Rechnungsberichtigung im Umsatzsteuerrecht

Rechnungsberichtigung setzt zuvor erteilte (erstmalige) Rechnung voraus.

Beschluss vom 10.1.2013, XI B 33/12

Begründung:

Ob sich aus dem EuGH-Urteil   Pannon Gép   (Slg. 2010, I 7467, UR 2010, 693) für den Fall der Rechnungsberichtigung eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 24 ff.).

Dies bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung. Denn das FG hat verkannt, dass die "Aufstellung" des Vermieters vom 10. Juli 2009 allenfalls dann eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungsberichtigung für die Streitjahre darstellen könnte, wenn für die Streitjahre bereits erste, wenn auch unvollständige oder unrichtige Rechnungen ausgestellt worden waren, die berichtigt werden könnten. Die Rechnungsberichtigung ist von einer erstmaligen Rech-nungserteilung abzugrenzen

 

 

Leistungsort bei Schadensregulierung und Rückwirkung der Rechnungsberichtigung

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Leistungen eines inländischen Schadensregulierers im Inland steuerbar sind und nicht dem Empfängerortprinzip des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG unterliegen.

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus einer zunächst fehlerhaften Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn diese Rechnung später berichtigt wird, sofern das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen an eine Rechnung erfüllt und daher Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält.

BFH Beschluss vom 20.7.2012, V B 82/11

Begründung:

Nach § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung wurden die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer, insbesondere die rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG ist entsprechend dem ihm unionsrechtlich zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 20/11, juris). Danach gilt als Ort der Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstiger ähnlicher Leistungen sowie der Datenverarbeitung und der Überlassung von Informationen der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat.

Danach entsprechen z.B. die Leistungen eines Testamentsvollstreckers nicht denen eines Rechtsanwalts. Denn während die Leistungen des Rechtsanwalts vor allem der Rechtspflege dienen, sind die Leistungen der Testamentsvollstrecker wirtschaftlicher Art und dienen der Bewertung und Verteilung des Vermögens des Erblassers sowie dem Schutz dieses Vermögens und der Fruchtziehung aus diesem (EuGH-Urteil Kommission/ Deutschland in Slg. 2007, I-10609 Rdnr. 39).

Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass eine von § 3a Abs. 1 UStG abweichende Leistungsart nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG aufgrund einer Ähnlichkeit mit einer Rechtsanwaltsleistung nicht in Betracht kommt. Denn die Rechtsanwaltsleistung wird durch das Handeln zur Rechtspflege geprägt, während die Leistungen der Antragstellerin bei der Schadensregulierung –ähnlich einer Testamentsvollstreckung– eher wirtschaftlicher Art sind, dem Vermögensschutz der Versicherung dienen und insoweit Vermögensbetreuungscharakter haben.

Der Senat kann demgegenüber nicht entscheiden, ob eine Vollziehungsaussetzung für das Streitjahr 2007 insoweit in Betracht kommt, als das FA den Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, der Antragstellerin seien für die von ihr bezogenen Leistungen unvollständige oder unrichtige Rechnungen ausgestellt worden und einer erst späteren Rechnungsberichtigung komme keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zu. Insoweit war der Beschluss des FG aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sowie in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a MwStSystRL.

 

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung erfolgen kann, ist das Urteil des EuGH vom 15. Juli 2010 C-368/09, Pannon Gép (Slg. 2010, I-7467) zu berücksichtigen. Nach dem EuGH-Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 steht das Unionsrecht "einer nationalen Regelung oder Praxis entgegen, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (…), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen".

Ob sich hieraus eine Rückwirkung für den Fall der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten.

Demgegenüber kann das EuGH-Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 unter Berücksichtigung des dieser Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts auch dahingehend zu verstehen sein, dass das FA nicht berechtigt ist, den in dieser Rechtssache streitigen Vorsteuerabzug für das Jahr 2007 durch einen in 2009 ergangenen Nachforderungsbescheid zu versagen, wenn dem FA im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides eine bereits in 2008 erfolgte Rechnungsberichtigung vorliegt.

Ob einer Rechnungsberichtigung unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zukommen kann, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen (BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.5.). Diese Frage ist auch im Streitfall, der ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft, nicht abschließend zu entscheiden.

 

 

Rückwirkung der Rechnungsberichtigung

Stützt das FG sein Urteil auch auf den Rechtssatz, dass einer Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung zukomme, liegt kein die Vorentscheidung tragender Rechtssatz vor, wenn die Klage unabhängig hiervon abzuweisen ist, da die Klägerin nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht Leistungsempfänger war.

BFH Beschluss vom 25.03.2011 V B 94/10 BFHNV 2011 S. 1404 f

Begründung:

Nach Auffassung der Klägerin hat "die Frage, dass in einem Fall, wo lediglich einer der Grundstückseigentümer als Rechnungsempfänger ausgewiesen wird, dass doch in diesem Fall zumindest die hälftigen Vorsteuerabzugsbeträge zu berücksichtigen sind", grundsätzliche Bedeutung.

Demgegenüber ist es durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass einer Grundstücksgemeinschaft der Vorsteuerabzug nicht zusteht, wenn nach außen nur einer der Gemeinschafter als Vertragspartner auftritt, ohne offen zu legen, dass er auch im Namen des anderen Gemeinschafters handelt, und die Rechnungen nur an ihn adressiert sind. Danach kommt auch kein hälftiger Vorsteuerabzug in Betracht.

Die Klägerin macht insoweit geltend, dass es der Klärung bedürfe, "unter welchen Umständen eine Rechnungsberichtigung Rückwirkung habe und im Einklang mit europäischen Regelungen" stehe, da der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 15. Juli 2010 C-368/09, Pannon Gép (Deutsches Steuerrecht 2010, 1475) "eine Rückwirkung der Rechnungskorrektur bejaht" habe.

Zwar hat das Finanzgericht (FG) sein Urteil auch auf den Rechtssatz gestützt, dass einer Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung zukomme. Insoweit liegt aber kein die Vorentscheidung tragender Rechtssatz vor. Denn die Klage war unabhängig hiervon abzuweisen, da die Klägerin nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht Leistungsempfänger war.