Mittelvorsorgepflicht des Geschäftsführers im Falle der Aufgabe seines Amtes

Als Haftungsschuldner i.S. von § 69 AO kommt auch ein zwischenzeitlich ausgeschiedener Geschäftsführer in Betracht, wenn er die ihm während seiner Tätigkeit obliegende Erfüllung steuerlicher Pflichten der Gesellschaft schuldhaft nicht erfüllt hat.

Pflichtwidrig handelt der gesetzliche Vertreter, der ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft. Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtmäßiges Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn dessen Entstehung absehbar war.

Im Fall der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile eines wirtschaftlich nahezu vollständig abgewickelten Unternehmens bei gleichzeitiger Aufgabe der Geschäftsführung verletzt ein Geschäftsführer seine Mittelvorsorgepflicht in grob fahrlässiger Weise, wenn er einen vorhandenen, für die Zahlung der bereits entstandenen Gewerbesteuer vorgesehenen Betrag ungesichert dem Zugriff des Erwerbers überlässt.

BFH Beschluss vom 25.04.2013-VII B 245/12 BFHNV 2013 S. 1064 f

Begründung:

Im Streitfall begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das FG von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Antragstellers und damit von seiner berechtigten Haftungsinanspruchnahme als vormaligem Geschäftsführer nach §§ 69, 34 AO ausgegangen ist. Grundsätzlich kommt als Haftungsschuldner i.S. von § 69 AO auch ein zwischenzeitlich ausgeschiedener Geschäftsführer in Betracht, wenn er die ihm während seiner Tätigkeit obliegende Erfüllung steuerlicher Pflichten der Gesellschaft schuldhaft nicht erfüllt hat.

Das kann der Fall sein, wenn der gesetzliche Vertreter ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft. Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtmäßiges Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar war.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Antragsteller es nicht mit der Bereitstellung des zur Begleichung der von ihm selbst erklärten Steuern erforderlichen Betrags auf dem Geschäftskonto der GmbH hätte bewenden lassen dürfen, sondern zusätzliche Sicherungsvorkehrungen hätte ergreifen müssen um zu gewährleisten, dass der Fiskus diesen Betrag im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuern auch tatsächlich vollständig vereinnahmen werde.

Angesichts des vom FG festgestellten Sachverhalts sieht der Senat sich nicht veranlasst zu prüfen, welchen rechtlichen Gehalt der Begriff der Firmenbestattung umschreibt, unter welchen Voraussetzungen also eine solche Rechtsfigur anzunehmen ist und welche abgabenrechtlichen Rechtsfolgen sie gegebenenfalls zeitigt. Denn auch unabhängig davon, ob die Vertragsparteien eine Firmenbestattung beabsichtigt haben, ist nach den –vom Antragsteller nicht in Frage gestellten– Feststellungen des FG nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsteller seine Mittelvorsorgepflicht –zumindest– in grob fahrlässiger Weise verletzt hat, indem er den für die Zahlung der bereits entstandenen Gewerbesteuer erforderlichen Betrag ungesichert dem Zugriff des B ausgesetzt hat. Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Antragsteller und sein Bruder ihre Gesellschaftsanteile im ersten Jahr nach der erfolgreichen Abwicklung des Unternehmens –Herstellung und Verkauf von Eigentumswohnungen auf ihrem eigenen Grund und Boden– übertragen haben. Die Besonderheit des Sachverhalts liegt einerseits in der Kumulierung des Gewerbeertrags –und damit der einmaligen Entstehung einer hohen Gewerbesteuerschuld– im Vorjahr der Anteilsveräußerung und gleichzeitig der nahezu vollständigen wirtschaftlichen Entwertung der Gesellschaftsanteile. Bei dieser Sachlage mussten die Veräußerer vor Augen haben, dass die Schuldnerin der Gewerbesteuer, die KG, mit Fälligkeit der Steuer insolvent wäre, wenn der dafür von ihnen bereitgestellte Betrag –aus welchen Gründen auch immer (etwa wegen Regressansprüchen aus den abgewickelten Verkäufen)– nicht mehr vorhanden wäre. Ein solches Risiko einzugehen war grob fahrlässig, unabhängig davon, ob sie aufgrund vorangegangener geschäftlicher Beziehungen auf die Seriosität des Erwerbers vertrauen konnten oder von der Absicht der kurzfristigen Weiterveräußerung an den mittellosen A Kenntnis hatten. Demgegenüber hätte es –nicht zuletzt zur Vermeidung der eigenen Haftung– nahegelegen, den angemeldeten Steuerbetrag zurückzubehalten und nach Festsetzung an das FA auszukehren.