Lieferung und Montage betriebsbereiter (sog. schlüsselfertiger) Photovoltaikanlagen als Bauleistung (ADV Verfahren)

 

Lieferung und Montage betriebsbereiter (sog. schlüsselfertiger) Photovoltaikanlagen als Bauleistung (ADV Verfahren)

Leitsatz

Es ist noch nicht geklärt, ob die Lieferung und Montage von betriebsbereiten (sog. schlüsselfertigen) Photovoltaikanlagen auf Gebäudedächern umsatzsteuerrechtlich eine Bauleistung ist.

BFH Beschluss vom 02.07.2014 XI S 8/14 BFHNV 2014 S. 1601

Sachverhalt:

IDie Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin), eine GmbH, betrieb in den Jahren 2009 und 2010 (Streitjahre) ein Unternehmen, das auf die Lieferung und die Montage von betriebsbereiten (sog. schlüsselfertigen) Photovoltaikdachanlagen spezialisiert war. Ihr wurden Freistellungsbescheinigungen nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) erteilt.

Die Montage der Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf Gebäudedächern ließ die Antragstellerin von im Inland ansässigen Subunternehmern ausführen, die ihre Leistungen gegenüber der Antragstellerin mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer abrechneten und die Umsatzsteuer entrichteten. Die Antragstellerin zog die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.

Im Oktober 2010 fand bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Mai bis Juli 2010 statt. Die Außenprüferin des Beklagten und Antragsgegners (Finanzamt –FA–) war der Ansicht, der Vorsteuerabzug der Antragstellerin aus den Rechnungen der Subunternehmer sei zu Unrecht erfolgt. Denn in den Rechnungen hätten die Subunternehmer die Umsatzsteuer nicht gesondert ausweisen dürfen, weil die Montagen der PV-Anlagen durch sie Bauleistungen i.S. des § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien, die Antragstellerin selbst solche Leistungen erbringe und deshalb sie als Leistungsempfängerin gemäß § 13b UStG Schuldnerin der Umsatzsteuer sei. Die Außenprüferin beanstandete diese Vorgehensweise für die Vergangenheit jedoch nicht, da die Subunternehmer die Umsatzsteuer entrichtet hätten und deshalb keine Steuereinnahmen ausgefallen seien.

Daraufhin bat die Antragstellerin die Subunternehmer, die Vorschrift des § 13b UStG künftig zu beachten und dementsprechend Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis zu erstellen. In der Folgezeit reichten die Subunternehmer für die Vergangenheit bei den für sie zuständigen Finanzämtern berichtigte Rechnungen ein und forderten die von ihnen zuvor entrichteten Umsatzsteuerbeträge zurück.

 

Begründung:

Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, die bloße Montage von PV-Anlagen bewirke keine Substanzerweiterung, Substanzverbesserung, Substanzbeseitigung und keine Substanzerhaltung am Gebäude, was jedoch für eine Bauleistung Voraussetzung sei. Zudem sei noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob die Montage von PV-Anlagen eine Bauleistung im Sinne des UStG sei. Hinzu komme, dass PV-Anlagen im Allgemeinen für die Zweckerfüllung des Gebäudes ohne Bedeutung seien, weil das Gebäude nach der Verkehrsanschauung auch ohne eine PV-Anlage regelmäßig als fertiggestellt angesehen werde. Hierfür sprächen auch mehrere Verwaltungsvorschriften zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von PV-Anlagen, nach denen auf dem Dach montierte sowie in das Dach integrierte PV-Anlagen nicht zum Gebäude gehörende Wirtschaftsgüter seien. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folge zudem, dass die Montage einer PV-Anlage keine Bauleistung sei. Ferner sei das FA an der Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide aus Gründen des Vertrauensschutzes gehindert gewesen, weil es den streitbefangenen Vorsteuerabzug in der im Oktober 2010 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung unbeanstandet gelassen habe.

Der BFH sieht dies wie des FG anders und führt aus, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Errichtung eines Gebäudes unter den Begriff der Bauleistung fällt(EuGH-Urteil –BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH– in HFR 2013, 190, UR 2013, 63, Rz 26).

Der BFH hat entschieden, dass § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG (bis zum 30. Juni 2010 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG) nicht alle “Bauleistungen”, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige Leistungen erfasst, die diesen Bauwerksbezug aufweisen. Weder der EuGH noch der BFH hatten bisher über die hier streitige Einstufung der Montage von PV-Anlagen als Bauleistungen zu entscheiden.

Dass die vom FG weder höchstrichterlich noch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte geklärte Rechtsfrage, ob die Montage von PV-Anlagen unter § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG (bis zum 30. Juni 2010 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG) zu fassen ist (vgl. auch Büchter-Hole, EFG 2014, 509), nicht eindeutig zu beantworten ist, zeigt die Zulassung der Revision durch das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO).

Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage war die beantragte AdV zu gewähren.

Denn ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren zu entscheiden; die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben

Dem ferner gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide war mit der Maßgabe zu entsprechen, dass die entstandenen Säumniszuschläge entfallen.