Vergütungen eines Umzugsunternehmens für zurückgegebene Umzugskarton als Entgeltminderungen oder Entgelte für eigenständige Lieferungen

Vergütungen eines Umzugsunternehmens für zurückgegebene Umzugskarton werden als Entgelt für eine eigenständige Lieferung gesehen.

FG Berlin, Urteil vom 15.11.2006, 2 K 5450/03

Begründung:

Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Abnehmer der Kartons die wirtschaftliche Verfügungsmacht im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG erlangt und diese im Falle der Rückgabe gegen Erstattung von 2,00 DM/Stück im Wege der Rücklieferung an die Klägerin zurückübertragen haben. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat diese die Kartons den Abnehmern nicht im Wege sonstiger Leistungen zur Verfügung gestellt. Vielmehr hat sie damit Lieferungen an die Abnehmer ausgeführt.

Ausgehend von diesen Kriterien haben die Abnehmer der Kartons im Streitfall die wirtschaftliche Verfügungsmacht an den Kartons erlangt. Sie waren zur Rückgabe der Kartons gegen teilweise Rückvergütung des von ihnen gezahlten Kaufpreises lediglich berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Die Klägerin hatte weder die Absicht noch die Möglichkeit, nach Aushändigung der Kartons auf deren Schicksal Einfluss zu nehmen. Selbst wenn die Kunden bereits beim Erwerb der Kartons deren Rückgabe mit der Klägerin vereinbart und bei dieser angekündigt haben, waren sie doch völlig frei, insoweit ihre Meinung zu ändern. Die Klägerin hat die Rückvergütung auch nicht bereits bei Aushändigung der Kartons abgezogen. Dementsprechend hat der BFH auch in Fällen des Getränkepfandes, bei denen Warenumschließungen (dem Wortlaut nach) unter Eigentumsvorbehalt mit der Ware vertrieben wurden, die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Getränkelieferanten an den Warenumschließungen mangels faktischer Kontrollmöglichkeiten verneint.

In gleicher Weise wird auch für Pfandsysteme, die erst über mehrere Handelsstufen hinweg zur Rückführung so genannter Mehrwegsteigen für Obst und Gemüse führen, die Übertragung der Verfügungsmacht vom Erzeuger an den Großhändler usw. bejaht (Oberfinanzdirektion -OFD- Erfurt, Verfügung vom 20. Februar 2004, sis-Datenbank; OFD Düsseldorf, Verfügung vom 27. Juli 2005, Steuer-Erlass-Kartei -StEK-, UStG 1980, § 10 Abs. 1, 2/254; anderer Auffassung Weber, Zeitschrift für Umsatz- und Verkehrsteuern -UVR- 2003, 47). Auch die von der Klägerin zitierten UStR (Abschn. 149 Abs. 8) gehen grundsätzlich von der Übertragung der Verfügungsmacht, jedoch von anschließenden Rückgängigmachungen der Lieferungen aus. Nur unter den besonderen in Abschn. 149 Abs. 8 Satz 6 UStR vorliegenden Voraussetzungen, die im Streitfall nicht vorliegen, wird die Übertragung der Verfügungsmacht verneint.

Die Rückgängigmachung einer Lieferung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG ist anzunehmen, wenn der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Lieferungsempfänger den empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des Umsatzgeschäfts zurückgibt. Dagegen ist eine Rücklieferung gegeben, wenn die Beteiligten ein neues Umsatzgeschäft eingehen und der Empfänger der Hinlieferung dieses dadurch erfüllt, dass er dem ursprünglichen Lieferer die Verfügungsmacht an dem hingelieferten Gegenstand in Erwartung einer Gegenleistung überträgt. Dabei ist nicht die Sicht des ursprünglichen Lieferers, sondern die Sichtweise der ursprünglichen Lieferungsempfänger, hier also der Kunden der Klägerin, maßgebend,

Im Streitfall hatten die Kunden der Klägerin die freie Entscheidung, wie sie mit den Kartons verfahren wollten, also auch ob sie sie an die Klägerin zurückgeben wollten. Es gab insoweit keinerlei rechtliche Bindungen. Auch die tatsächlichen Verhältnisse sind im Regelfall nicht so, dass nur die Rückgabe an die Klägerin als einzig vernunftsgemäße Verhaltensweise erscheinen könnte. Denn wie bereits erläutert, ergeben sich auch über den Umzug hinaus, aus dessen Anlass die Kartons angeschafft wurden, Nutzungsmöglichkeiten für die Kartons. Sie mögen zwar im Einzelfall je nach Größenordnung der bezogenen Kartons fern liegen, jedoch erscheint es nicht sachgerecht, bei Massengeschäften für geringwertige Waren insoweit differenzierte Einzelbetrachtungen nach den persönlichen Verhältnissen bei den Kunden anzustellen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass in einer Reihe von Fällen eine Rückgabe ohnehin ausscheidet, insbesondere dann, wenn das Ziel des Umzugs außerhalb Berlins liegt. Denn die außerhalb Berlins liegenden Standorte sind umsatzsteuerlich und gesellschaftsrechtlich selbständige Gesellschaften. Im Ergebnis sind auch nach der Schätzung der Klägerin nur etwa die Hälfte der Kartons an sie zurückgelangt.

Schließlich spricht gegen die Annahme einer Rückgängigmachung des ursprünglichen Kaufvertrages auch, dass nicht das gesamte ursprünglich gezahlte Entgelt, sondern nur ein Teilbetrag erstattet wurde und dass die Klägerin im Regelfall nicht prüfte, ob derjenige, der ihr die Verfügungsmacht an den gebrauchten Kartons verschaffte, dieselbe Person war, die zuvor bei ihr die Kartons erworben hatte, oder von dieser zur Rückgabe legitimiert worden war.

Die Rückvergütungen für die gebrauchten Kartons stellen sich auch nicht als Entgeltminderungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für die ursprünglichen Kartonlieferungen dar, weil dies voraussetzen würde, dass die Rückvergütungen nicht zugleich Entgelt für eine eigenständige Leistung der Kunden der Klägerin sind. Im Streitfall erhält die Klägerin jedoch als Gegenleistung für die Rückvergütungen die gebrauchten Kartons, die sie ihrerseits mit einem Aufschlagsatz von 1,50 DM erneut veräußerte. Darin unterscheidet sich der Streitfall von anderen Fällen der Rückvergütung, in denen die Rechtsprechung von Entgeltminderungen ausgegangen ist. Ferner hat die Klägerin im Regelfall nicht geprüft, ob derjenige, an den sie die Vergütung für die Kartonrückgabe auszahlte, dieselbe Person war, die zuvor bei ihr die Kartons erworben hatte, oder von dieser zur Rückgabe legitimiert worden war.