlich hoch am Gewinn der KG beteiligt ist.

BFH Urteil vom 16.4.2015, IV R 1/12

Begründung (BFH)

Mit Urteil vom 16. April 2015 hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass eine Minderheitsbeteiligung des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH von weniger als 10 % nicht zu seinem notwendigen Sonderbetriebsvermögen bei der Kommanditgesellschaft (KG) gehört.

In dem Urteilsfall hatte ein Kommanditist seine Beteiligung an einer GmbH & Co. KG veräußert, und zwar sowohl seinen Kommanditanteil als auch den Anteil an der Komplementär-GmbH. An beiden Gesellschaften war er mit jeweils 5 % beteiligt. Das Finanzamt war der Meinung, der Gewinn aus der Veräußerung des GmbH-Anteils sei in den Veräußerungsgewinn des KG-Anteils einzubeziehen, obwohl der Gesellschafter seinen GmbH-Anteil als Privatvermögen behandelt hatte.

Der BFH gab der Klage statt und nahm den Fall zum Anlass, seine bisherige Rechtsprechung zu präzisieren und den Umfang des sogenannten Sonderbetriebsvermögens II einzuengen. Dabei handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft dienen und die deshalb dem Betriebsvermögen zugeordnet werden.

Nach den jetzt aufgestellten Grundsätzen ist die Beteiligung des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH nur dann dem Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen, wenn er als grundsätzlich nicht an der Geschäftsführung beteiligter Gesellschafter auf Grund der Beteiligung an der geschäftsführenden Komplementär-GmbH mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung der Personengesellschaft erhält. Daran fehlt es nach Meinung des BFH jedenfalls dann, wenn der Kommanditist weniger als 10 % der Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH hält. Eine derartige Minderheitsbeteiligung lag im Urteilsfall vor, sie war daher dem Privatvermögen des Kommanditisten zuzuordnen. Dabei spielte es nach Auffassung des BFH auch keine Rolle, dass die GmbH in erheblichem Umfang an dem Gewinn der Mitunternehmerschaft beteiligt war.

Offengelassen hat der BFH, ob eine Zuordnung der Gesellschaftsanteile zum Sonderbetriebsvermögen II geboten ist, wenn die Beteiligung 10-25 % beträgt, weil einem so beteiligten Gesellschafter gewisse Minderheitenrechte zustehen, oder ob von einer Einflussnahme (wenn überhaupt) erst bei einer Beteiligung von mehr als 25 % (sog. Sperrminorität) die Rede sein kann.