Umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Rahmen eines „Reihengeschäfts“

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

Bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft mit drei Beteiligten (A, B und C) und zwei Lieferungen (A an B sowie B an C) setzt die erforderliche Zuordnung der (einen) innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung des Gegenstands zu einer der beiden Lieferungen eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung voraus, ob der Ersterwerber (B) dem Zweiterwerber (C) die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, im Inland übertragen hat.

Dabei kommt es auf die objektiven Umstände an; hiervon abweichende Absichtsbekundungen können im Rahmen der Prüfung des Vertrauensschutzes von Bedeutung sein.

Verbleiben nach der erforderlichen Sachverhaltsaufklärung durch das FG, bei der insbesondere der Ersterwerber (B) zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden kann, nicht behebbare Zweifel daran, dass der Ersterwerber (B) dem Zweiterwerber (C) die Verfügungsmacht noch im Inland übertragen hat, ist die Warenbewegung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen.

BFH Urteil vom 25.02.2015 XI R 15/14

Begründung (BFH):

Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 15/14 entschieden, dass bei sog. Reihengeschäften die Prüfung, welche von mehreren Lieferungen über ein und denselben Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist, anhand der objektiven Umstände und nicht anhand der Erklärungen der Beteiligten vorzunehmen ist; Erklärungen des Erwerbers können allerdings im Rahmen der Prüfung des Vertrauensschutzes (§ 6a Abs. 4 UStG) von Bedeutung sein.

Eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der gelieferte Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) befördert oder versendet wird. Dies festzustellen bereitet insbesondere bei sog. Reihengeschäften immer wieder Schwierigkeiten: Liefert ein Unternehmer (A) Waren an einen anderen Unternehmer (B), der diese an einen dritten Unternehmer (C) weiterliefert, kann nur diejenige Lieferung umsatzsteuerfrei sein, der der Warentransport in den anderen Mitgliedstaat zuzuordnen ist.

Im Verfahren XI R 15/14 verkaufte eine deutsche GmbH (A) im Jahr 1998 zwei Maschinen an ein US-amerikanisches Unternehmen (B). B teilte A auf Anfrage lediglich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines finnischen Unternehmens (C) mit, an die es die Maschinen weiterverkauft habe. Die Maschinen wurden von einer von B beauftragten Spedition bei A abgeholt und zu C nach Finnland verschifft. Das Finanzamt (FA) behandelte die Lieferung der A nicht als steuerfrei, weil B keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Mitgliedstaats der EU verwendet habe.

Nach Ansicht des zuvor auf Vorlage des BFH mit dem Streitfall befassten Gerichtshof der Europäischen Union ist bei sog. Reihengeschäften regelmäßig die Lieferung von A an B umsatzsteuerfrei; anders ist es jedoch, wenn B der C bereits Verfügungsmacht an der Ware verschafft hat, bevor die Ware das Inland verlassen hat. Dies ist anhand aller objektiven Umstände des Einzelfalls und nicht lediglich anhand der Erklärungen des B zu prüfen.

A, das FA und das Finanzgericht (FG) konnten im Nachhinein nicht mehr ermitteln, wann B die Verfügungsmacht an den Waren der C verschafft hatte. Das FG gab deshalb der Klage statt. Der BFH bestätigte dieses Ergebnis. § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG enthalte die gesetzliche Vermutung, dass im Zweifel die erste Lieferung (von A an B) steuerfrei sei. Diese greife im Streitfall. Trotz der bestehenden praktischen Schwierigkeiten sei nach derzeitiger Rechtslage an den genannten Rechtsgrundsätzen festzuhalten. Eventuelle Rechtsänderungen vorzunehmen sei Aufgabe des Gesetz- oder Richtliniengebers.

Im Rahmen seines Urteils zeigte der BFH außerdem eine für die Unternehmer bestehende Absicherungsmöglichkeit auf: Nach Auffassung des BFH kann sich z.B. A von B versichern lassen, dass B die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung das Inland verlassen hat. Verstößt B gegen diese Versicherung, kommt die Gewährung von Vertrauensschutz für A in Betracht und B schuldet ggf. die deutsche Umsatzsteuer (§ 6a Abs. 4 UStG).

 

Lieferung ist in einem Reihengeschäft

Lieferung ist in einem Reihengeschäft, bei dem Ware ins Drittlandsgebiet gelangt, die bewegte und damit steuerfreie Ausfuhrlieferung.

FG Münster Urteil vom 16.01.2014 (5 K 3930/10 U)

Begründung:

Die Klägerin ist unstreitig umsatzsteuerliche Organträgerin der R GmbH (Organgesellschaft). Eine in Großbritannien registrierte S Ltd bestellte am 30.05.2008 20.000 Handys bei der Organgesellschaft. Die S Ltd trat dabei unter ihrer britischen Umsatzsteueridentifikationsnummer auf und war in Deutschland steuerlich nicht registriert. Zwischen der Organgesellschaft und S Ltd war die Lieferbedingung "EXW N " vereinbart.

Die Organgesellschaft berechnete mit Rechnung vom 12.06.2008 die 20.000 Handys. Umsatzsteuer war auf der Rechnung nicht ausgewiesen. Die Rechnung enthielt den Hinweis "VAT Nummer GB … EU Ausfuhrlieferungen sind nach § 4 (1b) UStG steuerfrei…". Die Rechnung wurde am 12.06.2008 bezahlt. Von den 20.000 berechneten Handys sind unstreitig 5.000 nach England gelangt. Die steuerliche Behandlung dieser 5.000 Handys ist hier nicht streitig.

Die S Ltd hatte am 12.06.2008 eine "proforma invoice" über 12.000 Handys an O T , PO Box xxx, Dubai und am 10.06.2008 über 3.000 Handys an P L.L.C, PO Box xxx, Dubai gestellt. Daraus ergibt sich, dass den Handys ein deutsches Handbuch beigegeben war. Als Auslieferungsort waren auf den zuvor genannten Proformarechnungen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, jeweils Frachtzentren in der Freihandelszone Flughafen Dubai angegeben.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die streitbefangenen Lieferungen der 15.000 Handys durch die Organtochter der Klägerin an S Ltd sind nicht steuerfrei.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die streitbefangenen Lieferungen der 15.000 Handys durch die Organtochter der Klägerin an S Ltd sind nicht steuerfrei.

Eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b) i.V.m. § 6a UStG kommt entgegen dem Hinweis in der Rechnung der Organtochter vom 12.06.2008 nicht in Betracht, denn die streitbefangenen 15.000 Handys sind unstreitig nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet, sondern das Drittlandsgebiet gelangt.

Eine Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG scheidet aus, denn nicht die Organtochter der Klägerin, sondern die S Ltd hat eine Ausfuhrlieferung durchgeführt.

Der Senat folgt der Auffassung der Beteiligten, dass im Hinblick auf die Lieferung der 15.000 Handys ein Reihengeschäft im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 5 UStG vorlag und dass diese Lieferung in Deutschland steuerbar war. Es haben mehrere Unternehmer über die Handys Umsatzgeschäfte abgeschlossen, nämlich die Organtochter der Klägerin mit S Ltd und diese mit ihren Abnehmern in Dubai. Die Handys sind auch unmittelbar von der Organtochter an die letzten Abnehmer in Dubai gelangt.

Die bewegte Lieferung fand entgegen der Auffassung der Klägerin gemäß § 3 Abs. 6 S. 6 UStG jedoch nicht im Verhältnis der Klägerin zu S Ltd, sondern im Verhältnis S Ltd zu ihren Abnehmern in Dubai statt. Die Steuerfreiheit gemäß § 6 UStG betrifft daher die (bewegte) Lieferung der S Ltd an ihre Abnehmer. Die Klägerin hat die ruhende Lieferung erbracht, die gemäß § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar und -mangels einer Befreiungsvorschrift- auch steuerpflichtig ist.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die S Ltd die Handys als Lieferer im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UStG versendet hat. Die widerlegbare Vermutung in § 3 Abs. 6 S. 6, 1. Alt. UStG, dass bei der Beförderung oder Versendung durch einen mittleren Unternehmer die bewegte Lieferung der Lieferung an diesen Unternehmer zuzuordnen ist, greift im Streitfall nicht ein.

 

Innergemeinschaftliche Lieferung im Reihengeschäft unter Beteiligung eines im Drittland ansässigen Zwischenerwerbers

Eine Lieferung von Gegenständen eines im Inland ansässigen Unternehmers an einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer, der keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, die Gegenstände im Inland abholen lässt und direkt an den letzten Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat weiterliefert, kann als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein, wenn der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat.

Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten setzt die erforderliche Zuordnung der (einen) innergemeinschaftlichen Versendung zu einer der beiden Lieferungen eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung voraus, ob zwischen dem Erstabnehmer und dem Zweitabnehmer die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgte.

BFH Urteil vom 28.5.2013, XI R 11/09

Begründung (BFH):

Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung kann – unter weiteren Voraussetzungen – auch vorliegen, wenn ein im Inland ansässiger Unternehmer Gegenstände an einen Unternehmer in einem Drittland ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer veräußert und wenn dieser die Gegenstände an einen Unternehmer in einem anderen Mitgliedsstaat weiterveräußert, im Inland abholen und unmittelbar an den Letzterwerber versenden lässt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. Mai 2013 (XI R 11/09) entschieden.

Eine deutsche GmbH verkaufte 1998 zwei Maschinen an ein US-amerikanisches Unternehmen (A). Dieses teilte der GmbH auf Anfrage lediglich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einer finnischen Ltd. mit, an die es die Maschinen weiterverkauft habe. Die Maschinen wurden von einer von A beauftragten Spedition bei der GmbH abgeholt und nach Finnland verschifft. Ob A in Finnland einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt hat, ist nicht festgestellt.

Das Finanzamt behandelte die Lieferung der GmbH nicht als steuerfrei, weil A als Erwerber keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Mitgliedstaats verwendet habe. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der verkaufte Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet wird. Der Abnehmer muss außerdem Unternehmer sein und mit dem Erwerb in seinem Land der Umsatzsteuer unterliegen. Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Verkäufe, aber nur eine Versendung stattgefunden haben. Da die Versendung Tatbestandsmerkmal der innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kommt es zunächst darauf an, ob die Versendung dem ersten Verkauf zugerechnet werden kann. Nur dann hätte die GmbH eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei erbracht. Dafür besteht im nationalen Recht eine Vermutung. Das Gegenteil wäre allerdings der Fall, wenn der US-amerikanische Zwischenhändler der finnischen Endabnehmerin die Verfügungsmacht an den verkauften Gegenständen schon vor deren Versendung verschafft hätte. Das muss das FG noch aufklären.

Dass die GmbH eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihres US-amerikanischen Abnehmers nicht angeben konnte, steht der Annahme einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Dies ist zwar nach nationalem Recht Voraussetzung für die Anerkennung der Steuerfreiheit. Der BFH hatte jedoch Zweifel, ob die Vorschrift mit dem EU-Recht vereinbar ist. Auf Anfrage des BFH in derselben Sache (Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, die Mitgliedsstaaten dürften zwar den buchmäßigen Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Regelfall verlangen. Eine innergemeinschaftliche Lieferung dürfe aber nicht schon deshalb verneint werden, weil er fehle. Der redliche Lieferer kann danach auch auf andere Weise nachweisen, dass der Erwerber Unternehmer ist und dass der Erwerb bei ihm der Umsatzsteuer unterliegt (EuGH Urteil vom 27. September 2012 C-587/10 – VStR -). Auch diese Frage wird das FG eventuell noch zu klären haben.

 

Zur Vorsteuerberichtigung beim letzten Abnehmer einer Lieferkette wegen ihm außerhalb der Lieferkette gewährten Herstellerrabatten

Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts durch nachträglich ausgezahlte Gutschriften, ist dessen Vorsteuerabzug nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15. Dezember 2004 gültigen Fassung zu berichtigen.

BFH Urteil vom 15.2.2012, XI R 24/09

Begründung:

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen; nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Hat sich diese Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F.) und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F.) entsprechend zu berichtigen.

Für die an die Klägerin von der D-GmbH ausgeführten Umsätze (Zementlieferungen) hat sich die Bemessungsgrundlage, das Entgelt, nicht gemindert. Es fehlt mithin insoweit an den Voraussetzungen, an die die Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. anknüpft.

Der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich nachträglich geändert hat, wurde nicht an die Klägerin, sondern (von der Z-AG) an die D-GmbH ausgeführt. Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer –wie im Streitfall die Z-AG der Klägerin– einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers,hier der Umsatz der Z-AG an die D-GmbH. Diese, die Z-AG, konnte daher den für ihren Umsatz an ihren Abnehmer der nächsten Stufe,die D-GmbH geschuldeten Steuerbetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. zu ihren Gunsten berichtigen. Der von der D-GmbH an die Klägerin ausgeführte Umsatz ist hiervon nicht betroffen.

Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Reihengeschäft

Hat der Unternehmer die Ware an einen im Ausland ansässigen Unternehmer verkauft und vor der Beförderung der Ware ins Ausland keine Kenntnis davon, dass der Ersterwerber den Gegenstand der Lieferung bereits einem anderen weiterverkauft hat, ist die Lieferung dem ersten Unternehmer zuzurechnen und damit steuerfrei.

BFH Beschluss vom 03.11.2011-VB 53/11 BFHNV 2012 S. 281 f.

Begründung:

Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Nach der Rechtsprechung des BFH  kommt es hierbei auf die Absichtsbekundung des Abnehmers an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Mitgliedstaat der Lieferung stammenden USt-ID-Nummer in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern.

Einer Zuordnung zur ersten Lieferung steht dann nicht entgegen, dass die Beförderung des Gegenstandes nicht in die Geschäftsräume des Unternehmens des Ersterwerbers erfolgt, sondern der Gegenstand direkt zu einem weiteren Abkäufer ausgeliefert wird. Anders ist es jedoch, wenn der Ersterwerber dem ersten Erwerber bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand weiterverkauft hat. Wie der BFH bereits entschieden hat, hat es somit im Endergebnis der Ersterwerber im Falle des Weiterverkaufs durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs in der Hand, die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich als Ersterwerber oder seiner eigenen Weiterlieferung zuzuordnen.

Innergemeinschaftliche Lieferung: Steuerfreiheit im Reihengeschäft

Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gemäß § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden.

BFH Urteil vom 11.8.2011, V R 3/10

Begründung:

Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG insbesondere voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

Wird der in das übrige Gemeinschaftsgebiet beförderte oder versendete Gegenstand im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts geliefert, ist für die Zuordnung von Beförderung oder Versendung als Voraussetzung für die Steuerfreiheit gemäß § 6a UStG Folgendes zu berücksichtigen. Schließen bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. In Übereinstimmung damit kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, wobei die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann.

Der Ort der Lieferung, der zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen kann, befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG.

Für die Lieferung, der die Beförderung oder Versendung nicht zuzuordnen ist, gilt § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG: Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung vorangehen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt. Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung folgen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet. In Übereinstimmung damit gilt als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt.

Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es insoweit auf die "Verpflichtung" und die "Absichtsbekundung" an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten USt-Id-Nr. in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern. Liegen diese Voraussetzungen vor, die zu einer Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG führen, steht es einer Zuordnung von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb zur ersten Lieferung nicht entgegen, dass ein Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt ist.

Anders ist es, wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36). Beförderung oder Versendung sind dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund einer derartigen Mitteilung für den Ersterwerber erkennbar ist, dass die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht seiner Lieferung zuzurechnen ist. Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG).