Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung an Presseunternehmen verfassungsgemäß

Ein Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung, das an ein Presseunternehmen wegen Übermittlung von Personen- und Auftragsdaten zu Anzeigenauftraggebern einer bestimmten Anzeigenrubrik gerichtet ist, kann auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn relativ wenige Anzeigen von dem Auskunftsersuchen betroffen und die Anzeigen nicht bedeutsam für die öffentliche Meinungsbildung sind.

Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, bedarf einer besonderen Begründung der Ermessensentscheidung.

Wird ein Auskunftsersuchen während des Klageverfahrens geändert, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Bescheids abzustellen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.5.2016, II R 17/14

Begründung:

Die Steuerfahndung darf von einem Zeitungsverlag die Übermittlung von Personen- und Auftragsdaten zu den Auftraggebern einer bestimmten Anzeigenrubrik verlangen. In seinem Urteil vom 12. Mai 2016 II R 17/14 sieht der Bundesfinanzhof (BFH) hierin keinen Verstoß gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes –GG–).

Im Streitfall richtete die Steuerfahndungsstelle eines Finanzamts (FA) an die Herausgeberin einer Tageszeitung und eines Anzeigenblatts ein Auskunftsersuchen. Das FA verlangte für einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren die Übermittlung von Namen und Adressen sämtlicher Auftraggeber von Anzeigen der Rubrik “Kontakte”, in denen sexuelle Dienstleistungen beworben wurden. Das FA begründete sein Auskunftsersuchen u.a. mit einem vom Bundesrechnungshof beanstandeten Vollzugsdefizit bei der Besteuerung der im Rotlichtmilieu tätigen Betriebe und Personen. Das Finanzgericht (FG) sah darin eine ausreichende Begründung für das Auskunftsersuchen und wies die Klage ab.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Danach kann ein Sammelauskunftsersuchen an ein Presseunternehmen rechtmäßig sein. Zwar umfasst der Schutzbereich der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der “allgemeinen Gesetze” i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Von der Pressefreiheit geschützt sind danach nur solche Anzeigen, die für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsam sind oder der Kontrollfunktion der Presse dienen. Bei den streitgegenständlichen Anzeigen war dies nicht der Fall. Allein die wirtschaftliche Bedeutung der Anzeigen für das Presseerzeugnis führte ebenfalls nicht zur Unvereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, da nur relativ wenige Anzeigen von dem Auskunftsersuchen betroffen waren.

Einschränkungen bestehen aber für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen. Diese bedürfen einer besonderen Begründung der Ermessensentscheidung. Zudem muss zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ein besonderes Ermittlungsbedürfnis bestehen.

Kein Verweigerungsrecht wegen privatrechtlich vereinbarter Geheimhaltung

Die Beantwortung eines Sammelauskunftsersuchens der Steuerfahndung zu Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform kann nicht wegen einer privatrechtlich vereinbarten Geheimhaltung dieser Daten abgelehnt werden.

BFH Urteil vom 16.5.2013, II R 15/12

Begründung:

Die Antwort auf ein Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung kann nicht mit der Begründung verweigert werden, die Geheimhaltung der Daten sei privatrechtlich vereinbart worden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16. Mai 2013 (II R 15/12) entschieden.

Im Streitfall ging es dem Finanzamt darum zu erfahren, welche Nutzer Verkaufserlöse von mehr als 17.500 Euro pro Jahr über eine Internethandelsplattform erzielt hatten. Name und Anschrift der Händler sollten ebenso angegeben werden wie deren Bankverbindung. Außerdem sollte eine Aufstellung der einzelnen Verkäufe vorgelegt werden. Ab einem Umsatz von mehr als 17.500 Euro pro Jahr ist Umsatzsteuer zu entrichten.

Das Sammelauskunftsverlangen war gerichtet an die deutsche Schwestergesellschaft eines in Luxemburg ansässigen Betreibers einer Internethandelsplattform. Die in Deutschland ansässige GmbH hatte die Internethandelsplattform früher selbst betrieben. Nach der Übertragung des Geschäfts auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft hatte sie sich dazu verpflichtet, umfangreiche Datenverarbeitungsleistungen für diese auf der Grundlage luxemburgischen Rechts zu erbringen. Außerdem hatte sie sich verpflichtet, die von ihr zu verarbeitenden Daten nicht an Dritte weiterzugeben.

Vor Gericht argumentierte die Klägerin, sie könne die von ihr verlangten Auskünfte nicht erteilen, da sie hierzu nach den für sie bindenden Weisungen ihrer Schwestergesellschaft nicht befugt sei. Sie könne ihre Schwestergesellschaft auch nicht dazu bringen, der Datenherausgabe zuzustimmen. Die Daten stünden ihr auch tatsächlich nicht zur Verfügung, da sie auf Servern im Ausland gespeichert seien, die ihr weder gehörten noch von ihr verwaltet oder gepflegt würden.

Das Finanzgericht (FG) hat daraufhin der Klage stattgegeben und das Sammelauskunftsersuchen aufgehoben, da der Klägerin die Erteilung der Auskunft in tatsächlicher Hinsicht unmöglich sei. Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Das FG hat – wie sich aus der Begründung des Urteils ergibt – keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, dass der Klägerin der Zugriff auf die Daten aus technischen Gründen unmöglich ist. Dass die Datenserver im Ausland stehen, steht dem Zugriff auf die Daten nicht entgegen. An die tatsächliche Würdigung des FG war der BFH deshalb nicht gebunden. Das FG hat vielmehr entscheidend darauf abgestellt, dass sich die Klägerin gegenüber ihrer Schwestergesellschaft zur Geheimhaltung der Daten verpflichtet hatte. Die darin liegende rechtliche Wertung hat der BFH verworfen. Die privatrechtlich vereinbarte Geheimhaltung kann der öffentlich-rechtlichen Auskunftspflicht nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden. Das Urteil des FG konnte deshalb keinen Bestand haben.

Das FG muss nun feststellen, ob die Klägerin tatsächlich auf die fraglichen Daten zugreifen kann. Der BFH hat dem FG außerdem umfangreiche Hinweise für die weitere Bearbeitung des Falles erteilt.

 

Sammelauskunftsersuchen zu Internetverkäufen

Das Niedersächsische Finanzgericht gab der Klage gegen das Auskunftsersuchen statt, weil es der Klägerin nach Auffassung des erkennenden Senates nicht möglich ist, die ersuchten Auskünfte zu erteilen.

Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 23.02.2012 (Az. 5 K 397/10)

Begründung:

Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass die website mit der darauf eingerichteten Internethandelsplattform in den Jahren 2007 bis 2009 nicht von der Klägerin, sondern ihrer luxemburgischen Muttergesellschaft betrieben und das Drittanbietergeschäft über diesen Internetmarktplatz von einer luxemburgischen Schwestergesellschaft abgewickelt wurde. Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, erbrachte gegenüber Mutter- und Schwestergesellschaft eine Vielzahl von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Internethandelsplattform.

Die Auskunftsrechte der Finanzbehörden unterliegen nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen: Die verlangte Auskunft muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein. Eine Auskunft über den Inhalt elektronisch gespeicherter personenbezogener Daten – um die es im Streitfall ging – ist nach Auffassung des 5. Senates des NFG möglich, wenn der um Auskunft Ersuchte tatsächlich über die Speichermedien, auf denen die personenbezogenen Daten gespeichert sind, verfügen kann oder wenn er gegen den Verfügungsberechtigten einen rechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Daten oder jedenfalls eine entsprechende Auskunft hat.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist der Klägerin die Erteilung der ersuchten Auskünfte nicht möglich. In tatsächlicher Hinsicht ist die Auskunft unmöglich, weil die Klägerin nach den Feststellungen des Finanzgerichts mangels Zugriffsberechtigung über keinen eigenen Zugriff auf die im Ausland befindlichen Server verfügt, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert sind.

Einen rechtlichen Anspruch gegen die Schwestergesellschaft als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts auf Herausgabe der Daten, Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien hat die Klägerin nicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich nach Auffassung des Gerichts weder aus dem zwischen ihnen geschlossen Datenverarbeitungsvertrag noch aus dem Umstand, dass es sich bei der Betreiberin des Drittanbietergeschäfts um eine ausländische Schwestergesellschaft der Klägerin handelt. Konkrete gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten der Klägerin konnte das Finanzgericht nicht feststellen. Allein der Umstand, dass die Klägerin und die luxemburgische Schwestergesellschaft Teil eines Konzerns sind, begründet keine solchen Einflussmöglichkeiten. Insofern bezog sich das NFG auf einen Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.5.2001 (Az. I S 3/01, BFH/NV 2001, 957).

 

Sammelauskunftsersuchen an eine Bank wegen der Ausgabe von Bonusaktien der Telekom in den Jahren 2000 und 2002 sind unzulässig

Die allgemeine, nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen nicht erklärt werden, genügt nicht, um Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr der Darlegung einer über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehenden, erhöhten Wahrscheinlichkeit, unbekannte Steuerfälle zu entdecken.

 Sind die durch den Bezug von Bonusaktien der Deutschen Telekom AG erzielten Einkünfte in der von der Bank ihren Kunden übersandten Erträgnisaufstellung nicht erfasst worden, die Kunden aber durch ein Anschreiben klar und unmissverständlich dahin informiert worden, dass diese Einkünfte nach Auffassung der Finanzverwaltung einkommensteuerpflichtig sind, stellt dies keine für eine Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung dar, die etwa mehr als bei Kapitaleinkünften aus bei Banken gehaltenen Wertpapierdepots sonst dazu herausfordert, solche Einkünfte dem Finanzamt zu verschweigen.

 BFH Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16. Januar 2009 (Az. VII R 25/08) ein an eine Bank gerichtetes Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung für unzulässig erklärt. Das Ersuchen betraf die Ausgabe von sog. Bonusaktien (Treueaktien), die den Inhabern der Aktien der Deutschen Telekom AG im Jahr 2000 bei Erfüllung einer bestimmten Haltefrist zugeteilt worden waren. Deren Bezug führt nach dem Urteil des BFH vom 7. Dezember 2004 VIII R 70/02 zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften. Auch eine weitere Zuteilung von Treueaktien, die im Jahr 2002 vorgenommen wurde, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung einkommensteuerpflichtig. Um die ordnungsgemäße Versteuerung dieser Einkünfte zu überprüfen, hat die Fahndungsstelle eines Finanzamts (FA), nachdem sie bei einem Kunden eines Kreditinstituts festgestellt hatte, dass dieser Einkünfte aus fünf Treueaktien nicht in seiner Steuererklärung angegeben hatte, an dieses Kreditinstitut ein Sammelauskunftsersuchen gerichtet; sie möchte wissen, welchen Kunden in welcher Zahl Treueaktien zugeteilt worden sind. Auf die Klage der betreffenden Bank hatte jedoch das Finanzgericht dieses Ersuchen aufgehoben. Der BFH hat mit Urteil vom 16. Januar 2009 die dagegen von der Finanzverwaltung eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung seien nicht schon dann zulässig, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Steuern nicht selten verkürzt und insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erklärt werden, das Auskunftsersuchen möglicherweise zur Aufdeckung bisher unbekannter Steuerfälle führen könnte. Es bedürfe vielmehr eines hinreichenden Anlasses für die Prognose, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, unbekannte Steuerfälle zu entdecken.

Im Streitfall falle ins Gewicht, dass die Kunden bei der Übersendung der Erträgnisaufstellung von ihrer Bank klar und unmissverständlich auf die (mutmaßliche) Einkommensteuerpflichtigkeit des Aktienbezugs hingewiesen worden seien und überdies wegen Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist eine Steuernacherhebung ohnehin nur in Fällen der vorsätzlichen Steuerhinterziehung in Betracht käme. Es gebe aber keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Prognose, dass Einkünfte aus dem Bezug der Treueaktien gerade von Kunden dieser Bank hinterzogen worden seien. Die Handhabung der Bank, die Bonusaktien in der Erträgnisaufstellung nicht zu berücksichtigen und nur in dem Anschreiben auf eine mögliche Einkommensteuerpflicht hinzuweisen, stelle auch keine für eine Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung dar, die etwa mehr als bei Kapitaleinkünften aus bei Banken gehaltenen Wertpapierdepots sonst dazu herausfordert, solche Einkünfte dem FA zu verschweigen.