Schätzung der Besteuerungsgrundlagen

Voraussetzung einer Schätzung ist die Gewissheit, dass überhaupt ein steuerlich bedeutsamer Sachverhalt vorliegt. Bestehen daran Zweifel, können diese nicht im Wege einer Schätzung behoben werden.

BFH Beschluss vom 10.02.2015-VB 87/14 BFH/NV 2015, 662

Sachverhalt

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine am 11. Juli 2008 gegründete Kapitalgesellschaft britischen Rechts in der Rechtsform einer Private Company Limited by Shares (C-Ltd.). Für das Streitjahr 2008 gab sie trotz Aufforderung weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch eine Jahressteuererklärung ab.

Hierauf schätzte das Finanzamt durch den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 8. November 2012 die Besteuerungsgrundlagen und gab diesen Herrn X als Direktor der C-Ltd. bekannt. Ihren dagegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass sie in 2008 keine Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unterhalten und dort auch keine Geschäftstätigkeit entfaltet habe.

Entscheidungen

Die Klägerin hat nicht nur im Einspruchsverfahren, sondern auch im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht, sie habe in 2008 weder eine Niederlassung unterhalten noch eine Geschäftstätigkeit im Inland entfaltet; dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem vorgelegten Jahresabschluss 2009. Die Berücksichtigung dieses übergangengen Sachvortrags führt –auch nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG– zu einer anderen, der Klägerin günstigen Entscheidung.

Das Urteil des FG enthält keinerlei Ausführungen zu diesem Vorbringen, sodass offen bleibt, aufgrund welcher Tatsachen es davon ausgeht, dass die Klägerin im Streitjahr 2008 tatsächlich eine Geschäftstätigkeit im Inland ausgeübt und hieraus umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt hat.

Die C-Ltd. wurde zwar unstrittig am 11. Juli 2008 gegründet, hieraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass sie ihre Geschäftstätigkeit bereits im Juli 2008 aufgenommen und Umsätze erzielt hat. Dies gilt umso mehr, als der bei der Gründung eingetragene Direktor der C-Ltd. (Herr X) vor deren Gründung bereits eine A-Ltd. gegründet und betrieben hatte. Da diese für das Jahr 2008 eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgegeben hat, ist es selbst nach Ansicht des FA möglich, dass die erzielten Umsätze dort erklärt und versteuert wurden.

Die Zweifel am Vorliegen einer Geschäftstätigkeit der Klägerin mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen können nicht im Wege einer Schätzung (§ 162 der Abgabenordnung –AO–) behoben werden.

Bei einer Schätzung wird von der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ausgegangen. Nur hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen Ungewissheiten spezifischer Art (wie z.B. die Höhe der Umsätze) vor, die einer Beseitigung durch Schätzung zugänglich. Voraussetzung einer Schätzung ist somit die Gewissheit, dass überhaupt ein steuerlich bedeutsamer Sachverhalt vorliegt. Hieran fehlt es im Streitfall, da keinerlei Tatsachen für das Vorliegen steuerpflichtiger Ausgangsumsätze der Klägerin im Streitjahr

Auf den Nachweis des Vorliegens eines umsatzsteuerlich bedeutsamen Sachverhalts kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Steuerpflichtige trotz Aufforderung keine Steuererklärung abgibt. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist zwar insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert. Abgesehen davon, dass dieses Schätzungsgebot nach den Ausführungen unter II.1.b bb nicht qualitative, sondern nur quantitative Besteuerungsmerkmale betrifft, hat die Klägerin dahingehend Angaben gemacht, dass sie im Streitjahr noch keine Geschäftstätigkeit entfaltet habe; zu

Der Senat kann offen lassen, ob es sich bei dem Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO überhaupt um eine Verfahrensvorschrift handelt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichtet werden kann. Jedenfalls liegt in der bloßen Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung kein Verzicht auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften. Auch wenn die Klägerin ihre besondere Prozessverantwortung wahrgenommen und an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätte, hätte sie erst aus dem Urteil erfahren, dass sich das FG mit ihrem Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat.

Da das Urteil bereits aufgrund des Verfahrensfehlers keinen Bestand haben kann, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Klägerin. Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, der auch für den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt, abgesehen.

Der Senat hält es für sachgerecht, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, da im Streitfall von einer Revisionsentscheidung keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen..

Schätzung im Taxigewerbe

Eine Schätzungsbefugnis besteht auch bei einem unverschuldeten Verlust von Buchführungsunterlagen bzw. Aufzeichnungen; dies gilt insbesondere, wenn im Taxigewerbe erstellte Schichtzettel unter Verstoß gegen § 147 Abs. 1 AO nicht aufbewahrt werden.

Die Bestimmung der Schätzungskriterien obliegt in erster Linie dem FG und ist weder regelmäßig noch in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten vorzubereiten.

BFH Beschluss vom 03.05.2012 – III B 27/11BFHNV 2013 s. 497

Begründung:

Die Klägerin sieht einen Verfahrensfehler darin, dass das FG davon ausgehe, dass die Schichtzettel ausweislich des Strafurteils vernichtet worden seien, obwohl das Strafurteil nicht in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführt worden sei und daher für sie weder Anlass noch Möglichkeit bestanden habe, substantiierte Einwendungen zu erheben.

Der Senat merkt im Übrigen an, dass das FG kaum anders entschieden haben dürfte, wenn es nicht von der Vernichtung der Schichtzettel ausgegangen wäre. Denn eine Schätzungsbefugnis nach § 162 der Abgabenordnung (AO) besteht auch bei einem unverschuldeten Verlust von Buchführungsunterlagen bzw. Aufzeichnungen dies gilt insbesondere, wenn im Taxigewerbe erstellte Schichtzettel unter Verstoß gegen § 147 Abs. 1 AO nicht aufbewahrt werden.

Mit der Rüge, die Ausführungen des FG zu den Voraussetzungen einer Schätzung, zur Schätzungsmethode und zu den Schätzungsergebnissen verstießen gegen Beweislastgrundsätze und gegen die Denkgesetze, hat die Klägerin ebenfalls keinen Verfahrensmangel dargetan.

Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den vom FG zu treffenden Tatsachenfeststellungen. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, das FG sei von unzutreffenden Annahmen ausgegangen und habe darüber hinaus die Bedeutung von Aufbewahrungsfristen verkannt, macht sie, auch soweit sie Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze behauptet, materielle Rechtsfehler geltend, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht als Verfahrensfehler  zu einer Zulassung der Revision führen können. Ob das FG zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen befugt war, ob die richtige Schätzungsmethode gewählt wurde, in welcher Höhe zu schätzen war und ob das FG hierbei gegen Schätzungsgrundsätze verstoßen hat, kann daher nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Eine Zulassung der Revision kommt insoweit auch nicht unter dem Aspekt der Divergenz.

Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Verfahrensmangels gehört der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO einschließlich des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter –ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge– verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge zu Protokoll erklärt und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt hat, finden sich weder in der Beschwerdebegründung noch im Sitzungsprotokoll des FG.

 

Pflicht zur Aufbewahrung der sog. Schichtzettel im Taxigewerbe

Begründe die fehlende Aufbewahrung der sog. Schichtzettel eine Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde, wenn der Steuerpflichtige den Inhalt der Schichtzettel unmittelbar nach deren Erhalt und Auszählung der Kasse in ein Kassenbuch in Form von Listen überträgt ?

BFH Beschluss vom 25.10.2012, X B 133/11

Begründung:

Der XI. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02 (BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) mit Verweis auf das BFH-Urteil vom 13. Juli 1971 VIII 1/65 (BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729) ausdrücklich ausgeführt, dass die Aufbewahrung der Schichtzettel –als Einnahmeursprungsaufzeichnungen– ausnahmsweise dann nicht erforderlich sei, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen werde. Damit hat der XI. Senat klargestellt, dass –entgegen der Auffassung des Klägers– allein die tägliche Übertragung des Inhalts der Schichtzettel unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein solches Kassenbuch die Aufbewahrung der Schichtzettel entbehrlich macht. Wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729 ausgeführt hat, ist nur dann sowohl dem Aufbewahrungszweck als auch der Sicherstellung der Vollständigkeit der übertragenen Aufzeichnungen in vollem Umfang Rechnung getragen.

Gleiches gilt, wenn man in dem klägerischen Vorbringen die Rechtsfrage erkennen wollte, ob es für eine ordnungsgemäße Buchführung eines Taxiunternehmers ausreiche, wenn er seine Einnahmen nachvollziehbar und ordentlich aufzeichne, jedoch keine Schichtzettel führe. Insoweit hat der XI. Senat in seinem Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 ausdrücklich ausgeführt, dass im Bereich des Taxigewerbes –als Erleichterung gegenüber der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnahmen– die Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den Mindestanforderungen an die Aufzeichnungspflicht genügten. Durch diese Erleichterung werde den branchenspezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes ausreichend Rechnung getragen.

 

Griffweise Schätzung ohne vorherige Ermittlungsversuche als Verfahrensmangel

Das FG verletzt seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, wenn es in einem Verfahren, in dem zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Kläger einen Reitstall mit Einkunftserzielungsabsicht betrieben haben, zwar die Einkunftserzielungsabsicht bejaht, aber ohne vorherigen Hinweis oder sonstige Ermittlungen einen Privatnutzungsanteil der Pferde griffweise schätzt.

Die griffweise Schätzung stellt im Spektrum der verschiedenen denkbaren Schätzungsmethoden diejenige dar, die mit den größten Unsicherheiten behaftet ist und konkreten Tatsachengrundlagen vollständig oder nahezu vollständig entbehrt.

BFH Beschluss vom 28.09.2011 – X B 35/11 (NV) BFHNV 2012 S. 177

Begründung:

Jedenfalls der von den Klägern gerügte Verstoß gegen die Pflicht des FG, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), ist gegeben. Die Verpflichtung des FG zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bedeutet nicht, dass jeder fernliegenden Erwägung nachzugehen ist. Wohl aber muss das FG die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne entsprechenden Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Beweise erheben.

Das FG hätte daher nicht ohne weitere Ermittlungen eine griffweise Schätzung des privaten Nutzungsanteils vornehmen dürfen, zumal es sich bei der griffweisen Schätzung im Spektrum der verschiedenen denkbaren Schätzungsmethoden um diejenige handelt, die mit den größten Unsicherheiten behaftet ist und konkreten Tatsachengrundlagen vollständig oder nahezu vollständig entbehrt.

Vielmehr hätte es sich dem FG aufdrängen müssen, die Klägerin –in deren Sphäre sich die maßgebenden Tatsachen ereignet haben– aufzufordern, substantiierte Angaben zur Höhe der Privatnutzung in das Verfahren einzuführen. Denn gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO sind die Beteiligten zur Sachaufklärung heranzuziehen; diese unterliegen dabei der Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben (§ 76 Abs. 1 Satz 3 FGO).

Schätzung der Ertragsaussichten im Stuttgarter Verfahren

Schätzung der Ertragsaussichten im Stuttgarter Verfahren

BFH Urteil vom 12.1.2011, II R 38/09

Begründung:

Das vom FA der Bewertung zugrunde gelegte Stuttgarter Verfahren ist ein auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer geeignetes, wenn auch die Gerichte nicht bindendes, Schätzungsverfahren (BFH-Urteil in BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635, m.w.N.). Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die Praktikabilität ist von diesem grob typisierenden Schätzverfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (BFH-Urteil in BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635, m.w.N.). Da es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt.

Nach dem Stuttgarter Verfahren ist bei der Regelbewertung der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögenswerts (R 98 ErbStR 1999) und des Ertragshundertsatzes der Kapitalgesellschaft (R 99 ErbStR 1999) zu ermitteln (R 96 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 1999). Die Ertragsaussichten der Gesellschaft bestimmen sich nach dem künftigen ausschüttungsfähigen Ertrag. Die Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren geht davon aus, dass der Betrieb in wirtschaftlich gleichem Umfang weitergeführt wird. Dies rechtfertigt im Allgemeinen den Schluss, dass sich auch die Ertragslage in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern wird (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1968 III R 135/67, BFHE 95, 266, BStBl II 1969, 370, und in BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635). Bei der Schätzung des voraussichtlichen künftigen Jahresertrags kann daher der in der Vergangenheit tatsächlich erzielte, nach R 99 Abs. 3 ErbStR 1999 gewichtete Durchschnittsertrag als wichtige Beurteilungsgrundlage herangezogen werden (R 99 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 1999). Er ist möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten (Satz 3 der Vorschrift). Zur Ermittlung der Betriebsergebnisse ist jeweils von dem der Körperschaftsteuer unterliegenden zu versteuernden Einkommen der Gesellschaft auszugehen (Satz 4 der Vorschrift), das nach den Vorgaben des Satzes 5 der Vorschrift durch Hinzurechnungen und Abzüge korrigiert wird. Zu den hinzuzurechnenden Beträgen gehören u.a. Sonderabschreibungen, erhöhte Absetzungen, Bewertungsabschläge, Zuführungen zu steuerfreien Rücklagen sowie Teilwertabschreibungen, ferner Absetzungen auf den Geschäfts- oder Firmenwert oder firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter, Verlustabzüge, einmalige Veräußerungsverluste, steuerfreie Vermögensmehrungen und Investitionszulagen. Abzuziehen sind demgegenüber einmalige Veräußerungsgewinne, gewinnerhöhende Auflösungsbeträge steuerfreier Rücklagen und ertragsteuerrechtlich nicht abziehbare Ausgaben. Die Zurechnungs- und Abrechnungsbeträge haben insgesamt das Ziel, den nachhaltig erzielbaren Jahresertrag frei von Sondereinflüssen zu ermitteln, die für das Betriebsergebnis keine Aussagekraft haben.

Dieses ungeachtet der vorgesehenen Korrekturen und Gewichtung recht grobe Schätzungsverfahren muss (bei Bewertungsstichtagen bis zum Ablauf des Jahres 2008) in Kauf genommen werden, weil die Finanzämter die den künftigen Ertrag im Einzelfall beeinflussenden Umstände weder im Allgemeinen übersehen noch in ihrer Bedeutung gegeneinander abwägen können (BFH-Urteil in BFHE 95, 266, BStBl II 1969, 370).

Eine von der Anordnung in R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 1999 abweichende andere Schätzung der Ertragsaussichten kann nur geboten sein, wenn es nach den Verhältnissen des Stichtags offensichtlich ist, dass in Zukunft ein erheblich niedrigerer oder höherer Ertrag zu erwarten ist (BFH-Urteile in BFHE 95, 266, BStBl II 1969, 370, und in BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635). Dabei können Verhältnisse und Gegebenheiten berücksichtigt werden, die im Bewertungszeitpunkt zwar noch nicht eingetreten, aber so hinreichend konkretisiert sind, dass mit ihnen zu diesem Zeitpunkt objektiv als Tatsachen zu rechnen ist (BFH-Urteile vom 26. Juni 1996 II R 64/93, BFH/NV 1997, 157, und in BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635).

Nach den Verhältnissen des Stichtags (§ 12 Abs. 2 Satz 1 ErbStG) war es aber offensichtlich, dass in Zukunft ein erheblich höherer Ertrag als "Null" zu erwarten war. Bei dem Leasinggeschäft handelte es sich nach den eigenen Ausführungen des Klägers um ein Geschäftsmodell mit attraktiven Renditen. Es ging nicht um die laufende Anschaffung geringwertiger Wirtschaftsgüter zur tatsächlichen Verwendung im Betrieb der GmbH, sondern um eine ertragreiche Kapitalanlage, die offensichtlich auch zur Kompensation des zu versteuernden Gewinns aus der Veräußerung der Tochtergesellschaft diente.

Diese Umstände berechtigten das FA zu einer von der Anordnung in R 99 Abs. 1 Satz 3 bis 5 ErbStR 1999 abweichenden anderen Schätzung der Ertragsaussichten. Die Korrektur des in der Vergangenheit tatsächlich erzielten gewichteten Durchschnittsertrags musste dabei entgegen der Ansicht des Klägers nicht durch eine Schätzung der künftigen Erträge unter Einbeziehung der Leasingraten geschehen. Vielmehr konnte das FA die Korrektur abgesehen davon, dass die AfA für Dezember 1999 abzuziehen sind, in der Weise vornehmen, dass die als Betriebsausgaben abgezogenen Anschaffungskosten der Decoderboxen dem körperschaftsteuerlichen Einkommen hinzugerechnet wurden. Die auf diese Art und Weise erfolgte Korrektur entspricht der Grundregel, nach der die Betriebsergebnisse der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahre maßgebend und lediglich in bestimmten Punkten durch Hinzurechnungen und Abzüge abzuändern sind.

Entgegen der Meinung des Klägers kann daraus, dass die Decoderboxen bei der Ermittlung des Vermögenswerts der GmbH unberücksichtigt geblieben sind, nicht abgeleitet werden, dass ihre Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes dem körperschaftsteuerlichen Einkommen der GmbH für das Jahr 1999 nicht hinzugerechnet werden dürften. Eine solche Kumulation von Steuervergünstigungen ist nicht vorgeschrieben und würde den vom BVerfG mit dem Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192 festgestellten Verstoß der weitgehenden Übernahme der Steuerbilanzwerte bei der Bewertung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes noch weiter vertiefen.

 

 

 

Beweiskraft der Buchführung; Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

Ist die für eine formell ordnungsgemäße Buchführung geltende Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit widerlegt, sind die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Steht dabei ein bestimmter Sachverhalt zur Überzeugung des Finanzgerichts fest, bedarf es keiner Schätzung von Besteuerungsgrundlagen.

Die Frage, wer die objektive Beweislast für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Tatsachen trägt, ist nur dann in einem Revisionsverfahren klärungsfähig, wenn das Finanzgericht eine Sachentscheidung nach Beweislastgrundsätzen getroffen hat.

BFH Beschluss vom 13.07.2010 – V B 121/09 BFHNV 2010 S. 2015

Begründung:

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob handschriftliche Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die wirtschaftlich absolut unwahrscheinlich sind, und deren Summe außerhalb des entsprechenden Schätzrahmens des betreffenden Betriebs liegt, ohne weitere Vergleichsrechnung der Besteuerung zugrunde gelegt werden dürfen, lässt sich ohne weiteres aus dem Gesetz (§ 158 der Abgabenordnung –AO– i.V.m. § 162 AO) beantworten. Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Danach löst die –formelle– Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.

Ist –wie im Streitfall– diese Vermutung widerlegt, ergibt sich aus der gesetzlichen Einschränkung "soweit", dass die sachlich unrichtigen Teile der Buchführung richtig zu stellen sind. Es sind also nur die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Diese Korrektur darf erst dann durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO), eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist. Folglich besteht ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Steht danach ein bestimmter Sachverhalt fest, bedarf es keiner Schätzung, es sind vielmehr die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen. Ob diese Besteuerungsgrundlagen "unwahrscheinlich" sind oder außerhalb eines Schätzrahmens liegen, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig bedarf es der Überprüfung dieser Besteuerungsgrundlagen durch eine "Vergleichsrechnung"

Die weitere Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtige zu beweisen hat, dass handschriftliche Notizen keine Einnahmen im Rahmen seines Gewerbes sind, ist weder klärungsbedürftig noch klärbar.

Es ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass nach der sog. Beweislastgrundregel die Feststellungslast (objektive Beweislast) –bei einer nicht mehr behebbaren Ungewissheit über den Sachverhalt– für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen die Finanzbehörde und für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen den Steuerpflichtigen trifft. Da es sich bei handschriftlichen Notizen über (höhere) Einnahmen bzw. Umsätze eines Steuerpflichtigen um steuererhöhende Tatsachen handelt, träfe im Falle einer Beweislastentscheidung die Finanzbehörde die Feststellungslast (objektive Beweislast).

Schätzung von Buchhaltung

Voraussetzungen für die Schätzung einer Buchhaltung und die Frage der Beweislast.(eigener Leitsatz)

BFH Beschluss vom 13.7.2010, V B 121/09

Begründung

Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Danach löst die –formelle– Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.

Ist diese Vermutung widerlegt, ergibt sich aus der gesetzlichen Einschränkung "soweit", dass die sachlich unrichtigen Teile der Buchführung richtig zu stellen sind. Es sind also nur die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Diese Korrektur darf erst dann durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO), eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist. Folglich besteht ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Steht danach ein bestimmter Sachverhalt fest, bedarf es keiner Schätzung, es sind vielmehr die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen. Ob diese Besteuerungsgrundlagen "unwahrscheinlich" sind oder außerhalb eines Schätzrahmens liegen, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig bedarf es der Überprüfung dieser Besteuerungsgrundlagen durch eine "Vergleichsrechnung".

Es ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass nach der sog. Beweislastgrundregel die Feststellungslast (objektive Beweislast) bei einer nicht mehr behebbaren Ungewissheit über den Sachverhalt  für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen die Finanzbehörde und für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen den Steuerpflichtigen trifft (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2005 XI B 111/04, BFH/NV 2006, 320, m.w.N.). Da es sich bei handschriftlichen Notizen über (höhere) Einnahmen bzw. Umsätze eines Steuerpflichtigen um steuererhöhende Tatsachen handelt, träfe im Falle einer Beweislastentscheidung die Finanzbehörde die Feststellungslast (objektive Beweislast).

m vorliegenden Fall beruht das Urteil des FG nicht auf der Unaufklärbarkeit eines bestimmten Sachverhalts (Beweislosigkeit), sondern auf der nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des FG, dass die Eintragungen in den Kalendern den tatsächlich erzielten Umsätzen aus dem Betrieb der Pizzerien entsprechen.

 

 

Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

Schätzung von Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nicht wegen Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen verwehrt.

BFH Beschluss vom 26.02.2010 – VIII B 17/08 (NV)

Begründung:

Die Beschlagnahme der Geschäftsunterlagen für die Streitjahre berührt grundsätzlich nicht die Erklärungspflicht des Klägers, deren Nichterfüllung deshalb die Schätzungsbefugnis des FA eröffnet.

Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass im Schätzungsfalle wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen die konkret zu Grunde gelegten Besteuerungsgrundlagen insbesondere auch auf Schlussfolgerungen und insoweit nicht auf Unterlagen beruhen, wobei nach dem Inhalt der Einspruchsentscheidung dem Kläger die vorgenommenen Schätzungen im Anschluss an das Ergehen der angefochtenen Steuerbescheide in einem gesonderten Schreiben "nochmals erläutert" worden waren.

Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ausweislich des Akteninhalts vorgetragen hatte, dass ihm beschlagnahmte Unterlagen nicht oder nicht vollständig herausgegeben worden und ihm Kopien trotz Antrags nicht zur Verfügung gestellt worden seien, ist die Rüge, dass es dem angefochtenen Urteil insoweit an Gründen fehle und damit ein Verfahrensfehler i.S. von § 119 Nr. 6 FGO vorliege, nicht nachvollziehbar.

Keine Schätzung nach § 64 Abs. 5 AO für Überschüsse aus Pfennigbasar

Überschüsse eines gemeinnützigen Vereins aus der Veranstaltung eines Pfennigbasars, auf dem von den Mitgliedern gesammelte gebrauchte Gegenstände verkauft werden, können nicht nach § 64 Abs. 5 AO geschätzt werden.

BFH Urteil vom 11. Februar 2009 I R 73/08

Begründung:

Gemäß § 64 Abs. 5 AO können Überschüsse aus der Verwertung unentgeltlich erworbenen Altmaterials außerhalb einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle, die der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegen, in Höhe des branchenüblichen Reingewinns geschätzt werden. Die Anwendung des § 64 Abs. 5 AO setzt voraus, dass die Überschüsse in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einer Körperschaft anfallen.

Bei dem vom Kläger veranstalteten Pfennigbasar handelt es sich um einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO). Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurden auf dem jährlich durchgeführten Pfennigbasar gebrauchte Gegenstände verkauft, die zuvor von den Mitgliedern des Klägers gesammelt worden waren. Mit der Sammlung und Weiterveräußerung dieser Gegenstände übte der Kläger eine selbständige nachhaltige Tätigkeit aus, durch die er Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielte und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausging.

Der Pfennigbasar diente in seiner Gesamtrichtung nicht der Verwirklichung der satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke des Klägers, sondern der Beschaffung zusätzlicher Mittel für die hierauf gerichtete Tätigkeit des Klägers. Die Sammlung und Weiterveräußerung der gebrauchten Gegenstände begründet damit keinen Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO.

Das FG hat zutreffend angenommen, dass § 64 Abs. 5 AO auf den Pfennigbasar des Klägers nicht anwendbar ist. Im Streitfall hat der Kläger nach den Feststellungen des FG auf dem Pfennigbasar gebrauchte Gegenstände aller Art verkauft, zu denen unter anderem Kleidung, Bücher und Haushaltsgeräte gehörten. Eine Verwertung von Altmaterial liegt nicht vor, wenn es im Rahmen eines Basars oder Flohmarkts zu einem Einzelverkauf gebrauchter Sachen kommt.

Die enge Auslegung des § 64 Abs. 5 AO wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt, aus denen sich eindeutig ergibt, dass der Gesetzgeber die Schätzung nach § 64 Abs. 5 AO nur auf Überschüsse aus Altmaterialsammlungen, nicht aber auf den Einzelverkauf gebrauchter Sachen auf Basaren und Flohmärkten erstrecken wollte

 

 

 

 

Nichtigkeit von Schätzungsbescheiden

Steuerbescheide sind nichtig, wenn das Finanzamt die Grundordnung des Verfahrens so verletzt, dass der Steuerpflichtige nicht von der Verbindlichkeit der festgesetzten Steuer auszugehen kann.

Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn die Schätzung nicht plausibel ist und die Höhe der geschätzten Steuerlast nur als Druckmittel für eine Beschleunigung des Verfahrens verwendet wird.

Finanzgericht München, Urteil vom 4. September 2008 2 K 1865/08 – rechtskräftig, EFG 2009 S. 2 ff.

Begründung:
Die Schätzung des Finanzamt ist nicht nachvollziehbar. Bezogen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen weicht das Schätzungsergebnis krass von den tatsächlichen Verhältnissen ab. Es ist nicht erkennbar, dass das Finanzamt irgendwelche Überlegung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen hat.

Die vorgeschriebene Dokumentation der Schätzung befindet sich in den Akten. Es fhelen Aufzeichnungen über die Höhe der zu erwartenden Umsätze und Gewinne.

Die Schätzung erfolgte nicht mit dem Ziel die tatsächliche Besteuerungsgrundlagen zu erfassen, sondern anhand von willkürlich ermittelten Zahlen sollte der größtmögliche Druck auf den Steuerpflichtigen ausgeübt werden.