Leistungsaustausch oder Schadensersatz

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.

Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen sind grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden einzustehen hat.

Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Deshalb sind bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages die Voraussetzungen eines Leistungsaustausches regelmäßig erfüllt.

Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher Grundlage oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet.

BFH Urteil vom 16.01.2014-VR 22/13 BFHNV 2014 S. 736 ff

Begründung:

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen. In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung.

Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist.

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu. Deshalb kommt es –entgegen der Auffassung des FG– auf die Frage, ob nach deutschem Zivilrecht objektive oder subjektive Unmöglichkeit der ursprünglich geschuldeten Leistung vorliegt und ob die Zahlung zivilrechtlich als Schadensersatz bezeichnet wird, nicht an.

Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet. Auch der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, ist gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG eine sonstige Leistung.

Dem steht auch nicht das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007  entgegen. Darin hat der EuGH entschieden, dass das Angeld bei Reservierung einer Beherbergungsleistung keine Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung, sondern eine Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens darstellt. Das Angeld soll ein Zeichen für den Abschluss des Beherbergungsvertrages, ein Anreiz für seine Erfüllung und eine pauschalierte Entschädigung sein. An einer eigenständigen bestimmbaren Gegenleistung fehlt es, weil der Hotelier nur seinen sich aus dem Beherbergungsvertrag ergebenden Pflichten nachkommt und keine weitere Dienstleistung erbringt, mit der das Angeld in unmittelbarem Zusammenhang stehen könnte. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

Inrechnungstellung einer Schadensersatzforderung unter gesondertem Steuerausweis

Stellt der Steuerpflichtige eine Schadensersatzforderung unter gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung, schuldet er die ausgewiesene Steuer selbst dann, wenn es sich um einen echten, nicht steuerbaren Schadensersatz handelt.

Es ist bereits geklärt, dass ein Unternehmer auf die Steuerfreiheit einer Leistung gemäß § 9 Abs. 1 UStG dadurch verzichten kann, indem er gegenüber dem Leistungsempfänger unter gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer abrechnet.

BFH Beschluss vom 21.09.2011 – XI B 24/11 BFHNV 2012 S. 277

Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann ein Unternehmer auf die Steuerbefreiung dadurch verzichten, dass er in seiner Rechnung über die Leistungen gegenüber dem Leistungsempfänger mit einem gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer abrechnet.

Soweit die Klägerin meint, das FG habe die Erteilung einer Rechnung an einen außerhalb des Leistungsaustausches stehenden Dritten als Option nach § 9 UStG gewertet und ferner bei der Beurteilung, ob die Zahlung als Schadensersatz zu werten sei, fast ausschließlich auf die Bezeichnung der Vereinbarung vom Februar 1996 abgestellt, trifft dies nicht zu. Vielmehr hat das FG den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass in der Rechnung vom Juni 1997 die Vermieterin als Leistungsempfängerin hinreichend bestimmt worden sei. Es hat weiter –entgegen der Klägerin– auf die inhaltliche Regelung der Vereinbarung vom Februar 1996 abgestellt, um in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH steuerbaren Leistungsaustausch von nicht steuerbarer Entschädigung zutreffend danach abzugrenzen, ob zwischen Entgelt und Leistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dabei wertet es die Überschrift dieser Vereinbarung allenfalls als ein Indiz für das gefundene Ergebnis.

Das FG geht außerdem zu Recht davon aus, dass der leistende Unternehmer die dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bis zur Rechnungsberichtigung selbst dann schuldet, wenn der rückgängig gemachte Verzicht auf die Steuerbefreiung auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurückwirkt und die Steuerpflicht daher nicht mehr besteht.

Einbehaltene Zahlungen für nicht erbrachte Leistungen umsatzsteuerpflichtig

Vereinnahmt der Unternehmer das vereinbarte Entgelt, ohne die geschuldete Leistung zu erbringen, setzt die Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Rückzahlung des Entgelts voraus. Dies gilt auch, wenn eine Fluggesellschaft bei nicht in Anspruch genommenen Flügen den Flugpreis nicht erstattet.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.9.2011, V R 36/09

Erläuterung:

Mit Urteil vom 15. September 2011 V R 36/09 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass von einem Unternehmer vereinnahmte Entgelte auch dann der Umsatzbesteuerung unterliegen, wenn der Unternehmer die geschuldete Leistung nicht erbringt, das Entgelt aber gleichwohl behalten darf.

Der Fall betraf eine Fluggesellschaft, die Flugbeförderungen im In- und Ausland anbietet. Kunden konnten Flüge zu ermäßigten Preisen, aber ohne Umbuchungsmöglichkeit buchen. Erschien der Fluggast zum vorgesehenen Flug nicht, war die Fluggesellschaft nach den Vertragsbestimmungen berechtigt, das Beförderungsentgelt einzubehalten.

Bei Inlandsflügen, so der BFH, erfüllt bereits die Vereinnahmung des Entgelts den Besteuerungstatbestand. Er entfällt erst wieder, wenn das Entgelt an den Kunden erstattet wird. Da Rückzahlungen nach den Vertragsbedingungen der Fluggesellschaft im Streitfall nicht vorgesehen waren, hatte die Fluggesellschaft die vereinnahmten Entgelte trotz unterbliebener Inanspruchnahme der Beförderungsleistung zu versteuern. Ob die Fluggesellschaft gegenüber den nicht erschienenen Fluggästen eine Leistung erbracht hatte, ließ der BFH unentschieden.

Bei Auslandsflügen kommt es darauf an, ob hierfür Umsatzsteuer erhoben wird. Ist das nicht der Fall, so ist auch das Entgelt für einen nicht in Anspruch genommenen Flug nicht steuerpflichtig. Hierzu waren im Streitfall noch weitere Feststellungen zu treffen. Diese wird das Finanzgericht nachholen müssen.

Ob das Urteil auch auf andere Fallgestaltungen wie z.B. Stornokosten bei Hotelbuchungen anzuwenden ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

 

 

Abgrenzung Schadenersatz zum Leistungsaustausch

Wird ein Anwaltshonorar großen Umfangs wegen Zahlungsschwierigkeiten des Mandanten durch eine lebenslange Rente ersetzt, liegt ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung vor, wenn ein anderer Grund als die Erbringung der Beratungsleistung für die Einräumung des Rentenstammrechts nicht ersichtlich ist und es sich somit lediglich um die modifizierte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit handelt.

Unerheblich ist, ob die Einräumung des Rentenstammrechts nach nationalem Zivilrecht als Schadensersatz zu beurteilen wäre.

BFH Beschluss vom 17.05.2011 – VB 73/10 BFH NV 2011 S. 1544 f

Begründung:

Aus dem Tatbestand ergibt sich, dass es den Vortrag der Klägerin, wonach es sich bei den Rentenzahlungen um nicht steuerbaren Schadensersatz handeln soll, weil durch den aufgehobenen Honoraranspruch Rechtsanwalt N wegen fehlender Geldmittel am Aufbau seiner Altersversorgung gehindert sei und die Einräumung des Rentenstammrechts der Beseitigung eines Schadens diene, zur Kenntnis genommen, jedoch gleichwohl den für die Steuerbarkeit einer Leistung erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bejaht hat, weil ein anderer Rechtsgrund als die Erbringung der Beratungsleistung für die Einräumung eines Rentenstammrechts nicht ersichtlich sei und keine Schadensersatzpflicht bestehe.

Haftung des GmbH Geschäftsführers für Lohnsteuer

Die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden richtet sich wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie.

Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag.

Die Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ist dem Geschäftsführer nach § 34 Abs. 1 AO, § 41a EStG nicht allein zur Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls auferlegt, sondern soll auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit sicherstellen.

Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer pflichtwidrig verspäteten Lohnsteuerzahlung und dem eingetretenen Schaden (Steuerausfall) ergibt sich daraus, dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zur fristgemäßen Lohnsteuerabführung erfasst wird.

BFH Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08

Begründung:
Der Geschäftsführer hatte in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO die Pflicht zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der im Haftungszeitraum von der GmbH angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger für die Monate April bis Juni 2003 zwar fristgerecht Lohnsteueranmeldungen abgegeben, zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt aber die angemeldeten Beträge nicht entrichtet. Die in der nicht fristgerechten Entrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf.

Hätte der Kläger die angemeldeten Lohnsteuern bis spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer für Juni 2003 (nach den unbestrittenen Angaben des FA am 15. Juli 2003) gezahlt, wäre es nicht zu dem Steuerausfall beim Fiskus gekommen, denn der Dreimonatszeitraum vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung, in dem nach § 130 Abs. 1 InsO Zahlungen des Schuldners anfechtbar sind (Anfechtungszeitraum), begann erst am 22. Juli 2003.

Abgrenzung von Vorfälligkeitsentschädigungen

Eine Vergütung, die der Kreditgeber für seine Bereitschaft zu einer für ihn nachteiligen Änderung der Vertragskonditionen vom Kreditnehmer vereinnahmt hat, ist in der Bilanz des Kreditgebers nicht passiv abzugrenzen .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 7.3.2007, I R 18/06

Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit “nach diesem Zeitpunkt” darstellt, muss darüber hinaus seitens des Kaufmanns eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen.

Nach diesen Grundsätzen berechtigte die vor dem Bilanzstichtag erfolgte Vereinnahmung der streitbefangenen Vergütungen nicht zur Bildung von passiven RAP. Erhält die Bank im Fall der vorzeitigen Beendigung eines Darlehensverhältnisses vom Darlehensnehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung, handelt es sich hierbei wirtschaftlich um eine Leistung, die den Schaden ausgleichen soll, der der Bank durch die vorzeitige Vertragsbeendigung entsteht Derartige Entschädigungen sind kein Entgelt für eine vom Empfänger noch zu erbringende Gegenleistung, sondern für eine einmalige, vor dem jeweiligen Stichtag durch Aufhebungsvertrag (Verzicht) bereits vollzogene Leistung.

Schadenersatz bei Aufhebung von Arbeitsverhältnissen

Schadensersatz, der einem Steuerpflichtigen infolge einer schuldhaft verweigerten Wiedereinstellung zufließt, ist eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die bei zusammengeballtem Zufluss tarifbegünstigt zu besteuern ist.

BFH Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 46/04