Prüfungsanordnung bei atypisch stiller Gesellschaft;

Eine Prüfungsanordnung, die die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns einer atypisch stillen Gesellschaft betrifft, ist an den Geschäftsinhaber zu richten.

Eine KG kann als Geschäftsinhaber Inhaltsadressat einer solchen Prüfungsanordnung für ihren Geschäftsbetrieb einschließlich ihrer Beziehungen zu den stillen Gesellschaftern sein. Auch bei Beteiligung einer Vielzahl von stillen Gesellschaftern am gesamten Betrieb des Inhabers des Handelsgewerbes liegen gemeinschaftliche Einkünfte aller Gesellschafter vor, die einheitlich und gesondert festzustellen sind.

Der sachliche Umfang einer Außenprüfung bei einer Personengesellschaft erfasst die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter insoweit, als diese Verhältnisse für die zu überprüfenden einheitlichen Feststellungen von Bedeutung sind.

BFH Beschluss vom 03.11.2011 – IV B 62/10 BFHNV 2012 S. 369 f.

 

Willkür- und Schikaneverbot bei Erlass einer Prüfungsanordnung

Weist der konkrete Einzelfall besondere tatsächliche Umstände auf, die darauf hindeuten, dass das Finanzamt bei Erlass einer Prüfungsanordnung sich möglicherweise von nicht zum Gegenstand der Begründung gewordenen sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und der Zweck der Prüfung der steuerlichen Verhältnisse in den Hintergrund getreten ist, kann in dem Übergehen eines hierzu gestellten Beweisantrags der Verfahrensmangel ungenügender Sachaufklärung liegen.

Ein Verstoß gegen das Willkür- und Schikaneverbot ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die angeordnete Außenprüfung i.S. von § 193 Abs. 1 AO ein in irgendeiner Weise umsetzbares Ergebnis haben könnte.

Ein die Außenprüfung vorbereitendes Vorlage- und Auskunftsverlangen kann ein Verwaltungsakt und damit Gegenstand einer zulässigen Anfechtungsklage sein.

BFH Urteil vom 28.9.2011, VIII R 8/09

 Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28. September 2011 VIII R 8/09 entschieden, dass die Anordnung einer Außenprüfung wegen Verstoßes gegen das Willkür- und Schikaneverbot rechtswidrig sein kann.

Der Adressat der Prüfungsanordnung, ein selbständig tätiger Rechtsanwalt hatte detailliert und nachvollziehbar dargelegt, seine steuerlichen Verhältnisse seien seit Jahren unverändert und bekannt. Das Finanzamt habe die Prüfung bei ihm nur angeordnet, weil er einen Beamten der Finanzverwaltung vertrete, der behaupte, vom Vorsteher seines Amts gemobbt worden zu sein. Zwei weitere Mandanten von ihm hätten sich mit entsprechenden Vorwürfen an den Petitionsausschuss gewandt und Erfolg gehabt. Zeitgleich habe die Finanzverwaltung u.a. Außenprüfungen bei den beiden mit den Petitionen befassten Abgeordneten und dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses veranlasst. Einspruch und Klage des Rechtsanwalts hatten keinen Erfolg.

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Zwar darf eine Außenprüfung grundsätzlich voraussetzungslos angeordnet werden. Sie muss aber dem Zweck dienen, die steuerlichen Verhältnisse des Geprüften aufzuklären. Lässt sich das Finanzamt von anderen, sachfremden Erwägungen leiten, kann dies gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen mit der Folge, dass die Anordnung rechtswidrig ist. Das Finanzgericht muss nun den Sachverhalt weiter aufklären.

Auslegung einer Prüfungsanordnung

Für die Auslegung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakte zur Bestimmung des Inhaltsadressaten ist Voraussetzung, dass diese auslegungsfähig, d.h. für Dritte erkennbar (objektiv) mehrdeutig und nicht eindeutig sin.

BFH Beschluss vom 10.08.2011 – V B 84/1ß BFHNV 2011 S. 2010

Begründung:

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage lautet: "Ist eine Prüfungsanordnung, die an eine aufgrund Verschmelzung erloschene GmbH ‘zu Händen des Geschäftsführers’ adressiert ist, mehrdeutig und nicht ohne Weiteres infolge Unbestimmtheit nichtig, wenn die aufnehmende Gesamtrechtsnachfolgerin, eine GmbH & Co. KG, unter dem prägenden Bestandteil der Firma der erloschenen GmbH auftritt und der Geschäftsführer der Komplementärin personenidentisch mit dem Geschäftsführer der erloschenen GmbH ist?"

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist für die Auslegung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakte zur Bestimmung des Inhaltsadressaten Voraussetzung, dass diese auslegungsfähig, d.h. für Dritte erkennbar (objektiv) mehrdeutig und nicht eindeutig sind  Im Streitfall ist die Vorinstanz entgegen der Auffassung der Klägerin von der eindeutigen Bezeichnung der nicht mehr existenten R-GmbH als Inhaltsadressatin der Prüfungsanordnung vom 29. November 2011 ausgegangen und hat diese somit für nicht auslegungsfähig gehalten.

Anordnung einer Außenprüfung auch bei Kleinunternehmern nicht weiter begründungspflichtig

Auch für Veranlagungszeiträume nach Inkrafttreten des Kleinunternehmerförderungsgesetzes vom 31. Juli 2003 (BGBl I 2003, 1550) genügt für Steuerpflichtige, die betriebliche Einkünfte beziehen, für die Begründung der Anordnung einer Außenprüfung weiterhin der bloße Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO. Dies gilt auch für Steuerpflichtige, die wegen Unterschreitens der in § 141 AO genannten Grenzen nicht buchführungspflichtig sind.

BFH Beschluss vom 20.06.2911 – X B 234/10 BFHNV 2011 S. 1829

Begründung:

Gewerbetreibende, die aufgrund der Änderung des § 141 AO durch das KleinUntFG nicht mehr buchführungspflichtig sind und daher ihren Gewinn nicht mehr nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln müssen, einem Mindestmaß an Aufzeichnungspflichten unterliegen, die aus § 4 Abs. 3 EStG folgen. Die  Finanzbehörden müssen in der Lage sein, Angaben in Steuererklärungen effektiv auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können.

Keine Begründung für eine erste Anschlussprüfung erforderlich

Eine erste Anschlussprüfung bedarf keiner weiteren Begründung.

BFH 19.11.2009 IV B 62/09 BFHNV 2010 S. 595 f

Begründung:

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam, ob das FA "eine Anordnung einer 3. Außenprüfung, d.h. einer 2. Wiederholungsprüfung in Folge, ohne 1-jährige Pause, nach § 193 Abs. 1 AO ohne Angabe von Gründen erlassen" kann, "die eine nachvollziehbare Ermessensentscheidung erkennen lässt, ohne damit die Grenzen des Willkür- und Schikaneverbots zu überschreiten".

Die Klägerin hat zwar im finanzgerichtlichen Verfahren gegen die Prüfungsanordnung vorgetragen, dass bei ihrer "Rechtsvorgängerin" bereits für die Jahre 2001 und 2002 eine Außenprüfung stattgefunden habe. Aber selbst wenn diese Außenprüfung zu berücksichtigen wäre, ergäbe sich ein ununterbrochener Prüfungszeitraum von 2001 bis 2003. Dies entspricht einem nach § 4 Abs. 3 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung vom 15. März 2000 –BpO 2000– (BStBl I 2000, 368) ohne weiteres zulässigen Umfang einer Außenprüfung. Demnach wäre die nunmehr angeordnete Prüfung ebenfalls als die erste Anschlussprüfung anzusehen.

Darüber hinaus ist bereits geklärt, dass eine erste Anschlussprüfung keiner weiteren Begründung bedarf. Durch die Rechtsprechung des BFH ist ferner entschieden, dass sogar eine sog. Anlassprüfung nur begründet werden muss, sofern dies zum Verständnis der Prüfungsanordnung wegen der besonderen Umstände oder nach Art der angeordneten Maßnahme erforderlich ist. Im Übrigen sieht § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 nunmehr ausdrücklich vor, dass die Finanzbehörden bei der Festlegung des Prüfungszeitraums nicht daran gehindert sind, auch bei Betrieben, die keine Großbetriebe, Konzerne und international verbundene Unternehmen sind, sog. Anschlussprüfungen vorzunehmen.

Kroatische d.o.o. als Adressat einer Prüfungsanordnung

Es ist höchstrichterlich geklärt, dass das FA berechtigt ist, Prüfungsanordnungen an eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft unter dem Namen und in der Form zu richten, die sie sich selbst im Geschäftsverkehr beimisst.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.

BFH Beschluss vom 23.09.2009 –  I B 95/09 BFH NV 2010 S. 233

 

Adressierung von Prüfungsanordnungen nach der formwechselnden Umwandlung der zu prüfender Gesellschaft

Wird nach der formwechselnden Umwandlung einer GmbH & Co KG in eine GmbH eine Prüfungsanordnung auf die GmbH & Co KG, ist die Prüfungsanordnung nicht wegen inhaltlicher Unstimmigkeit nichtig und damit nicht zur Unwirksamkeit des Bescheides. Es liegt in diesem Fall eine Personenidentität vor.

Die Behauptung der Befangenheit eines Betriebsprüfers kann weder selbständig angefochten noch im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Prüfungsanordnung geltend gemacht werden.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2008 4 K 1236/07-Rev. eingelegt. EFG 2009 S. 894.

Einspruch wegen Prüfungsanordnung

Bei Beauftragung mit einer Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO) hat das beauftragte Finanzamt über den gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch zu entscheiden, wenn auch die Prüfungsanordnung von ihm – und nicht vom beauftragenden Finanzamt – erlassen wurde.

 In Fällen, in denen eine andere Finanzbehörde nach § 195 Satz 2 AO mit der Außenprüfung beauftragt wird, ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer Prüfungsanordnung gegen das FA zur richten, das die Prüfungsanordnung erlassen hat .

BFH Beschluss vom 03.03.2009 – X B 197/08 BFH NV 2009 S. 962 f.

Anfechtung einer Prüfungsanordnung

Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie “nur” auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind. Hierzu können auch Schreiben des Prüfers an den Steuerpflichtigen gehören. Dies gilt insbesondere, wenn Prüfungshandlungen in den Geschäftsräumen nicht möglich sind, weil dem Prüfer der Zutritt verwehrt wird.

Die für die Anordnung einer Außenprüfung an sich angemessene Frist kann bei einer Anschlussprüfung grundsätzlich verkürzt werden, wenn die vorhergehende Prüfung noch andauert.

Für jeden Besteuerungszeitraum enthält die Prüfungsanordnung jeweils einen eigenständigen Verwaltungsakt.

BFH Beschluss vom 03.03.2009 – IV S 12/08 BFH NV 2009 S. 958 ff.

Ergänzungs- bzw. Erweiterungsprüfungsanordnung

Eine wirksame Prüfungsanordnung kann sachlich sich auch auf neue Steuerarten erstrecken oder zeitlich sich auf weitere Besteuerungsabschnitte ausdehnen. Die sog. Ergänzungs- bzw. Erweiterungsprüfungsanordnung ist ein selbständiger Verwaltungsakt und somit eine selbständige Prüfungsanordnung, die nach den für die Prüfungsanordnung geltenden Regeln zu beurteilen ist.

BFH Urteil vom 02.09.2008 – X R 9/08 BFHNV 2009 S. 3 f

Begründung:

Ergänzungsanordnung, die eine Prüfungsanordnung sachlich oder zeitlich ergänze, sei ein selbständiger Verwaltungsakt, der allein für sich nach den für die Prüfungsanordnung als solche geltenden Regeln zu beurteilen sei. Dies ergebe sich auch aus § 5 Abs. 2 Satz 5 BpO 2000. Dort sei im Falle einer Prüfungserweiterung von einer (zusätzlichen) ergänzenden Prüfungsanordnung und nicht von einer Aufhebung der alten und dem Erlass einer neuen, umfänglicheren Anordnung die Rede.

Im Übrigen sei eine Prüfungsanordnung stets und ausschließlich ein belastender Verwaltungsakt. Nach § 121 Abs. 1 AO ist ein schriftlicher Verwaltungsakt zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung genügt bei routinemäßigen Außenprüfungen der bloße Hinweis auf die Rechtsgrundlage in § 193 Abs. 1 AO.

Will das FA den Prüfungszeitraum über die für Mittelbetriebe regelmäßig vorgesehene Zeitgrenze hinaus verlängern, so muss die Anordnung so begründet werden, dass das FG in der Lage ist, seiner gerichtlichen Ermessenskontrolle nachzukommen. Wird die Ausdehnung des Prüfungszeitraums im Hinblick auf die Erwartung nicht unerheblicher Steuernachforderungen vorgenommen, so muss die erforderliche Zukunftsprognose auf Tatsachen gestützt werden. Diese Gesichtspunkte bestimmen und begrenzen die Anforderungen an den Begründungszwang des FA.