Fehlerhafte Gesamtwürdigung bei Darlehens-Verträgen zwischen nahe stehenden Personen

Halten nahe Angehörige zivilrechtliche Formerfordernisse nicht ein, spricht dies im Rahmen der steuerrechtlichen Beurteilung des Vertrages indiziell gegen den vertraglichen Bindungswillen .

Die Gesamtwürdigung mehrerer Beweisanzeichen ist insgesamt fehlerhaft, wenn das FG aus einem Indiz, das es in seine Gesamtbetrachtung einbezieht, den falschen Schluss zieht.

BFH Urteil vom 12. Mai 2009 IX R 46/08

Begründung:

Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen sind steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Fehlt es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz und können zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden, so ist es im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen.

Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes –EStG–) zugehörig sind. Lassen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führt dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung –anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals– nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen wird verstärkt, wenn es den Vertragspartnern angelastet werden kann, zivilrechtliche Formvorschriften insbesondere bei klarer Rechtslage nicht beachtet zu haben.

Indes ergibt sich der Rechtsfehler und Aufhebungsgrund aus dem zusätzlich in die Würdigung einbezogenen Indiz der fehlenden Sicherung der Darlehensverträge. Denn dieses Beweisanzeichen ist im Streitfall nicht ergiebig, erlaubt also nicht den Schluss auf einen fehlenden Bindungswillen der Vertragsparteien. Zwar geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, der Rückzahlungsanspruch aus einem langfristigen Darlehen zwischen nahen Angehörigen müsse ausreichend besichert sein. Dieses aus dem Fremdvergleich abgeleitete generelle Erfordernis wird durch einen konkreten Fremdvergleich im jeweiligen Einzelfall überlagert. In diesem Zusammenhang hätte das FG nach der Aktenlage, wie sie in den Entscheidungen im ersten Rechtszug in Bezug genommen wurden, berücksichtigen müssen, dass drei verschiedene Kreditinstitute der Klägerin ungesicherte Darlehen von 200 000 DM, 250 000 DM und nochmals 250 000 DM bestätigt haben.

Vor diesem konkreten Hintergrund verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die Indizienwürdigung an Gewicht, so dass die fehlende Besicherung nicht ohne weiteres auf eine steuerrechtlich unerhebliche Veranlassung des hingegebenen Geldes hindeutet.