Rückforderung des an das Kind ausgezahlten Kindergeldes vom Kindergeldberechtigten

Rückforderung des an das Kind ausgezahlten Kindergeldes vom Kindergeldberechtigten.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.3.2016, III R 29/15

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog von der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) für ihre im September 1986 geborene Tochter T Kindergeld.

In einem Bescheid vom 14. Mai 2007, mit dem die Familienkasse gegenüber der Klägerin Kindergeld für T ab Februar 2007 festsetzte, hieß es unter anderem wörtlich: “Das Kindergeld wird weiterhin an T abgezweigt”. Nachdem die Familienkasse erfahren hatte, dass das Ausbildungsverhältnis der T durch Kündigung zum 31. Oktober 2010 beendet worden war, hob sie mit Bescheid vom 27. Januar 2011 die Kindergeldfestsetzung ab November 2010 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegenüber der Klägerin auf und forderte für den Zeitraum November 2010 bis Januar 2011 gezahltes Kindergeld in Höhe von 552 EUR gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zurück.

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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog von der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) für ihre im September 1986 geborene Tochter T Kindergeld.

 

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T stellte am 3. Mai 2007 bei der Familienkasse den Antrag, das Kindergeld an sie abzuzweigen.

 

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In einem Bescheid vom 14. Mai 2007, mit dem die Familienkasse gegenüber der Klägerin Kindergeld für T ab Februar 2007 festsetzte, hieß es unter anderem wörtlich: “Das Kindergeld wird weiterhin an T abgezweigt”.

 

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Mit Bescheid vom 20. August 2007 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Ablauf des Monats September 2007 auf, da T im September 2007 das 21. Lebensjahr vollendete. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

 

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T begann am 1. September 2008 eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Die Ausbildung sollte nach dem Ausbildungsvertrag voraussichtlich am 31. August 2011 enden.

 

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T beantragte bei der Familienkasse im September 2008 formlos Kindergeld. Die von der Familienkasse der Klägerin daraufhin übersandten Antragsvordrucke sandte T mit einem von ihr unterzeichneten Schreiben vom 3. November 2008 der Familienkasse zurück. Als Anschrift der Antragstellerin ist in dem von der Klägerin unterschriebenen Antrag die Adresse der T eingetragen. Ferner erhielt der Antrag die Eintragung, das Kindergeld solle nicht der Klägerin, sondern T gezahlt werden.

 

Die Klägerin legte gegen den vorgenannten Bescheid Einspruch ein. Zur Begründung trug sie insbesondere vor, sie sei weder verpflichtet noch wirtschaftlich in der Lage, das Kindergeld zurückzuzahlen. Sie habe seit längerer Zeit keinerlei Kontakt mehr zu T. Daher habe sie auch keinen Einfluss auf T und keine Kenntnisse über ihr Ausbildungsverhalten. Dementsprechend habe sie die Familienkasse angewiesen, das Kindergeld direkt T zu zahlen.

 

Begründung:

 

Entgegen der Auffassung des FG war die Klägerin verpflichtet, das T für die Zeit von November 2010 bis Januar 2011 gezahlte Kindergeld in Höhe von 552 EUR zurückzuzahlen.

 

  Der Rückzahlungsanspruch der Familienkasse ergibt sich aus § 37 Abs. 2 AO. Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld (§ 31 Satz 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO derjenige, dem gegenüber die Finanzbehörde oder Familienkasse ihre –vermeintlich oder tatsächlich bestehende– abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will. Demnach ist ein Dritter als tatsächlicher Empfänger einer Zahlung dann nicht Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO, wenn die Behörde u.a. aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigten einem Dritten zahlt. Denn auch in einem derartigen Fall erbringt die Finanzbehörde ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber zu erfüllen. Da der durch die Anweisung begünstigte Zahlungsempfänger den Zahlungsanspruch nicht aus eigenem Recht geltend machen kann und die Leistung mit dem Willen erbracht wird, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber mit befreiender Wirkung zu erfüllen, ist nicht der Empfänger der Zahlung, sondern der nach materiellem Steuerrecht Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigte als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen.

 

Diese Grundsätze gelten auch für das Kindergeld, da es nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt wird. Demnach ist nicht das Kind, sondern der Kindergeldberechtigte Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn die Familienkasse das Kindergeld auf Grund einer Zahlungsanweisung des Kindergeldberechtigten dem Kind zahlt. Im Streitfall ist das Kindergeld für den Streitzeitraum ohne Rechtsgrund gezahlt worden.

 

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Klägerin der Bewilligungsbescheid für die Zahlung des Kindergeldes ab September 2008 wirksam bekannt gegeben worden ist. Sofern der Bescheid der Klägerin als Kindergeldberechtigter nicht bekanntgegeben und damit nicht wirksam geworden sein sollte (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO), bestand für die Zahlung des Kindergeldes an T von Anfang an kein Rechtsgrund (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Sollte der Bewilligungsbescheid der Klägerin gegenüber wirksam geworden sein, so ist der Rechtsgrund durch die bestandskräftige Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Streitzeitraum später weggefallen (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

 

Mit der Angabe des Kontos ihrer Tochter im Kindergeldantrag hat die Klägerin der Familienkasse die Anweisung erteilt, das Kindergeld auf dieses Konto zu überweisen. Damit hat sie den Zahlungsweg veranlasst. Zudem erbrachte die Familienkasse mit der Befolgung der Anweisung ihre Leistung mit dem Willen, den Zahlungsanspruch der Klägerin als (vermeintliche) Kindergeldberechtigte zu erfüllen. Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin von der tatsächlichen Leistung an T Kenntnis hatte. § 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden auf Seiten des Leistungsempfängers voraus. Der Rückzahlungsanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn den Leistungsempfänger an der Fehlleistung kein Verschulden trifft bzw. wenn er diese nicht einmal erkannt hat.

 

Es ist zwar richtig, dass in Abzweigungsfällen der Dritte (Abzweigungsempfänger) und nicht der Kindergeldberechtigte gemäß § 37 Abs. 2 AO zur Erstattung verpflichtet ist. Eine Abzweigung bestand aber zum Zeitpunkt der Rückforderung nicht mehr. Mit der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung (Bescheid vom 20. August 2007) ab Oktober 2007 wurde auch die verfügte Abzweigung an T aufgehoben. Wird die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kindergeldberechtigten aufgehoben, so wird damit gleichzeitig die Abzweigung gegenstandslos bzw. wirkungslos, ohne dass es insoweit eines weiteren aufhebenden Verwaltungsakts bedarf. Daher kommt es entgegen der Ansicht des FG auch nicht darauf an, ob die Klägerin aus der –ihr möglicherweise nicht bekanntgegebenen– Festsetzung ab September 2008 hätte erkennen können, ob das Kindergeld weiterhin abgezweigt wird. Die Familienkasse war im Streitfall auch nicht verpflichtet, die Klägerin oder die T auf die Möglichkeit eines erneuten Abzweigungsantrags hinzuweisen. Der Senat kann insoweit dahinstehen lassen, welche Rechtsfolge eine etwaige Verletzung einer Hinweispflicht auslöst

 

Nach Auffassung des Senats musste es sich der Familienkasse auf Grund des im Mai 2007 gestellten Abzweigungsantrags nicht aufdrängen, dass eine Abzweigung auch mit dem Kindergeldantrag vom November 2008 für den Zeitraum ab September 2008 beantragt werden sollte. Insbesondere ging aus dem Antrag der Klägerin nicht hervor, dass die Klägerin ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht auch im Zeitpunkt der erneuten Antragstellung ganz oder teilweise nicht nachgekommen sei (§ 74 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder mangels Leistungsfähigkeit weniger Unterhalt schuldete als das in Betracht kommende Kindergeld (§ 74 Abs. 1 Satz 3 EStG). Ohne einen wenn auch nur formlos gestellten Abzweigungsantrag und Darlegung der für eine Abzweigung maßgeblichen Umstände erhält die Behörde keine Kenntnis von dem für eine Abzweigung entscheidungserheblichen Sachverhalt. Schon aus diesem Grund besteht daher auch keine Aufklärungs- oder Hinweispflicht der Familienkasse über die Möglichkeiten einer Abzweigung.

Rückforderung von aufgrund gefälschter Einfuhrnachweise gewährter Ausfuhrerstattung

In einem Rückforderungsverfahren trägt zwar grundsätzlich derjenige die Feststellungslast, der eine Rückzahlung verlangt. § 11 MOG erlegt jedoch die Feststellungslast auch nach Empfang einer Vergünstigung bis zum Ablauf des vierten Jahres, das dem Kalenderjahr der Gewährung folgt, dem Ausführer auf, soweit nicht der Verantwortungsbereich des HZA betroffen ist. In dessen Verantwortungsbereich fällt nicht, dass diesem nicht aufgrund betrügerischer Machenschaften des Ausführers oder seiner Geschäftspartner, für deren Auswahl und Tun jener verantwortlich ist, gefälschte Einfuhrnachweise vorgelegt werden oder dass Fälschungen sogleich erkannt werden.   

Ein Ausführer, der der Behörde gefälschte Dokumente vorgelegt hat, um von ihr Ausfuhrerstattung zu erhalten, wird vom Gemeinschaftsrecht gegenüber einer Rückforderung nicht dadurch geschützt, dass die Erstattung nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 zurückgefordert werden kann. Art. 20 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 ist keine die Rückforderung differenzierter Ausfuhrerstattung abschließend regelnde und deshalb Art. 52 VO Nr. 800/1999 verdrängende Vorschrift.

BFH Beschluss vom 23.10.2012, VII R 8/10

 

Bei Rückforderung von Kindergeld greift kein Vertrauensschutz

Die Weiterzahlung des Kindergeldes reicht selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht aus. Dem Verhalten der Familienkasse muss darüber hinaus die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergelds nicht zu rechnen braucht.

BFH Beschluss vom 06.02.2012 – VI B 147/11 (NV) BFHNV 2012 Seite 944

Begründung: In der Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht ausreicht. Hinzukommen müssen vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falls unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht, und ein anderer Eindruck bei dem Kindergeldempfänger nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen brauche.

Rückforderung berichtigter Vorsteuer gegenüber dem Zessionaer

Hat der Unternehmer einen Umsatzsteuervergütungsanspruch abgetreten und das Finanzamt den Vergütungsbetrag an den Zessionaer ausgezahlt, entsteht ein Rückzahlungsanspruch gegen den Zessionar, wenn und soweit der Vergütungsanspruch auf einem später gemäß § 17 UStG berichtigten Vorsteuerabzug beruhte.

Der Rückzahlungsanspruch setzt die Feststellung voraus, dass die Ereignisse, die gemäß § 17 UStG die Vorsteuerberichtigung erfordern, diejenigen Umsätze betreffen, auf deren Besteuerung der abgetretene Vergütungsanspruch beruhte. Verbleibt nach Abzug der berichtigten Vorsteuern in dem von der Zession betroffenen Voranmeldungszeitraum noch ein negativer Umsatzsteuerbetrag, so ist die Rückforderung in Höhe dieses Restbetrags nicht gerechtfertigt (Fortentwicklung der Rechtsprechung).

 BFH Urteil vom 27. Oktober 2009 VII R 4/08