Rücklage nach § 6c EStG bei der Übertragung von Nutzungsrechten zur Errichtung eines Windparks (überirdischer Bodenschatz)

Ein Nutzungsrecht zur Errichtung eines Windparks kann ein vom Grund und Boden getrenntes, eigenständiges Wirtschaftsgut darstellen.

Die Rechtsprechung des BFH zur Qualifizierung eines Bodenschatzes als Wirtschaftsgut ist auch auf Rechte zur überirdischen Nutzung von Grundstücken anzuwenden.

Wird von dem Käufer eines Grundstücks eine als Entschädigungsprovision bezeichnete Zahlung an den Verkäufer geleistet, weil ein bereits vor dem Verkauf vereinbartes Nutzungsrecht zur Errichtung eines Windparks auf dem Grundstück in Anspruch genommen wird, handelt es sich nicht um einen nachträglichen Veräußerungserlös für den Grund und Boden, sondern um einen ggf. nicht steuerbaren Kaufpreis für ein eigenständiges Wirtschaftsgut Nutzungsrecht.



Eine Rücklage nach § 6c EStG kann insoweit nicht gebildet werden.

FG Niedersachsen Urteil vom 30.10.2013, 3 K 487/12

Begründung:

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die im Jahr 2010 an den Kläger geleisteten Zahlungen sind nicht als nachträgliche Kaufpreiszahlung für den im Jahr 2008 veräußerten Grund und Boden zu qualifizieren und berechtigten daher nicht zur Bildung einer Rücklage nach § 6c EStG.

Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können – wenn sie ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermitteln – nach § 6c Abs. 1 EStG i. V. m. § 6b Abs. 1 EStG bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 bis 5 EStG genannten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von den Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden, die als Betriebsausgabe zu behandeln ist (§§ 6b Abs. 3 Satz 1, 6c Abs. 1 Satz 2 EStG).

§ 6b Abs. 1 EStG begünstigt nur die Veräußerung des "nackten" Grund und Bodens. Der Begriff "Grund und Boden" wird daher enger gefasst als der Begriff "Grundstück" nach bürgerlichem Recht (§ 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne kann einkommensteuerrechtlich aus mehreren Wirtschaftsgütern bestehen, nämlich einerseits aus dem Grund und Boden und andererseits beispielsweise aus einem aufstehenden Gebäude, Anlagen auf oder im Grund und Boden, aber auch einem im Grund und Boden ruhenden, aber bereits entdeckten und in den wirtschaftlichen Verkehr gebrachten Bodenschatz. Bei der Veräußerung eines Grundstücks, welches einkommensteuerrechtlich aus zwei oder mehr selbständigen Wirtschaftsgütern besteht, muss dann der auf den Grund und Boden entfallende Anteil am Veräußerungsgewinn ggf. gesondert ermittelt werden, da z. B. die nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG bestehenden Übertragungsmöglichkeiten bei den einzelnen veräußerten Wirtschaftsgütern unterschiedlich sind oder, wie bei der Veräußerung eines Bodenschatzes, gar keine Übertragungsmöglichkeit besteht (BFH-Urteile vom 20. März 2003 – IV R 27/01, BStBl II 2003, 878; vom 24. August 1989 – IV R 38/88, BStBl II 1989, 1016).

Im Streitfall stellt das von dem Kläger mit der P.KG vereinbarte Nutzungsrecht – ähnlich einem Bodenschatz – ein vom Grund und Boden getrenntes, eigenständiges Wirtschaftsgut dar.

Als Wirtschaftsgut werden sowohl Sachen und Rechte verstanden, wie auch wirtschaftliche Werte jeder Art, also tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, die

(1) einen Vermögenswert haben, deren Erlangung der Kaufmann sich also etwas kosten lässt, die

(2) nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind, wobei die selbständige Bewertungsfähigkeit als gegeben angesehen wird, wenn der wirtschaftliche Wert als Einzelheit von Bedeutung und (z. B.) bei einer Veräußerung greifbar ist, und die – was allerdings strittig ist –

(3) längerfristig nutzbar sind, also einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen.  

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bilden Bodenschätze, wie z. B. Sand- und Kiesvorkommen, grundsätzlich bürgerlich-rechtlich und auch steuerrechtlich mit dem Grund und Boden eine Einheit, solange sie im Boden lagern und nicht abgebaut werden. Er wird greifbar und zu einem selbständigen Wirtschaftsgut, wenn mit der Aufschließung – z. B. durch den Antrag auf Abbaugenehmigung – oder der Verwertung – z. B. durch Veräußerung – begonnen wird (BFH Großer Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2006 – GrS 1/05, BStBl II 2007, 508). Für die Verwertung in diesem Sinne reicht es regelmäßig aus, dass im Grundstückskaufvertrag mit einem Abbauunternehmen – auch ohne bereits erteilte Abbaugenehmigung – ein gesonderter Kaufpreis für den Bodenschatz ausgewiesen wird. Daraus ist erkennbar, dass der Abbauunternehmer den Kaufpreis zu dem Zweck aufwendet, demnächst mit der Ausbeutung zu beginnen (BFH-Urteil vom 4. September 1997 – IV R 88/96, BStBl II 1998, 657). Wird der Kaufpreis für den Bodenschatz unter der Bedingung vereinbart, dass die Genehmigung für seinen Abbau erteilt wird, entsteht das Wirtschaftsgut Bodenschatz allerdings – nach § 4 des Bewertungsgesetzes – erst im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989 – IV R 1/88, BStBl. II 1990, 317; vom 17. März 2010 – X R 38/06, BStBl II 2011, 622).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen – entsprechend angewendet auf das Nutzungsrecht als „über der Erdoberfläche befindlicher Bodenschatz“ – nach Auffassung des Senats erfüllt, so dass sich – jedenfalls mit dem Eintritt der vereinbarten Bedingung, also dem Beginn der Errichtung des Windparks im Jahr 2009 – insoweit ein vom Grund und Boden eigenständiges Wirtschaftsgut gebildet hat.

Das zwischen dem Kläger und der P.KG vereinbarte Nutzungsrecht ist ein Recht, das – was sich an dem im Nutzungsvertrag festgelegten Nutzungsentgelt und der im Kaufvertrag bestimmten Entschädigungsprovision zeigt – einen Vermögenswert hat, es ist – auch dies zeigt sich insbesondere an der im Kaufvertrag zusätzlich zum Grundstückskaufpreis vereinbarten Entschädigungsprovision – einer selbständigen Bewertung zugänglich und es ist ohne Frage längerfristig nutzbar. Durch den Abschluss des Nutzungsvertrags am 12. Januar 2007 hat der Kläger das Nutzungsrecht an seinen Grundstücksflächen der P.KG überlassen und das Recht somit zur nachhaltigen Nutzung in den Verkehr gebracht. Entsprechend wurde im Rahmen des späteren Kaufvertrages eine eigenständige Vereinbarung über dieses Nutzungsrecht geschlossen und zusätzlich zu dem für den Grund und Boden zu zahlenden – verkehrsüblichen – Kaufpreis die Zahlung eines als Entschädigungsprovision bezeichneten Geldbetrages vereinbart. Es spielt dabei keine Rolle, dass die Genehmigung für die Nutzung der Grundstücke für die Bebauung mit Windrädern im Zeitpunkt des Abschlusses sowohl des Nutzungs- als auch des Kaufvertrages noch nicht vorlagen. Denn die Zahlung des Geldbetrages wurde für den Fall vereinbart, dass „die Firma P. […] den vorgenannten Grundbesitz mit Windenergieanlagen bebauen“ würde. Es handelt sich um eine aufschiebende Bedingung, mit deren Eintritt sich das Nutzungsrecht spätestens als Wirtschaftsgut verselbständigt hat. Die Zahlung der „Entschädigungsprovision“ erfolgte somit in keinem Fall für den („nackten“) Grund und Boden, sondern für das zwischenzeitlich entstandene eigenständige Wirtschaftsgut „Nutzungsrecht“.

Inwieweit der Gewinn aus der Veräußerung des Nutzungsrechts – entsprechend den Grundsätzen über die Besteuerung von Bodenschätzen – im Wirtschaftsjahr 2010/11 überhaupt steuerbar und damit bei Zufluss der Einkommensteuer der Kläger zu unterwerfen sein wird, kann an dieser Stelle offen bleiben. Jedenfalls kann er im Streitjahr nicht für die Bildung einer Rücklage nach § 6c EStG wegen der Veräußerung von Grund und Boden verwendet werden.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Es liegt bisher keine finanzgerichtliche Rechtsprechung darüber vor, ob die zur steuerlichen Behandlung von Bodenschätzen ergangene Rechtsprechung ohne weiteres auf Rechte zur Nutzung eines Grundstücks zur Bebauung mit Windrädern übertragen werden kann.

 

Tatbestandsverwirklichung bei schuldrechtlichem Nutzungsrecht im Rahmen der Einkünfte Vermietung und Verpachtung

Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer einem anderen eines der in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt; ihm müssen die Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem ähnlichen Vertrag über eine Nutzungsüberlassung  zurechenbar sein.

Auch ein (nur befristetes) schuldrechtliches Nutzungsrecht kann zu einer Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung führen; dazu bedarf es der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme, etwa durch entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien unter Zustimmung der Mieter. In Gestalt eines vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts kann eine sog. "gesicherte Rechtsposition" gegeben sein.

Das Erfordernis einer Mindestlaufzeit für die Dauer von einem Jahr findet im Gesetz keine Grundlage.

BFH Urteil vom 24.10.2012 – IX R 24/11 BFH NV 2013 S. 1228

Begründung:

Zu Recht hat das FG die Einkünfte aus dem Haus in S nicht der Klägerin, sondern deren Tochter zugerechnet. Wem Einkünfte zuzurechnen sind, hängt davon ab, wer den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt. Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer einem anderen eines der in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt; ihm müssen die Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem ähnlichen Vertrag über eine Nutzungsüberlassung –rechtlich oder tatsächlich– zurechenbar sein.

Auch ein (nur befristetes) schuldrechtliches Nutzungsrecht kann zu einer Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 EStG führen. Während indes mit Einräumung eines Nießbrauchs an einem bereits vermieteten Grundstück der Nutzungsberechtigte kraft Gesetzes (§§ 566, 567 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter eintritt, bedarf es bei einem schuldrechtlichen Nutzungsrecht der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme, etwa durch entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien (Überlassender und Übernehmender) unter Zustimmung der Mieter.

Mit (privat-)schriftlichem Vertrag vom Dezember 2002 hat die Klägerin ihrer volljährigen Tochter das (schuldrechtliche) Nutzungsrecht an dem ihr, der Klägerin, gehörenden Haus in S eingeräumt. Dieser Vertrag wurde nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) zivilrechtlich wirksam abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt; er war daher mangels entgegenstehender Umstände auch steuerrechtlich anzuerkennen. Durch unstreitige rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme im Dezember 2002 unter Zustimmung der Mieter ist die Tochter auch in die (bisherige) Vermieterstellung (der Klägerin) eingetreten. Dabei kann dahinstehen, ob in solchen Fällen  der Nutzungsberechtigte (zusätzlich) eine "gesicherte Rechtsposition" innehaben muss; denn eine solche hat das FG nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung zutreffend in Gestalt des vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts als gegeben erachtet.

Darüber hinaus findet sich für das Erfordernis einer Mindestlaufzeit für die Dauer von einem Jahr (so BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 914, Rz 7) im Gesetz keine Grundlage. Im Übrigen wurde das Nutzungsrecht unter Berücksichtigung der Entwicklung auch nach dem Streitjahr unstreitig über insgesamt dreieinhalb Jahre durch die Tochter tatsächlich ausgeübt. Danach mussten die Einkünfte aus dem Haus in S bei der Klägerin mangels Tatbestandsverwirklichung außer Ansatz bleiben.