Ermittlungspflichten des FA vor einer öffentlichen Zustellung wegen “unbekannten Aufenthaltsorts”

Geht das FA davon aus, dass sich ein Steuerpflichtiger in einem bestimmten Land aufhält, ohne dessen dortige Anschrift zu kennen, muss es im Vorfeld einer öffentlichen Zustellung wegen "unbekannten Aufenthaltsorts" gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG versuchen, die gültige ausländische Anschrift im Wege des zwischenstaatlichen Informationsaustauschs zu ermitteln (vgl. dazu für die Streitjahre BMF-Schreiben vom 3. Februar 1999, BStBl I 1999, 228, für die Zeit danach vom 25. Januar 2006, BStBl I 2006, 26). Erst wenn feststeht, dass eine Anschriftenermittlung auf diesem Wege nicht möglich oder fehlgeschlagen ist, darf das FA zur öffentlichen Zustellung übergehen.

BFH Urteil vom 9. Dezember 2009 X R 54/06

Begründung:

Ein Steuerbescheid kann gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG a.F. i.V.m. § 122 Abs. 5 AO öffentlich zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers "unbekannt" ist. Wegen des Anspruchs des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, vgl. grundlegend Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 1987 1 BvR 198/87, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 2361) ist die Zustellungsfiktion verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist. § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG a.F. setzt deshalb voraus, dass nicht nur der zustellenden Behörde die Anschrift des Zustellungsempfängers unbekannt, sondern dessen Aufenthaltsort allgemein unbekannt ist. Die öffentliche Zustellung ist erst als "letztes Mittel" zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln.

Eine Rechtspflicht der zustellenden Behörde, Anschriften im Ausland zu ermitteln, wird in der Rechtsprechung daher regelmäßig verneint, wenn ein Fall der "Auslandsflucht" vorliegt.