Bewertung einer Immobilie (Mehrfamilienhaus) nach dem Sachwertverfahren für die Aufteilung Gebäude/Grundstück

Bei der Bewertung einer Immobilie (Mehrfamilienhaus) in einen Boden- und Hausanteils ist das  Sachwertverfahren und nicht das Ertragswertverfahren anzuwenden.

FG Düsseldorf 19.01.2016, 13 K 1496/13 E

Sachverhalt:

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks A in B. Dieses Grundstück hatte sie mit notariellem Kaufvertrag vom 18.4.2008 (mit Wirkung zum 1.9.2008) für einen Kaufpreis von 1.780.000 € angeschafft. Das Objekt verfügte über eine Grundfläche von ca. 512 m² und eine wohnwertabhängige Wohnfläche von ca. 458 m², die sich auf vier – allesamt vermietete – Wohnungen verteilte.

m Rahmen der Veranlagung für 2010 schaltete das FA den Bausachverständigen (künftig BSV) ein, um eine Berechnung der Aufteilung der Anschaffungskosten für das Grundstück vorzunehmen. Der BSV ermittelte einen Gebäudeanteil an den Gesamtanschaffungskosten von 58%. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass das vom FA angewendete Sachwertverfahren zu völlig unzutreffenden Ergebnissen führe. Die Aufteilung könne allein anhand der im Ertragswertverfahren ermittelten Verkehrswerte erfolgen.

Begründung:

Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 1.3.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.4.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Aufteilung der Gesamtanschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude ist anhand der im von der Gutachterin im Sachwertverfahren ermittelten (nicht marktangepassten) Verkehrswerte vorzunehmen. Im Ergebnis ist daher jedenfalls keine höhere AfA als vom FA angesetzt zu berücksichtigen.

Ist – wie im Streitfall – für ein bebautes Grundstück ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. In einem ersten Schritt sind die Verkehrswerte für den Grund und Boden und das Gebäude gesondert zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sind sodann die Gesamtanschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Verkehrswerte aufzuteilen.

Nach der Rechtsprechung des BFH kann dabei der Verkehrswert bei Mietwohngrundstücken grds. sowohl durch das Sachwert- wie auch das Ertragswertverfahren ermittelt werden. Bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen soll allerdings grundsätzlich eine Kaufpreisaufteilung anhand der im Sachwertverfahren festgestellten Verkehrswerte angebracht sein. Denn bei diesen Grundstücken sei regelmäßig davon auszugehen, dass für den Erwerb neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend. Allerdings bleibe es dem Steuerpflichtigen auch bei einer Ermittlung der Verkehrswerte im Sachwertverfahren unbenommen, durch ein im Ertragswertverfahren erstelltes Gutachten darzulegen, dass die Kaufpreisaufteilung im Sachwertverfahren wesentlich von der im Ertragswertverfahren abweiche. In diesem Fall obliegt es dem Finanzgericht, die Angemessenheit der im Sachwertverfahren ermittelten Werte zu überprüfen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze teilt der Senat im vorliegenden Fall die Auffassung des FA, dass für die Ermittlung der Verkehrswerte das Sachwertverfahren anzuwenden ist. Wie der BFH in seinem Beschluss vom 29.5.2008 IX R 36/06 (BFH/NV 2008, 1668) zutreffend ausgeführt hat, ist das Sachwertverfahren, wenn es nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt, als vorrangiges Bewertungsverfahren anzusehen. Im Streitfall besteht aus Sicht des Senats kein Grund dafür, von diesem Vorrangverhältnis abzuweichen.

Eine Abweichung von einer Ermittlung der Verkehrswerte im Sachwertverfahren ist aus Sicht des Senats nicht schon deshalb geboten, weil die Kläger nach ihrem eigenen Vortrag ihre Kaufentscheidung ausschließlich unter Renditegesichtspunkten getroffen und sich dabei auf Ertragswerte gestützt haben. Hierdurch wird das Argument des BFH, dass i.d.R. für den Erwerb eines Mietwohngrundstücks neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend ist, nicht widerlegt.

Im Streitfall ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des Sachwertverfahrens zu einem unangemessenen Ergebnis führt. Zwar haben die Kläger mit Recht darauf hingewiesen, dass in ihrem Fall bei der Anwendung des Sachwertverfahrens ein außergewöhnlich hoher Marktanpassungsfaktor angewendet werden muss, um zum endgültigen Sachwert zu gelangen. Insoweit hat die Gutachterin in ihrem Anschreiben zum Gutachten aber ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass auch der Ansatz eines derart hohen Marktanpassungsfaktors zu keinem unangemessenen Ergebnis führt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Der Senat sieht diesen Umstand – in Übereinstimmung mit der Gutachterin … – als systemimmanent an. Wie die Gutachterin auf Seite 5 ihres Begleitschreibens zum Gutachten vom 28.10.2015 überzeugend dargelegt hat, wird im Ertragswertverfahren die Marktanpassung ausschließlich auf den Gebäudewertanteil verschoben. Im Sachwertverfahren wird dagegen sowohl beim Grund und Boden als auch beim Gebäude berücksichtigt, dass ein Marktteilnehmer bereit ist, für ein bebautes Grundstück in einer – wie im Streitfall – exponierten Lage deutlich höhere Kaufpreisanteile für den Grund und Boden und das Gebäude zu bezahlen. Der hohe Marktanpassungsfaktor wird deshalb erforderlich, weil in einem solchen Fall der Verkehrswert des Grundstücks über dem Substanzwert des Gebäudes, der Außenanlagen und des (fiktiv) unbebauten Grundstücks liegt.