Betriebsausgabenabzug trotz nicht erbrachter Eingangsleistung

Der Betriebsausgabenabzug für einen tatsächlich abgeflossenen Betrag kann nicht deshalb versagt werden, weil der Zahlungsempfänger seiner vertraglichen Leistungspflicht zwar nicht nachgekommen ist, der Steuerpflichtige dies aber –wenn auch leichtfertig– nicht erkannt hat.

Ein Verschulden des Steuerpflichtigen steht der betrieblichen Veranlassung von Aufwendungen nicht entgegen.

BFH Urteil vom 17.11.2015 – X R 3/14

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum einen als Finanzberater, zum anderen als Unternehmensberater. Gegenstand der Unternehmensberatung war vor allem die Unterstützung von Kleinunternehmen bei der Inanspruchnahme staatlicher Förderungen. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung.

Nach dem Vorbringen des Klägers traten in den Streitjahren 2003 und 2004 Kunden an ihn heran, die förderfähige EDV-Schulungen in Anspruch nehmen wollten. Die Kunden nannten ihm bereits die Dienstleister, die die Schulungen ausführen sollten. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte die Antragstellung bei einer öffentlich-rechtlichen Förderbank (F), über die das Bundesland die Zuschüsse gewährte, sowie die zur Erlangung der Subventionen erforderliche Dokumentation der Schulungen.

Die Schulungsdienstleister wurden allerdings nicht unmittelbar von den Kunden des Klägers beauftragt. Vielmehr erteilten die Kunden die Schulungsaufträge an den Kläger; dieser beauftragte im eigenen Namen entsprechende Dienstleister. Nach den Feststellungen in einem rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 30. September 2011 waren die Kunden des Klägers von dem Bestreben geleitet, gemeinsam mit unbekannt gebliebenen „Hintermännern” durch wahrheitswidrige Angaben Fördergelder für Schulungsmaßnahmen zu erlangen. Die Kunden reichten die vom Kläger vorbereiteten Stundennachweise und dessen Rechnungen bei F ein, obwohl die abgerechneten Leistungen tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang erbracht worden und die Fördervoraussetzungen daher nicht erfüllt waren. Der Kläger zeichnete die Stundennachweise ab, erstellte Schulungsberichte und erteilte den angeblichen Schulungsteilnehmern Teilnahmezertifikate, obwohl er die Schulungen weder selbst vorgenommen noch sich vergewissert hatte, dass die Schulungen in dem beantragten Umfang stattgefunden hatten. Die Kunden des Klägers bezahlten dessen Rechnungen und erhielten von F einen Zuschuss in Höhe von 90 % des Nettorechnungsbetrags. Der Kläger bezahlte seinerseits die von seinen Subunternehmern eingereichten Rechnungen für die angeblichen Schulungs-Dienstleistungen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Kläger wegen leichtfertigen Subventionsbetrugs (§ 264 Abs. 1, 4 des Strafgesetzbuchs) zu einer Geldstrafe verurteilt.

Begründung:

Gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) –hier i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes– sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt. Weiter führt der Große Senat in dieser Entscheidung (unter C.II.2.b bb) aus, nach dem Regelungsziel des EStG seien Aufwendungen dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich für das Bestehen eines solchen Zusammenhangs sei zum einen die wertende Betrachtung des die Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergebe diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, seien sie als Betriebsausgaben anzuerkennen und –vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung– abziehbar.

In der Literatur wird dazu unter Verweis auf den Wortlaut des § 4 Abs. 4 EStG „veranlasst”, nicht aber „verursacht”) zutreffend ausgeführt, der Begriff der Veranlassung sei weiter als derjenige der Verursachung. Käme es auf die Verursachung an, wäre eine naturgesetzliche Notwendigkeit der betrieblichen Tätigkeit für die Aufwendungen erforderlich. Demgegenüber stelle die Veranlassung auf ein menschliches Verhalten ab; dieser Begriff beinhalte zunächst ein subjektives Element. Damit müsse der Betrieb aus der Sicht des Steuerpflichtigen auslösendes Moment für die Aufwendungen sein. Der objektive Zusammenhang mit dem Betrieb trete als Korrektiv hinzu; danach müsse der Betrieb auch aus objektiver Sicht zumindest unter anderem ausschlaggebend für die Aufwendungen sein.

Ein Verschulden des Steuerpflichtigen –auch in Gestalt eines strafbaren, ordnungswidrigen oder „unmoralischen” Verhaltens– steht der betrieblichen Veranlassung von Aufwendungen wegen der Wertneutralität der Besteuerung und des Leistungsfähigkeitsprinzips grundsätzlich nicht entgegen. Dies folgt ausdrücklich bereits aus § 40 der Abgabenordnung (AO). Anders liegt es nur dann, wenn das schuldhafte Fehlverhalten die betriebliche Veranlassung –im Sinne eines „privaten Motivs”– überlagert.

Danach setzt der Betriebsausgabenabzug nicht ausnahmslos voraus, dass den entsprechenden Aufwendungen ein nachgewiesener Leistungserfolg gegenüber steht. Vielmehr kann die steuerliche Abzugsfähigkeit auch darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige Zahlungen in der Annahme leistet, sie würden den beabsichtigten bzw. vertraglich ausbedungenen Erfolg herbeiführen. Als Korrektiv ist zusätzlich nur zu prüfen, ob die Aufwendungen auch bei einer abstrakt-objektiven Betrachtungsweise zur Förderung des Betriebs geeignet sind.

Hinzu kommen im vorliegenden Fall die aus dem objektiven Nettoprinzip abzuleitenden Wertungen: Die erheblichen Einnahmen, die der Kläger aus der Weiterberechnung der –tatsächlich teilweise nicht erbrachten– Schulungsleistungen seiner Subunternehmer erzielt hat, sind vom FA der Besteuerung unterworfen worden. Würde man nun den Betriebsausgabenabzug für die korrespondierenden Aufwendungen versagen, träte eine Bruttobesteuerung ein, die unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen wäre.

Das dortige FA hatte den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung versagt, die in den Rechnungen bezeichneten Eingangsleistungen seien tatsächlich nicht erbracht worden; auch sei ein Zahlungsfluss nicht nachweisbar. Die Rechnungssteller seien „durchweg seit zwanzig Jahren ausnahmslos Steuerhinterzieher” und schon deshalb nicht glaubwürdig. Die dortige Steuerpflichtige behauptete, die Leistungen seien erbracht worden, allerdings möglicherweise nicht von demjenigen, der die Rechnung ausgestellt habe „Schwarzarbeiter”). Dem war das dortige FG gefolgt. Demgegenüber hielt es der VIII. Senat des BFH im Rahmen seiner summarischen Prüfung für möglich, dass die Eingangsrechnungen vollständig fingiert worden seien und nur dazu dienten, der Steuerpflichtigen einen unberechtigten Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug gegen Zahlung einer anteiligen Provision zu verschaffen.

Eine Zahlung an einen Scheinunternehmer bzw. auf eine Scheinrechnung ist dann vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, wenn der Zahlende weiß, dass die Rechnung nur zum Schein gestellt ist, weil es dann an der subjektiven Voraussetzung des Betriebsausgabenabzugs fehlt . Vorliegend ist nach den Feststellungen des FG indes von einer –wenn auch leichtfertigen und damit vorwerfbaren– Unkenntnis des Klägers auszugehen.

In einem solchen Fall des unvorsätzlichen Handelns folgen aus dem Gesichtspunkt des „Scheinunternehmers” keine Einschränkungen des Betriebsausgabenabzugs, die über die bereits berücksichtigten Gesichtspunkte hinausgehen.