Unternehmerische Tätigkeit einer Gemeinde beim Betrieb einer Sporthalle und Freizeithalle

Gestattet eine Gemeinde gegen Entgelt die Nutzung einer Sporthalle und Freizeithalle, ist sie gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG als Unternehmer tätig, wenn sie ihre Leistung entweder auf zivilrechtlicher Grundlage oder im Wettbewerb zu Privaten auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbringt.

Gleiches gilt für die entgeltliche Nutzungsüberlassung der Halle an eine Nachbargemeinde für Zwecke des Schulsports. Auch eine sog. Beistandsleistung, die zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gegen Entgelt erbracht wird, ist steuerbar und bei Fehlen besonderer Befreiungstatbestände steuerpflichtig.

BFH Urteil vom 10.11.2011, V R 41/10

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 10. November 2011 V R 41/10 entschieden, dass nachhaltig und gegen Entgelt erbrachte Leistungen der öffentliche Hand der Umsatzsteuer unterliegen, wenn diese Tätigkeiten auf zivilrechtlicher Grundlage oder – im Wettbewerb zu Privaten – auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ausgeführt werden. Dabei reicht es aus, wenn die Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand zu einer nicht nur unbedeutenden Wettbewerbsverzerrung führen würde. Diese, auf einem EuGH-Urteil von 2008 beruhende, geänderte Sichtweise führt zu einer erheblichen Ausweitung der Umsatzsteuerpflicht für die öffentliche Hand im Vergleich zur gegenwärtigen Besteuerungspraxis der Finanzverwaltung; sie kann sich bei Investitionsmaßnahmen aber auch zugunsten der öffentlichen Hand auswirken.

Im Streitfall begehrte eine Gemeinde den Vorsteuerabzug für die Errichtung einer Sport- und Freizeithalle. Die Gemeinde nutzte die Halle für den Schulsport ihrer Schulen, überließ die Halle aber auch gegen Entgelt an private Nutzer sowie an eine Nachbargemeinde für den dortigen Schulunterricht. Der BFH hat die Umsatzsteuerpflicht der Tätigkeiten mit Ausnahme der Nutzung für den eigenen Schulsport bejaht. Die Gemeinde ist deshalb zum anteiligen Abzug der Vorsteuer entsprechend der Verwendungsabsicht bei Errichtung der Halle berechtigt.

Von allgemeinem Interesse ist die Klarstellung, dass auch sog. Beistandsleistungen, die zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie z.B. Gemeinden erbracht werden, steuerpflichtig sind, sofern es sich um Leistungen handelt, die auch von Privatanbietern erbracht werden können. Entgegen der derzeitigen Besteuerungspraxis können danach z.B. auch die Leistungen kommunaler Rechenzentren umsatzsteuerpflichtig sein.

Mit dem Urteil setzt der BFH seine jüngere Rechtsprechung fort, nach der auch die privatrechtlich erteilte Erlaubnis zum Aufstellen von Automaten in Universitäten (BFH v. 15. April 2010 V R 10/09) oder die Überlassung von Pkw-Stellplätzen in Tiefgaragen durch eine Gemeinde auf hoheitlicher Grundlage als entgeltliche Umsätze der Umsatzsteuer unterliegen (BFH v. 1. Dezember 2011 V R 1/11).

Zweifelsfragen zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

Dem Begriff der "Vermögensverwaltung" kommt umsatzsteuerrechtlich für die Unternehmerstellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts durch einen "Betrieb gewerblicher Art" keine Bedeutung zu .

Gestattet eine Universität als juristische Person des öffentlichen Rechts durch privatrechtlichen Vertrag das Aufstellen von Automaten gegen Entgelt, erbringt sie als Unternehmer steuerbare und steuerpflichtige Leistungen (richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 1 KStG entsprechend Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) .

Überlässt die Universität auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage Personal und Sachmittel gegen Entgelt, ist sie Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG entsprechend Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG) .

BFH Urteil vom 15.4.2010, V R 10/09

Erläuterung:

Mit Urteil vom 15. April 2010 V R 10/09 hat der Bundesfinanzhof (BFH) das bei der Umsatzsteuer für die öffentliche Hand bestehende Besteuerungsprivileg eingeschränkt. Die öffentliche Hand unterliegt der Umsatzsteuer, soweit sie zivilrechtlich tätig wird.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind im Gegensatz zu anderen Steuerpflichtigen nur im Rahmen der Betriebe gewerblicher Art (BgA) unternehmerisch tätig. Bislang wurde zu diesem Besteuerungsprivileg allgemein die Auffassung vertreten, dass eine sog. Vermögensverwaltung durch die öffentliche Hand keinen BgA begründet und daher steuerrechtlich unbeachtlich sei. Dies hat der BFH nun verworfen und klargestellt, dass dem Begriff der Vermögensverwaltung für Zwecke der Umsatzsteuer keine Bedeutung zukommt. Nach dem Urteil des BFH ist für die Umsatzsteuerbesteuerung der öffentlichen Hand vielmehr entscheidend, ob sie in den Handlungsformen des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts tätig ist.

Der entschiedene Streitfall betraf eine Universität, die zum einen einem Unternehmer gestattete, auf dem Universitätsgelände Automaten aufzustellen. Zum anderen erlaubte sie ihren Bedienstenten, Personal und Sachmittel der Universität für Nebentätigkeiten zu verwenden. In beiden Bereichen erhielt die Universität Vergütungen.

Hinsichtlich der auf privatrechtlicher Grundlage erfolgten Gestattung zum Aufstellen von Automaten ging der BFH von der Umsatzsteuerpflicht der Universität aus. Ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage tätig und erzielt sie dabei im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit Vergütungen, handelt sie nach dem Urteil des BFH ebenso wie andere Unternehmer auch umsatzsteuerpflichtig.

Nicht abschließend beurteilen konnte der BFH den Bereich der Überlassung von Personal und Sachmitteln an die Bediensteten der Universität für deren Nebentätigkeiten. Da die Universität hier auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig war, liegt eine umsatzsteuerpflichtige Leistung nur vor, wenn es durch eine Nichtbesteuerung der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommt. Hierzu sind durch das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang nähere Feststellungen zu treffen.