Notwendiges Betriebsvermögen

Macht ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger von einer Zusatzvereinbarung im Pachtvertrag Gebrauch, wonach er berechtigt ist, Automaten in der vom Unterpächter betriebenen Gaststätte aufzustellen, kann das im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende verpachtete Grundstück zum notwendigen Betriebsvermögen seines Automatenaufstellbetriebs gehören.

BFH Beschluss vom 02.08.2013 – X B 93/12 BFH/NV 2013, 1782

Begründung:

Der Senat hat in diesem Urteil den Rechtsgrundsatz aufgestellt, dass die Vermietung eines Grundstücks durch einen gewerblich tätigen Steuerpflichtigen dazu führen kann, dass das Grundstück zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, auch wenn der Steuerpflichtige es buchmäßig getrennt von seinem Gewerbebetrieb führt. Dies erfordert einen engen funktionalen Zusammenhang des vermieteten Grundstücks mit dem Gewerbebetrieb. Dieser ist dann zu bejahen, wenn sich die Vermietung selbst als branchenübliches Geschäft des Gewerbebetriebs darstellt und über den Gewerbebetrieb abgewickelt wird, insbesondere wenn sie dem Absatz von Waren oder von Produkten, also dem mit dem Gewerbebetrieb verfolgten Geschäftszweck dient.

Im vom BFH entschiedenen Streitfall hat der erkennende Senat auf Grund der Besonderheiten der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung angenommen, die Grundstückspachtverträge seien im Wesentlichen nur zu dem Zweck abgeschlossen worden, den Betrieb der Automatenaufstellung zu fördern. Diesen Schluss hat der Senat aus der geringen Höhe der vereinbarten Pachtzahlungen, den automatenbezogenen vertraglichen Sonderregelungen und der Verpflichtung der Pächter, bestimmte Öffnungszeiten zu gewährleisten, ungeachtet dessen gezogen, dass die Pächter nicht an den Einspielergebnissen der Automaten beteiligt waren. Diese auf den zu entscheidenden Sachverhalt bezogenen Ausführungen lassen aber nicht den Schluss zu, dass die erforderliche funktionale Verflechtung des verpachteten Grundstücks mit dem eigenen Gewerbebetrieb des Verpächters nur bei Vorliegen der geschilderten Konstellation zu bejahen ist.

Umgekehrt hat das FG in dem angefochtenen Urteil seine Annahme, wonach das Grundstück in A ab dem Zeitpunkt der Aufstellung der Automaten durch den Kläger zum notwendigen Betriebsvermögen seines Automatenbetriebs gehört hat, ausdrücklich auf das Senatsurteil in BFH/NV 2001, 431 gestützt. Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat das FG die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Betriebsvermögen nicht allein aus der Automatenaufstellung durch den Kläger geschlossen, obwohl der Pachtvertrag im Grundsatz fremdüblichen Bedingungen entsprach. Vielmehr hat das FG die funktionale Verknüpfung des verpachteten Grundstücks in A mit dem klägerischen Gewerbebetrieb daraus abgeleitet, dass der Kläger als Rechtsnachfolger des C dessen Rechte aus dem Zusatzvertrag zum Pachtvertrag vom 29. August 1990 geltend machen konnte. Hierdurch hat der Kläger im Ergebnis erreicht, dass B als Pächter nur einen Pachtvertrag mit einem Unterpächter abgeschlossen hat, der bereit war, die Automatenaufstellung durch den Kläger gegen hälftige Beteiligung an den Automatenumsätzen zu akzeptieren. Hieraus hat das FG den Schluss gezogen, der Pachtvertrag sei (ab diesem Zeitpunkt) vor allem durch das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Ertrag der aufgestellten Automaten geprägt gewesen. Diese Ausführungen lassen keine Abweichung von den tragenden Rechtsgrundsätzen des Senatsurteils in BFH/NV 2001, 431 und damit keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erkennen.

Entgegen der Ansicht der Kläger hat das FG nicht verkannt, dass die Grundstücksüberlassung durch einen gewerblich tätigen Steuerpflichtigen grundsätzlich der Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3 AO) zuzuordnen und daher nicht gewerblich ist. Denn das FG hat in seiner Entscheidung ausdrücklich auf den von der BFH-Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall des funktionalen Zusammenhangs des zur Nutzung überlassenen Grundstücks mit dem klägerischen Gewerbebetrieb abgestellt. Diese Annahme ist jedenfalls deshalb nicht unvertretbar, weil der Kläger eine vertraglich getroffene Zusatzvereinbarung dazu eingesetzt hat, um die Aufstellung seiner Automaten zu erreichen und damit seinen gewerblichen Geschäftszweck zu verfolgen. Dass die hierbei erzielten Einnahmen im Vergleich zu der erlangten Pacht eher von untergeordneter Bedeutung waren, haben die Kläger nicht behauptet.

 

Arztpraxis als notwendiges Betriebsvermögen einer Apotheke

Die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen verlangt objektiv die Eignung, den Betrieb zu fördern, und subjektiv eine eindeutig erkennbare Widmungsentscheidung.

Das FG hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu überprüfen, ob im Streitfall ein bestimmungsgemäßer Funktionszusammenhang zwischen den Arztpraxen und der im Erdgeschoss gelegenen Apotheke des Klägers besteht.

BFH Beschluss vom 05.09.2012 – XB 129/11 BFHNV 2013 S. 37

Begründung:

Das FG habe die These vertreten, der Gesellschaftsanteil werde zwingend und ausnahmslos Teil des notwendigen Betriebsvermögens des Gesellschafters, sobald Privatvermögen, welches zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzt werde und im Eigentum einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft stehe, auch nur mittelbar einem der Gesellschafter in seiner steuerlichen gewerblichen Sphäre Nutzen bringen könne.

Eine solche These ist dem finanzgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen. Das FG hat vielmehr unter Zugrundelegung der Grundsätze der ständigen BFH-Rechtsprechung  dargelegt, warum der Miteigentumsanteil des Klägers an den Arztpraxen in dem Gebäudekomplex X aufgrund der Umstände des Einzelfalls dem Betrieb der Apotheke des Klägers diente. Im Rahmen seiner Gesamtwürdigung hat das FG

– die räumliche Nähe der Arztpraxen und der Apotheke im selben Gebäude

– die vor allem auf der Expertise des Klägers beruhende Gesamtplanung des Objektes zur Optimierung der Standortqualität der Apotheke

– das Bemühen und finanzielle Engagement des Klägers in Bezug auf den Einbau eines Personenaufzugs

– die Verpflichtung des Klägers, den früheren Eigentümern des Grundstücks X die Differenz zwischen der ortsüblichen Miete und der tatsächlich für die Räume der Arztpraxen vereinbarten Miete zu erstatten

– der Abschluss von langfristigen Mietverträgen –

– die Erfassung der Mietausgleichszahlungen aus dem Betrieb der Apotheke in A bei den gewerblichen Einkünften des Klägers

berücksichtigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im Streitfall ein bestimmungsgemäßer Funktionszusammenhang zwischen den Arztpraxen und der im Erdgeschoss gelegenen Apotheke des Klägers besteht.

 

 

Beteiligungen als notwendiges Betriebsvermögen bei Einkünften aus selbständiger Arbeit

Beteiligt sich ein Rechtsanwalt an einer Kapitalgesellschaft, kann diese Beteiligung u.a. dann dem notwendigen Betriebsvermögen zuzurechnen sein, wenn der Rechtsanwalt durch den Erwerb der Beteiligung seinen Einfluss auf die Gesellschaft behalten will, um weiterhin mit Mandaten betraut zu werden

BFH Urteil vom 26.01.2011 VIII R 19/08 BFHNV 2011 1311

Begründung:

Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG diejenigen Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Dazu zählen auch Schuldzinsen für die Finanzierung der Beteiligung an einer Gesellschaft. Voraussetzung ist, dass die Beteiligung selbst zum Betriebsvermögen gehört.

Wirtschaftsgüter gehören zum sog. notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem Betrieb dergestalt dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind. Keine Voraussetzung ist, dass das Wirtschaftsgut für den Betrieb notwendig, wesentlich oder gar unentbehrlich ist.

Anerkannt ist, dass zum notwendigen Betriebsvermögen auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehören kann, wenn sie dazu bestimmt ist, die betriebliche Betätigung entscheidend zu fördern oder dazu dient, den Absatz von Produkten zu gewährleisten.

Bei der Ausübung eines freien Berufs stehen der Einsatz von Intellekt und der durch qualifizierte Ausbildung erworbenen Kenntnisse oder eine schöpferische Begabung im Vordergrund. Der Umfang des Betriebsvermögens wird durch die Erfordernisse des Berufs begrenzt.

GmbH-Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen eines Bildjournalisten

Die GmbH-Beteiligung eines Bildjournalisten kann nicht allein deshalb als notwendiges Betriebsvermögen des freiberuflichen Betriebs beurteilt werden, weil der Bildjournalist 99 % seiner Umsätze aus Autorenverträgen mit der GmbH erzielt, wenn diese Umsätze nur einen geringfügigen Anteil der Geschäftstätigkeit der GmbH ausmachen und es wegen des Umfangs dieser Geschäftstätigkeit und der Höhe der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der GmbH nahe liegt, dass es dem Steuerpflichtigen nicht auf die Erschließung eines Vertriebswegs für seine freiberufliche Tätigkeit, sondern auf die Kapitalanlage ankommt.

BFH Urteil vom 12. Januar 2010 VIII R 34/07

Begründung:

Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG auch Gewinne, die bei der Veräußerung von Vermögen, das der selbständigen Arbeit dient, erzielt werden. Der Begriff des Dienens ist nicht näher definiert. Die notwendige Trennung des unternehmerischen Bereichs vom privaten Bereich erfolgt über den Begriff der "betrieblichen Veranlassung" (vgl. § 4 Abs. 4 EStG). Dabei handelt es sich um den zentralen Begriff der betrieblichen Einkunftsarten  Zum Betriebsvermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die im wirtschaftlichen Eigentum des Betriebsinhabers stehen und von diesem betrieblich veranlasst angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden. Wirtschaftsgüter gehören zum sog. notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem Betrieb dergestalt dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind.

Der BFH hat "Geldgeschäfte" eines Freiberuflers, wie die Gewährung von Darlehen, die Übernahme einer Bürgschaft oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, grundsätzlich als berufsfremde Vorgänge bezeichnet, die in der Gewinnermittlung außer Betracht bleiben müssen. Bei der Ausübung eines freien Berufs stehen die eigene Arbeitskraft des Steuerpflichtigen sowie der Einsatz seines geistigen Vermögens und der durch eine qualifizierte Ausbildung erworbenen Kenntnisse im Vordergrund. Das den freien Berufen zugrunde liegende eigene Berufsbild begrenzt und prägt auch den dazugehörigen Betrieb.

Im Einzelfall kann sich allerdings ergeben, dass die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit anzusehen ist. Eine Beteiligung gilt dann nicht als "wesensfremd". Unter diesem Gesichtspunkt hat der BFH die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft u.a. dann zum notwendigen Betriebsvermögen eines Freiberuflers gerechnet, wenn die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft die eigene berufliche Tätigkeit ergänzte betreffend Beteiligung eines beratenden Ingenieurs für Baustatik an einer Fachberatungs-GmbH hinsichtlich der Beteiligung eines Wirtschaftsprüfers an einer Treuhand-GmbH oder wenn mit der Gesellschaft eine auf die Vergabe von Aufträgen gerichtete Geschäftsbeziehung geschaffen werden sollte.

Danach ist eine Unterscheidung zu treffen zwischen einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, bei der die Gewinnung eines neuen Auftraggebers lediglich ein erwünschter Nebeneffekt ist, einerseits und einer Beteiligung, die der Steuerpflichtige ohne die Aussicht auf neue Aufträge nicht erworben hätte, andererseits. Dementsprechend hat die Rechtsprechung in letzter Zeit darauf abgestellt, ob das "Geldgeschäft" ein eigenes wirtschaftliches Gewicht hat und deswegen aus der freiberuflichen Tätigkeit auszuscheiden ist. Ein eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft, der einen erheblichen Umfang einnimmt, kann gegen die Annahme von notwendigem Betriebsvermögen sprechen .  Das Unterhalten von üblichen Geschäftsbeziehungen spricht als Indiz ebenfalls gegen notwendiges Betriebsvermögen.

Behandlung von Wirtschaftsgütern

Es bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung, dass nicht nur die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten, sondern auch die zum notwendigen Betriebsvermögen die Bestimmung zu betrieblichen Zwecken voraussetzt. Insbesondere die Zuordnung von unbebauten Grundstücken zum notwendigen Betriebs- oder Privatvermögen richtet sich nach dem nach außen erkennbaren Nutzungswillen des Steuerpflichtigen.

Es bedarf des Weiteren keiner höchstrichterlichen Klärung, dass die Widmung eines Wirtschaftsgutes nicht stets die Erfassung mit ihm zusammenhängender Einnahmen und Ausgaben in der Buchführung voraussetzt. Das gilt insbesondere dann, wenn das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt seiner Einbuchung noch keine Erträge oder Aufwendungen verursacht.
(BFH Beschluss vom 5. März 2002 IV B 22/01).