Tätigkeitsstätte beim Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte

Die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers ist keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Die Vorschrift kommt demnach auch dann nicht zur Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Kunden des Arbeitgebers längerfristig eingesetzt ist (Festhalten am Senatsurteil vom 10. Juli 2008 VI R 21/07, BFHE 222, 391, BFH/NV 2008, 1923).

BFH Urteil vom 9. Juli 2009 VI R 21/08

Begründung;

Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb.

Liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen.

Liegt keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt. Dies ist insbesondere bei Auswärtstätigkeiten der Fall. Ein auswärts tätiger Arbeitnehmer hat typischerweise nicht die vorbezeichneten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten, insbesondere scheidet ein Familienumzug an die Tätigkeitsstätte aus.

In seinem Urteil in BFHE 222, 391, BFH/NV 2008, 1923 ist der erkennende Senat auch bei einem Arbeitnehmer, der vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden für seinen Arbeitgeber tätig ist, davon ausgegangen, dass dieser typischerweise nicht die Möglichkeit hat, sich auf diese Tätigkeitsstätte einzustellen. Hieraus hat der Senat geschlossen, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist, und insoweit ausgeführt, dass diese Vorschrift auch dann nicht zur Anwendung komme, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Kunden längerfristig eingesetzt wird. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Denn die Beurteilung, ob sich ein Arbeitnehmer in der genannten Weise auf eine bestimmte Tätigkeitsstätte einstellen kann, hat stets aus der Sicht zum Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Tätigkeit ("ex ante") zu erfolgen.

Soll ein Arbeitnehmer in der betrieblichen Einrichtung eines Kunden seines Arbeitgebers eingesetzt werden, so ist prägend für diese Sicht des Arbeitnehmers allein das Arbeitsverhältnis und nicht die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde. Auf die konkrete Ausgestaltung und die Dauer jener vertraglichen Beziehung kann und muss sich der Arbeitnehmer typischerweise weder rechtlich noch faktisch mit dem Ergebnis der Minderung der Wegekosten einstellen. Vielmehr ist es gerade Ausdruck des Arbeitsverhältnisses, dass der beim Kunden eingesetzte Arbeitnehmer hinsichtlich des Orts, an dem er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, in besonderer Weise dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Auch bei längerfristigem Einsatz beim Kunden steht die dortige Tätigkeit unter einem dem Einfluss des Arbeitnehmers entzogenen Vorbehalt, dass die vom Arbeitsverhältnis unabhängige Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde Bestand hat.

Regelmäßige Arbeitsstätte

Für die Beurteilung, ob eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG vorliegt, gelten die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a. F. auf den Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte anzuwendenden Grundsätze.

BFH Beschluss vom 17.07.2008 — VI B15/428 BFH NV 2008 S. 1674 f. Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil V. 23.1.2008, 9 K 2960/05 L,H(L)

Begründung:
Danach gelten für die Beurteilung, ob eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. 5. des 5 8 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegt, die nach 5 9 Abs.1 Satz 3 Nr. 4 EStG a. F. auf den Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte anzuwendenden Grundsätze.

Regelmäßige Arbeitsstätte ist danach jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht, ohne dass es dabei auf die Intensität und Dauer der dort ausgeübten beruflichen Tätigkeit ankommt.
Entscheidend ist vielmehr, ob der Betriebssitz durch das wiederholte Anfahren des Arbeitnehmers eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten erlangt. Eine regelmäßige Arbeitsstätte liegt hierbei nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers täglich aufsucht, um dort Aufträge entgegenzunehmen, abzurechnen und Bericht zu erstatten, sondern schon dann, wenn er die Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers regelmäßig an einem Tag in der Woche durchführt.

Keine neue regelmäßigen Arbeitsstätte bei längerfristiger beruflicher Bildungsmaßnahmen

Führt ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer eine längerfristige, jedoch vorübergehende berufliche Bildungsmaßnahme durch, so wird der Veranstaltungsort im Allgemeinen nicht zu einer weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte i. S. des §9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG a. F. Die Fahrtkosten des Arbeitnehmers zu der Bildungseinrichtung sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 10.04.2008 – VI R 66/05 BFH NV 2008 S.1243
Vorinstanz: Hessisches FG V. 23.9.2005,1 K1313/05 (EFG 2006,101)

Begründung:
Denn liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen.
Liegt jedoch keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt.
Dies gilt nicht nur für Auswärtstätigkeiten, sondern u. a. auch dann, wenn ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer mit regelmäßiger Arbeitsstätte eine, zeitlich befristete bzw. nicht auf Dauer angelegte, Bildungseinrichtung an einem anderen Ort aufsucht. Ein solcher Arbeitnehmer hat typischerweise nicht die Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten.

Nach diesen Grundsätzen und den im Streitfall vorliegenden Umständen ist die Berufliche Schule in X nicht als weitere regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen.
Die in der Freizeit ausgeübte (Fort-)Bildungsmaßnahme des Klägers erstreckte sich zwar über vier Jahre und war damit längerfristig; sie war indessen vorüber-gehend und nicht auf Dauer angelegt.

Ein Arbeitnehmer ist nicht am Tätigkeitsmittelpunkt (regelmäßige Arbeitsstätte), sondern auch dann auswärts beschäftigt, wenn er einer “längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte” nachgeht

Mit dieser Entscheidung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu seinem früheren Urteilen. Bei Erwerbsaufwendungen für eine Bildungsmaßnahme (Vollstudium) können die an eine regelmäßige Arbeitsstätte anknüpfenden Rechtsfolgen zum Zuge kommen. Dies ist jedoch dann anders, wenn ein Arbeitnehmer, wie hier, neben seiner Vollbeschäftigung mit regelmäßiger Arbeitsstätte eine zeitlich befristete Bildungsmaßnahme an einem anderen Ort absolviert.

Weitere regelmäßige Arbeitsstätte

Erbringt ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vorübergehend außerhalb der Wohnung und des dauerhaften Mittelpunkts seiner beruflichen Tätigkeit, so begründet er dort auch nach Ablauf von drei Monaten keine weitere Arbeitsstätte, wenn sich die auswärtige Tätigkeit im Vergleich zur Arbeit an der bisherigen regelmäßigen Tätigkeitsstätte als untergeordnet darstellt.

(BFH Urteil vom 18.5.2004, VI R 70/98)