Rechtswidrigkeit von Prüfungsanordnungen und der Bestimmung des Prüfungsbeginns

Die Prüfungsanordnung und die Bestimmung des Prüfungsbeginns sind zwei selbständige Verwaltungsakte. Eine Prüfungsanordnung kann rechtswidrig werden, soweit für den Prüfungszeitraum Festsetzungsverjährung eintritt.
Ein Beginn der Außenprüfung im Sinne des § 171 Abs. 4 AO kann bereits in sachverhaltsbezogenen Anfragen und der Aufforderung seitens der Betriebsprüfer zur Vorlage von Unterlagen zu sehen sein.

Ein vom Steuerpflichtigen gegenüber den Betriebsprüfern ausgesprochenes „Hausverbot” und damit verbunden eine faktische Verhinderung der Aufnahme von Prüfungshandlungen beim Steuerpflichtigen steht der Annahme eines „Beginns der Außenprüfung im Sinne des § 171 Abs. 4 AO nicht entgegen.

Die Frage, von wem eine Unterbrechung einer Außenprüfung im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO zu vertreten ist, richtet sich danach, wessen Verantwortungsbereich die Gründe für die Unterbrechung zuzurechnen sind.
Der Vortrag der Befangenheit eines in der Prüfungsanordnung benannten Betriebsprüfers ist grundsätzlich weder selbständig anfechtbar noch im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Prüfungsanforderung zu prüfen.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. März 2008 4 K 87/07 – Rev. eingelegt (Az. des BFH: I R 58/08) EFG 2008 S. 1264ff.

Abgabe der strafbefreienden Erklärung vor Prüfungsbeginn

Strafbefreiung §371 AO und nach dem StraBEG tritt nicht ein, wenn vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde in erkennbarer, ernsthafter Absicht der angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen ist; diese Sperrwirkung des § 7 StraBEG erfordert nicht auch den tatsächlichen Beginn von Ermittlungsmaßnahmen (entgegen BMF) .

Die –auch formlos mögliche– Bestimmung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt; wird dieser nicht angefochten, kann die Sperrwirkung des § 7 StraBEG nicht wegen unangemessen kurzer Frist entfallen .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.6.2007, VIII R 99/04

Zutreffend hat das FG erkannt, dass ein Erscheinen des Prüfers “zur steuerlichen Prüfung” eine entsprechende Prüfungsanordnung voraussetzt. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen. In Bezug auf die ergänzende Prüfungsanordnung, die ein selbständiger, neben die ursprüngliche Prüfungsanordnung tretender Verwaltungsakt ist , muss sich das Erscheinen des Prüfers deshalb gerade (auch) auf die steuerliche Prüfung des Prüfungsgegenstands der ergänzenden Anordnung richten, um die Sperrwirkung auslösen zu können.

Zu Recht hat das FG das Erscheinen der Prüferin “zur steuerlichen Prüfung” des Streitjahres angenommen, als sie den Kläger in dessen Kanzleiräumen antraf und ihm persönlich die ergänzende Prüfungsanordnung wegen 1998 und 1999 übergab. Die finale Ausrichtung des Erscheinens verlangt, dass der Amtsträger seine ernsthafte Prüfungsabsicht bei seinem Erscheinen durch eine entsprechende Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten erkennbar zum Ausdruck bringt. Während die Übergabe der Prüfungsanordnung oder die Mitteilung des Prüfungstermins alleine noch kein Erscheinen “zur steuerlichen Prüfung” in diesem Sinne bewirken, hat die Prüferin im Streitfall ein Übriges getan, nämlich den Kläger aufgefordert, bestimmte Unterlagen u.a. für das Streitjahr vorzulegen. Sie hat damit ihre ernsthafte Prüfungsabsicht kundgetan und darüber hinaus bereits in eine konkrete Aufforderung zur Mitwirkung umgesetzt und nicht nur eine spätere Prüfung angekündigt. Der Prüfer, der den Steuerpflichtigen zur Vorlage von Unterlagen für einen bestimmten Prüfungszeitraum auffordert (z.B. von Bankbelegen oder wie hier: von Ausgangsrechnungen), ist insoweit auch zur steuerlichen Prüfung erschienen. Unbeachtlich ist der Vortrag des Klägers in der Revisionsbegründung, er habe sich mit der Prüferin auf einen Prüfungsbeginn erst auf einen späteren Termin geeinigt

Zum anderen ist der Kläger verfahrensrechtlich am Einwand der Unangemessenheit des sofortigen Prüfungsbeginns gehindert, weil er keinen Einspruch gegen dessen Bestimmung eingelegt hat. Insoweit kommt unangefochtenen Prüfungs-Verwaltungsakten Bindungswirkung zu. Dementsprechend gibt es im Steuerrecht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur ein verfahrensrechtliches Verwertungsverbot, auf das sich nur derjenige berufen kann, der die Prüfungsanordnung –oder einzelne Prüfungsmaßnahmen mit Verwaltungsaktcharakter– erfolgreich angefochten hat bzw. der nach Abschluss der Prüfung oder Erledigung des betreffenden Prüfungs-Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO hat feststellen lassen.

In diesem Zusammenhang steht auch die Bestimmung des Prüfungsbeginns. Prüfungsanordnung und Bestimmung des Prüfungsbeginns sind getrennte Regelungen; die Festlegung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt. Im Unterschied zur Prüfungsanordnung ist für die Bestimmung des Prüfungsbeginns keine Schriftform angeordnet, weshalb sie auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln erfolgen kann. Im Streitfall ist nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen mit der Anforderung der Unterlagen von einer Festlegung des Prüfungsbeginns am Tag des Erscheinens auszugehen, so, wie ihn die Prüferin auch in ihren Akten festgehalten hat. Diese Festlegung ist mangels Anfechtung bestandskräftig geworden und bestimmt deshalb mit ihrem Regelungsgehalt verbindlich das Rechtsverhältnis zwischen FA und Kläger.

Aus den vorstehenden Gründen nicht entscheidungserheblich ist die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bestimmung des Prüfungsbeginns. Käme es hierauf an, wäre sie im Streitfall allerdings zu bejahen. Unter der “angemessenen Zeit” i.S. von § 197 Abs. 1 AO ist der Zeitraum zu verstehen, der im Allgemeinen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des zu prüfenden Steuerpflichtigen für die Vorbereitungsmaßnahmen des Steuerpflichtigen erforderlich ist . Als derartige Vorbereitungsmaßnahmen kommen insbesondere die Freimachung von Räumen und das Freihalten von Terminen in Betracht.

Da sich der Kläger ohnehin in geeigneter Weise schon für die Prüfung der Jahre 2000 ff. vorbereiten musste, hat das FG zutreffend erkannt, dass es keiner zusätzlichen Vorbereitungsmaßnahmen des Klägers bedurfte, die einen Aufschub des Prüfungsbeginns wegen des Erweiterungszeitraums geboten hätten; die im Streitfall in der Anforderung von Unterlagen für die Folgewoche die Dokumentation der Anerkennung einer notwendigen Vorbereitungszeit sehen wollen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und Prüfungsbeginn zusammenfallen können.

Die angemessene Zeit i.S. von § 197 Abs. 1 AO hat nicht den Zweck, dem Steuerpflichtigen eine Überlegungsfrist einzuräumen, ob er eine Selbstanzeige erstatten bzw. eine strafbefreiende Erklärung abgeben will.