Kein Lohn durch eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH

Die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH nach § 59j BRAO führt nicht zu Lohn bei den angestellten Anwälten. Die Rechtsanwalts-GmbH wendet dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.

BFH Urteil vom  19.11.2015, VI R 74/14

Begründung:

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) –neben Gehältern und Löhnen– auch andere Bezüge und Vorteile, die “für” eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist .

Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann

Durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasste, zu Lohn führende Zuwendungen erbringt der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern erst recht nicht, wenn er ausschließlich gegenüber Dritten tätig wird, nur ihnen gegenüber eigene Verpflichtungen eingeht und eigene Ansprüche erwirbt, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zu seinen Arbeitnehmern und den mit ihnen begründeten Dienstverhältnissen aufweisen. Daraus für die Arbeitnehmer folgende etwaige Annehmlichkeiten sind bloße Reflexwirkungen einer originär ausschließlich eigenbetrieblichen Betätigung des Arbeitgebers, mit der er andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner Arbeitnehmer verfolgt.

Nach Maßgabe dieser vorgenannten Rechtsgrundsätze führte der Erwerb eines eigenen Haftpflichtversicherungsschutzes i.S. des § 59j BRAO durch die Klägerin als Arbeitgeberin zu keinem lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil bei ihren Arbeitnehmern.

Der von der Klägerin erworbene Versicherungsschutz zur Deckung der sich aus ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden i.S. der §§ 59j, 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO diente ihrem eigenen Versicherungsschutz. Denn nach den Feststellungen des FG war damit das Risiko der weltweiten Tätigkeit der Klägerin als selbständig zugelassene Rechtsanwalts-GmbH versichert; die Versicherung umfasste Schäden, die durch die Klägerin selbst oder durch eine Person verursacht wurden, für die sie nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hatte. Diese Berufshaftpflichtversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben und notwendige Voraussetzung für die gewerbliche rechtsberatende Tätigkeit der Klägerin selbst als Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c Abs. 1, § 59j Abs. 1 BRAO), die nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung den Mandanten gegenüber mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet. Angesichts dessen erfasst diese Versicherung keine Haftpflichtansprüche, die sich gegen die bei der Klägerin nichtselbständig tätigen Rechtsanwälte selbst richten; deshalb versicherte die Klägerin durch den Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung ihre eigene Berufstätigkeit und wandte ihren Arbeitnehmern dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.

Ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil folgt auch nicht daraus, dass die für die Klägerin nichtselbständig tätigen Rechtsanwälte ihre eigene Haftpflichtversicherung nach § 51 BRAO mit den Mindestversicherungssummen abschlossen. Denn damit haben die angestellten Rechtsanwälte den Anforderungen und Verpflichtungen aus § 51 BRAO entsprochen. Die davon abweichende Höhe des Mindestversicherungsschutzes bei deren Arbeitgeberin, der Klägerin selbst, begründet keinen solchen Vorteil. Er lässt sich entgegen der Revision insbesondere auch nicht daraus entnehmen, dass im Fall einer als GbR tätigen Rechtsanwaltssozietät mit entsprechender internationaler Beratungstätigkeit ein vergleichbarer Versicherungsschutz nur zu erheblich höheren Versicherungsbeiträgen zu erhalten wäre. Denn zutreffend hat dazu schon das FG ausgeführt, dass das FA damit ungleichartige Sachverhalte miteinander vergleiche, weil den höheren Versicherungsbeiträgen eines angestellten Briefkopfanwalts einer Sozietät auch der eigene Versicherungsschutz wegen persönlicher Haftungsrisiken als Sozius gegenüberstünde.