Gewinnrealisierung bei Ansprüchen

Sind die für die Entstehung einer Forderung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr gesetzt worden und kann der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen, steht der Gewinnrealisierung nicht entgegen, dass die Ansprüche erst nach dem Bilanzstichtag abgerechnet werden können und fällig werden.

Hängt der Anspruch eines bilanzierenden Steuerpflichtigen auf eine Prämie davon ab, dass bis zum Ablauf des Bilanzstichtages ein bestimmtes Ereignis nicht eintritt, und tritt das Ereignis bis zum Bilanzstichtag tatsächlich nicht ein, ist der Anspruch auch dann bereits in der Bilanz für das abgelaufene Wirtschaftsjahr zu aktivieren, wenn die Vertragsparteien den Nichteintritt des Ereignisses erst nach Ablauf des Bilanzstichtages feststellen können.

BFH Beschluss vom 14.94.2011 X B 104/10 BFHNV 2011 S. 1344 f.

Begründung:

Im Streitfall geht es um den Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen des Klägers, der als Versicherungsmakler gewerblich tätig ist und seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, gegen eine Versicherungsgesellschaft (V) auf Zahlung von Rückprämien bei günstigem Schadensverlauf in dem durch den Kläger vermittelten Bestand. Nach den zwischen dem Kläger und V geltenden vertraglichen Vereinbarungen hatte der Kläger für das von ihm in der Kraftfahrzeug-Versicherung vermittelte Geschäft bei einer Gesamtschadensquote von maximal 50 % Anspruch auf Erstattung eines Technischen Überschusses in Höhe von 10,5 % der Jahresnettoprämie. In den Jahren 1999 bis 2009 war diese Voraussetzung jeweils erfüllt; die jährlichen Gesamtschadensquoten lagen in diesem Zeitraum zwischen 25 % und 47 %. V zahlte die Rückprämie jeweils spätestens im April des Folgejahres aus. Für das Streitjahr 2001 ergab sich eine Gesamtschadensquote von 43 %. Während der Kläger meint, die hieraus folgende Rückprämie erhöhe erst den Gewinn des Jahres 2002, hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) bereits zum 31. Dezember 2001 eine entsprechende Forderung gewinnerhöhend aktiviert.

Gewinne sind in der Handels- und Steuerbilanz nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs). Danach sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen u.a. auszuweisen, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann. Demgegenüber ist es ohne Bedeutung für die Gewinnrealisierung, ob am Bilanzstichtag bereits die Rechnung erteilt worden ist, die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob der Fälligkeitszeitpunkt erst nach dem Bilanzstichtag liegt.

Vorliegend war die wesentliche wirtschaftliche Ursache für das Entstehen des Anspruchs des Klägers auf Rückprämie darin zu sehen, dass die Gesamtschadensquote des durch ihn an V vermittelten Bestands einen Wert von 50 % nicht überschritt. Ob diese Bedingung eingetreten ist, steht objektiv zum Ablauf des Bilanzstichtages fest. Dass V die entsprechende Abrechnung erst an den Folgetagen erstellen und dem Kläger zuleiten wird, steht der Aktivierung nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht entgegen.

Entsprechend hat der BFH bereits entschieden, dass Ansprüche der Inhaber von Urheberrechten gegen die GEMA bereits in demjenigen Wirtschaftsjahr zu aktivieren sind, in dem der Urheberrechtsschutz wirksam wird, also die Aufführung eines urheberrechtlich geschützten Werkes stattfindet. Der Aktivierung steht nicht entgegen, dass die GEMA erst nach dem Bilanzstichtag über die genaue Höhe der Vergütungen abrechnen kann, weil diese auch noch durch Aufführungen beeinflusst werden können, die in der Silvesternacht stattfinden.