Fiktive Säumnis kann Folge einer Scheckeinreichung sein

Die AO regelt generalisierend, wann eine durch Scheckeinreichung bewirkte Zahlung als entrichtet anzusehen ist; sie nimmt in Kauf, dass eine Zahlung mitunter als nicht entrichtet anzusehen ist, obwohl die Finanzbehörde bereits über den Zahlbetrag verfügen kann.

BFH Urteil vom 28.8.2012, VII R 71/11

Begründung (BFH):

Löst das Finanzamt einen Scheck so rechtzeitig ein, dass der Zahlbetrag dem Konto des Finanzamts noch innerhalb der Zahlungsfrist gutgeschrieben wird, kann trotzdem eine Säumnis vorliegen. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28. August 2012 VII R 71/11 entschieden.

Werden Steuern nicht pünktlich bezahlt, erhebt das Finanzamt einen Säumniszuschlag von 1 % für jeden angefangenen Monat, und zwar auch dann, wenn die Zahlung nur um einen oder zwei Tage verspätet eingeht. Wann eine Steuer als "bezahlt" anzusehen ist, regelt die Abgabenordnung. Übergibt der Steuerpflichtige dem Finanzamt einen Bankscheck, gilt die Steuer erst am dritten Tag nach Eingang des Schecks beim Finanzamt als bezahlt. Das gilt auch dann, wenn die Bank dem Finanzamt den Steuerbetrag bereits am nächsten oder übernächsten Tag gutschreibt, der Scheck also schneller als von der Abgabenordnung (typisierend) unterstellt eingelöst wird. Auch in diesem Fall darf ein Säumniszuschlag erhoben werden.

Die Drei-Tage-Regel soll das Verwaltungsverfahren vereinfachen (das Finanzamt muss den Zahlungseingang nicht im Einzelfall ermitteln). Auch wenn aufgrund programmgesteuerter elektronischer Datenverarbeitung der tatsächliche Zahlungseingang erfasst werden könnte, ist die Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Steuerpflichtige kann die Gefahr des Entstehens von Säumniszuschlägen ohne weiteres durch eine rechtzeitige Scheckeinreichung ausschließen.

Der Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem sich der Steuerpflichtige dagegen wehrte, dass das Finanzamt gegen ihn einen Säumniszuschlag von 8,50 € festgesetzt hatte, obwohl die Bank den von ihm übersandten Scheck am Fälligkeitstag der Steuer eingelöst hatte, das Finanzamt also am Fälligkeitstag über den Zahlbetrag bereits verfügen konnte.

 

 

Erlass von Säumniszuschlägen

Säumniszuschläge sind in der Regel zur Hälfte zu erlassen, wenn ihre Funktion als Druckmittel ihren Sinn verliert (ständige Rechtsprechung).

Die gesetzgeberische Entscheidung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977, dass Säumniszuschläge nicht akzessorisch zur Hauptschuld sind, ist auch dann zu beachten, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung nach Konkurseröffnung ersatzlos aufgehoben wird, ohne dass der Steuerpflichtige Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 30.3.2006, V R 2/04

Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird..

Ein Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen ist geboten, wenn ihre Einziehung im Einzelfall, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Säumniszuschläge, nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil die Erhebung –obwohl der Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand erfüllt– den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Säumniszuschläge ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen.

Obwohl der Säumniszuschlag nach § 3 Abs. 4 AO eine steuerliche Nebenleistung ist, bleiben Änderungen der Bemessungsgrundlage unberücksichtigt. Maßgebend ist allein die Höhe der festgesetzten (bzw. angemeldeten) Steuer, die bei Fälligkeit nicht erfüllt worden ist. Nachträgliche Erhöhungen der Bemessungsgrundlage bleiben deshalb genauso unberücksichtigt wie deren nachträgliche Ermäßigung (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO). Der Gesetzgeber hat mit der ausdrücklichen Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bewusst in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge auch dann zu entrichten sind, wenn sich die Steuerfestsetzung später als unrechtmäßig erweist.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Regelung vor allem deswegen bestätigt, weil dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen durch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Steuerfestsetzung selbst hinreichend Genüge getan ist (möglicher Antrag auf„Aussetzung der Vollziehung“) (BVerfG-Beschluss vom 30. Januar 1986 2 BvR 1336/85,). Deshalb kommt ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht allein deshalb in Betracht, weil die Steuerfestsetzung zu Gunsten des Steuerpflichtigen herabgesetzt worden ist oder möglicherweise geändert werden wird. Die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerfestsetzungen hat der Kläger nicht beantragt..

Sachlich unbillig ist die Erhebung von Säumniszuschlägen jedoch dann, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 203, 8, BStBl II 2003, 901,).

Weil Säumniszuschläge auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands dienen, kommt regelmäßig nur ein Teilerlass in Betracht, wenn sie ihren Zweck als Druckmittel verfehlen.

Sie sind dann nur zur Hälfte zu erlassen, denn ein Säumiger soll grundsätzlich nicht besser stehen als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung oder Stundung gewährt wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. April 1999 VII B 347/98, BFH/NV 1999, 1440; BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 V R 13/98, BFH/NV 1999, 10).

Auch bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist ein weiter gehender Erlass der Säumniszuschläge möglich (z.B. BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 XI R 32/96, BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7; BFH-Beschluss vom 4. Januar 1996 VII B 209/95, BFH/NV 1996, 526). Insofern bedarf es aber zusätzlicher besonderer Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit.

Persönliche Billigkeitsgründe sind in der Revisionsbegründung weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Zwar kann die Erhebung von Säumniszuschlägen unbillig sein, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit in Bezug auf die Hauptforderung ein Erlass oder ein Verzicht auf Stundungszinsen gerechtfertigt gewesen wäre; eine solche Situation kann gegeben sein, wenn durch die Erhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichtet oder ernstlich gefährdet würde (BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161,).

Ist aber bereits Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eingetreten, greifen diese Gesichtspunkte nicht mehr ein, weil ein Erlass nicht mehr mit einem wirtschaftlichen Vorteil des Steuerpflichtigen verbunden wäre (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1440).

Auch sachliche Billigkeitsgründe liegen nicht vor. Der säumige Gemeinschuldner darf nach den o.g. Grundsätzen nicht besser gestellt werden als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO ) oder Stundung (§ 222 AO ) gewährt wurde.