Ermittlung des Anteilwertes einer Praxis bei Veräußerung

Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der sog. derivative, d.h. der entgeltlich erworbene Praxiswert ein abnutzbares Wirtschaftsgut darstellt, der gemäß § 5 Abs. 2 EStG mit den Anschaffungskosten anzusetzen ist und auf den AfA vorzunehmen sind, wohingegen der selbst geschaffene (originäre) Praxiswert nicht abgeschrieben werden darf.

Die Unterscheidung zwischen originärem und derivativem Praxiswert beruht letztlich darauf, dass der Praxiswert nicht das Ergebnis unternehmerischer Organisationsleistungen ist, sondern auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis der Mandanten zum beratenden Praxisinhaber beruht.

In Fällen, in denen der Gesellschafter einer Partnerschaftsgesellschaft seinen Mitunternehmeranteil veräußert, ist der Anteilswert gemäß § 18 Abs. 3 S. 2 EStG i.V.m. § 16 Abs. 2 S. 2 EStG zwingend nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln. Das gilt auch, wenn die Partnerschaftsgesellschaft ihren Gewinn bisher nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmeüberschussrechnung ermittelt hat.

BFH Beschluss vom 29.04.2011 VIII B 42/10 BFHNV 2011 S. 1345

Begründung:

Erwirbt nämlich ein Freiberufler die Praxis eines anderen und schafft er dabei entgeltlich einen Praxiswert an, weil der Kaufpreis den Substanzwert der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter abzüglich der Verbindlichkeiten übersteigt, so handelt es sich um ein abnutzbares Wirtschaftsgut, weil nach dem Ausscheiden des bisherigen Praxisinhabers das Vertrauensverhältnis zu den Mandanten zwangsläufig endet mit der Folge, dass sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtigt. Dem entspricht auch die Regelung in § 246 Abs. 1 Satz 4 des Handelsgesetzbuchs, die nur einen entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert als zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstand fingiert und gleichzeitig deutlich macht, dass der selbst geschaffene (originäre) Geschäftswert dieser Fiktion nicht unterliegt, keinen Vermögensgegenstand darstellt und deshalb auch nicht unter das Aktivierungsgebot fällt.