Privatfakten bei einem GmbH-Geschäftsführer

Auch bei einem GmbH-Geschäftsführer streitet der Anscheinsbeweis nur dann für die Privatnutzung eines Dienstwagens, wenn der Wagen zur privaten Nutzung überlassen wurde.
Fahrten im Interesse eines anderen Unternehmens stellen keine Privatfahrten dar, wenn der Gesellschafter die Fahrten gestattet.

Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 08.02.2012, 3 K 406/10 (Revision eingelegt)

Begründung:

Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nicht um einen geldwerten Vorteil für die private Nutzung eines dienstlich überlassenen Kraftfahrzeugs zu erhöhen. Einnahmen sind gem. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4-7 EStG zufließen. Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges zu privaten Fahrten ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Kann das Fahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG).

Die Einkünfte der Klägerin sind nicht um einen entsprechenden Nutzungsvorteil zu erhöhen, weil der Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die Klägerin das ihr überlassene betriebliche Fahrzeug auch zu privaten Fahrten nutzt. Dies geht zum Nachteil des Beklagten, der insoweit die Feststellungslast trägt.

Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt indessen voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hatte. Denn § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG begründet ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand, sondern bewertet lediglich der Höhe nach einen Vorteil, der dem Grunde nach feststehen muss. Dementsprechend bezeichnet die ständige Rechtsprechung des BFH die 1 %-Regelung auch als eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung, die nicht zur Anwendung kommt, wenn eine Privatnutzung ausscheidet (BFH Urteile vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BStBl II 2003, 472; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BStBl II 2007, 116.). Der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich deshalb nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat dagegen keinen Lohncharakter. Denn ein Vorteil, den der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers erlangt, wird nicht "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG.

Im Streitfall ist der Klägerin nach ihrem Anstellungsvertrag die private Nutzung des Porsches 911 ausdrücklich untersagt. Damit greift nach der neueren Rechtsprechung des VI. BFH der Anscheinsbeweis nicht ein. Soweit nicht das Nutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen wurde (BFH Urteil vom 6. Oktober 2011 VI R 64/10, BFH/NV 2012, 408), streitet der aus der Lebenserfahrung abgeleitete Beweis des ersten Anscheins nicht dafür, dass die Klägerin den ihr zur ausschließlich dienstlichen Nutzung überlassenen Pkw abredewidrig für Privatfahrten verwendet.

Allerdings verkennt das Gericht nicht, dass sich der Sachverhalt insoweit von den jüngst vom VI. Senat des BFH entschiedenen Fällen dadurch unterscheidet, dass die Klägerin nicht Angestellte, sondern Geschäftsführerin der G Baugesellschaft GmbH war. Der VI. Senat des BFH hat in seiner Argumentation unter anderem darauf abgestellt, dass ein Arbeitnehmer, würde er sich über ein arbeitsvertragliches Nutzungsverbot hinwegsetzen, arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur Kündigung zu gewärtigen hätte oder sich unter Umständen gar einer Strafverfolgung aussetzen würde (BFH Urteil vom 6. Oktober 2011 VI R 64/10, BFH/NV 2012, 408). Dieses Argument versagt hingegen im Streitfall. Denn die Klägerin ist Alleingeschäftsführerin der G Baugesellschaft GmbH; es gibt keinen ihr übergeordneten Bediensteten, der auf die Einhaltung des Nutzungsverbots dringen und bei Verstoß gegen das Nutzungsverbot ihr gegenüber Sanktionen verhängen oder gegebenenfalls eine Kündigung aussprechen könnte. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der mit ihr zusammenveranlagte Ehemann, der Kläger, zu 50 % an der G Baugesellschaft GmbH beteiligt ist und die übrigen Anteile von den beiden Söhnen des Klägers gehalten werden. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen unerlaubter Privatnutzung des Pkw wäre auf die Höhe des Familienvermögens ohne Einfluss; eine Kündigung der Klägerin würde die Einkommenssituation der Familie eher schädigen, weil gegebenenfalls ein familienfremder Geschäftsführer bestellt werden müsste.

Dennoch bleibt es auch in einer solchen Sachverhaltskonstellation dabei, dass es an einer bewussten Überlassung des Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Geschäftsführer fehlt und so kein Vorteil „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wird. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung der oben zitierten Umsatzsteuersenate des BFH nicht, sondern schließt sich der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH (Urteil vom 21. April 2010 VI R 46/08, BStBl. II 2010, 848) an.