Schätzung von Lebensmittelentnahmen grundsätzlich anhand der Richtsatzsammlung

Ist die Summe der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben zum vollen Steuersatz höher als die der Leistungsbezüge des Unternehmens zum vollen Steuersatz, rechtfertigt dies eine abweichende Schätzung.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 09.01.2014, 16 K 164/13

Begründung:

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in den Steuererklärungen, die die Klägerin für die Streitjahre einreichte, zunächst keinerlei Umsätze aus Lebensmittelentnahmen aus dem Unternehmen der Klägerin für die Gesellschafter und deren Familien enthalten waren. Der Steuertatbestand des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG war hingegen dem Grunde nach erfüllt. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Werden aber Entnahmen aus dem Unternehmen für außerunternehmerische Zwecke getätigt und diesbezügliche Aufzeichnungen entgegen der Vorgabe des § 22 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht gemacht, so besteht insoweit dem Grunde nach die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde nach § 162 Abgabenordnung (AO).

Von dieser Befugnis hat der Beklagte durch Anwendung der Pauschbeträge aus der Richtsatzsammlung Gebrauch gemacht. Nach Auffassung des Senats durfte der Beklagte aber die Werte der Richtsatzsammlung nicht vollständig unverändert anwenden. Die Klägerin hat überprüfbar dargelegt, dass ihre eigenen Leistungsbezüge zum Regelsteuersatz insgesamt niedriger waren, als die vom Beklagen im Wege der Schätzung angenommene Bemessungsgrundlage der Leistungsentnahmen zum Regelsteuersatz. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es Sachverhalte geben kann, bei denen Leistungsbezüge, die zum ermäßigten Steuersatz erfolgt sind, in Umsätze einfließen, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Aber auch Derartiges ist im Streitfall nicht ersichtlich. Denn auch gegenüber Dritten hat die Klägerin in den Streitjahren nur geringste Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Derartige Umsätze machen für 2010 weniger als 2 v.H. des Gesamtumsatzes der Klägerin aus.

Danach ergibt sich, dass die unbesehene Übernahme der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben nach der sog. Richtsatzsammlung im Streitfall nicht erfolgen kann ohne damit gegen § 162 Abs. 1 AO zu verstoßen. Denn die Klägerin hat dargetan, dass die Wertabgaben zum Regelsteuersatz in den Streitjahren niedriger gewesen sein müssen, als sich dies aus der Richtsatzsammlung ergibt. Nicht hingegen hat die Klägerin dargetan, dass die Sachentnahmen insgesamt pro Jahr geringer gewesen wären, als es die Richtsatzsammlung aufzeigt. Deshalb hält es das Gericht für sachgerecht den jeweiligen Jahreswert der Sachentnahmen durch die Gesellschafter/Geschäftsführer insgesamt weiter nach den Werten der Richtsatzsammlung anzusetzen. Es gibt im Streitfall keine Anhaltspunkte, weshalb angenommen werden könnte, dass der Jahresgesamtwert der Sachentnahmen bei der Klägerin geringer ausgefallen wäre, als bei anderen Fleischereibetrieben.