Kein Teilbetrieb bei vom Rest des Unternehmens nicht hinreichend selbständigem Geschäftsbereich

Wird der Geschäftsbereich „Gastronomie” eines Getränkehandels zwar teilweise mit eigenem Personal betrieben und teilweise organisatorisch getrennt geführt, fehlt es aber an einer räumlichen Trennung und an einer eigenständigen Buchführung, ist dieser Geschäftsbereich mangels hinreichender Selbständigkeit kein Teilbetrieb i.S. des Ertragssteuerrechts.

BFH Urteil vom 22.10.2015 – IV R 17/12 BFH/NV 2016, 209

Sachverhalt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Jahr 2006 (Streitjahr) einen Groß- und Einzelhandel mit Getränken. Dabei wurden neben Getränkeabholmärkten, die sowohl in eigener Regie als auch im Wege des Franchise geführt wurden, auch Gastronomiebetriebe bzw. Veranstaltungen im Bereich der Gastronomie beliefert. Die Verwaltung und das Lager des Unternehmens befanden sich auf dem von der nahezu personenidentischen Besitzgesellschaft A-GmbH & Co. KG angepachteten Grundstück X-Straße 1 in Y; dort befand sich zunächst auch die Leergutlagerung und -sortierung.

Die Unternehmensbereiche wurden in der Öffentlichkeit auch unterschiedlich beworben. Räumlich war der Bereich der Gastronomie vom Rest des Unternehmens aber nicht getrennt. Es war auch keine jeweils eigenständige Buchführung für die Unternehmensbereiche eingerichtet, sondern deren warenwirtschaftliche Trennung wurde lediglich teilweise in der Kostenstellenrechnung nachvollzogen. Eine Aufteilung der jeweiligen Erlöse und Kosten war insoweit zwar herleitbar, wurde aber nicht durchgängig vorgenommen. Eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation und Verwaltung waren nicht klar erkennbar.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin durch die Veräußerung ihres Geschäftsbereichs „Gastronomie” erzielte Gewinn Bestandteil des Gewerbeertrags ist, denn die Klägerin hat keinen Teilbetrieb i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veräußert. Dies folgt daraus, dass der veräußerte Geschäftsbereich „Gastronomie” nicht mit der für die Annahme eines Teilbetriebs erforderlichen Selbständigkeit ausgestattet war.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, der im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Gewerbeertrag ist gemäß § 7 Satz 1 GewStG der u.a. nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigten ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) um solche Bestandteile zu bereinigen, die nicht mit dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer übereinstimmen. Zu diesen –herauszurechnenden– Bestandteilen gehören Gewinne, die nicht dem laufenden Betrieb, sondern dessen Aufgabe oder Veräußerung zuzuordnen sind.

Die weitgehende Verselbständigung eines Teilbetriebs im Rahmen des gesamten Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung maßgebliche Rechtfertigung dafür, dass auch Gewinne aus der Aufgabe oder Veräußerung eines Teilbetriebs nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen und damit den Gewinnen aus der Aufgabe oder Veräußerung des Gesamtbetriebs gleichzustellen sind. Dabei kommt es –anders als im Anwendungsbereich des § 34 EStG– nicht notwendigerweise darauf an, dass alle stillen Reserven aufgedeckt werden, denn die Nichtbelastung mit Gewerbesteuer dient nicht dazu, die Folgen der zusammengeballten Realisierung stiller Reserven zu mildern. Sie hat ihren Grund vielmehr in dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, die grundsätzlich nur den durch den laufenden Betrieb anfallenden Gewinn erfassen soll.

Der Begriff des Teilbetriebs ist in diesem Zusammenhang ebenso zu verstehen wie in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, also als organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein funktions- bzw. lebensfähig ist. Anders als die Klägerin meint, hat danach der § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugrundeliegende Betriebsbegriff für die Beurteilung des Streitfalls keine Bedeutung.

Ob die veräußerten Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung einer sich von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Veräußerers deutlich abhebenden Betätigung dienen und als Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden und zwar nach den Verhältnissen beim Veräußerer und nicht beim Empfänger. Bei dieser Gesamtwürdigung sind die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Abgrenzungsmerkmale –z.B. räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, eigener Wirkungskreis, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation– zu beachten. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, der Teilbetrieb erfordert allerdings eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Ob zivilrechtlich unter dem Aspekt des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes ein zur Veräußerung vorgesehener Teil des Gesamtbetriebs definiert werden kann, ist für den steuerrechtlichen Begriff des Teilbetriebs entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von Bedeutung.

Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen hat das FG aufgrund seiner Feststellungen, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen worden sind und den Senat deshalb binden (§ 118 Abs. 2 FGO), im Rahmen seiner Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls zutreffend die Erkenntnis gewonnen, dass es sich bei dem veräußerten Geschäftsbereich „Gastronomie” nicht um einen mit der erforderlichen Selbständigkeit ausgestatteten Teilbetrieb gehandelt hat.

Die vorgenannten Umstände wiegen aber, wie das FG zutreffend annimmt, bereits deshalb nicht schwer, weil die angesprochene Trennung nicht durchgängig erfolgte: Eine personelle Trennung war nach den Feststellungen des FG etwa für die Leergutsortierung sowie die Kommissionierung und Beladung der LKW nicht gegeben. Auch wurden die Unternehmensbereiche bis auf die genannten punktuellen Bereiche organisatorisch einheitlich geführt.

Hinzu kommt im Rahmen der Gesamtabwägung, dass der Unternehmensbereich „Gastronomie” nicht räumlich vom Rest des Unternehmens getrennt und eine eigenständige Verwaltung der Unternehmensbereiche nicht klar erkennbar war. Insbesondere verfügten beide Geschäftsbereiche nicht über eine jeweils eigenständige Buchführung, sondern lediglich bezogen auf den Bereich der Warenwirtschaft erfolgte eine Trennung in der Kostenstellenrechnung. Schon der Umstand, dass die von den Unternehmensbereichen erzielten Erlöse und aufgewendeten Kosten nicht getrennt und permanent erfasst wurden, sondern nach den Feststellungen des FG nur „herleitbar” waren, zeigt, dass es an der erforderlichen Selbständigkeit des Geschäftsbereichs „Gastronomie” fehlte. Deshalb ist die Würdigung des FG, dass bis zum Verkauf des Bereichs „Gastronomie” ein aus beiden Geschäftsbereichen bestehendes Gesamtunternehmen bestanden habe, möglich und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Danach ist das FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin im Rahmen der Veräußerung des Geschäftsbereichs „Gastronomie” unstreitig erzielte Gewinn in Höhe von 1.801.940 EUR als laufender Gewinn der Gewerbesteuer zu unterwerfen ist. Auf die Frage, ob das Grundstück X-Straße 10 eine wesentliche Betriebsgrundlage des (vermeintlichen) Teilbetriebs „Gastronomie” darstellte, kommt es sonach nicht mehr an.