Nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung

Der Hinzurechnungsbetrag der nicht abziehbaren Schuldzinsen, welcher typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Unterentnahmen ermittelt wird (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG), kann nicht als “typisierter Zinsaufwand” im Rahmen einer anderen Einkunftsart (hier: Vermietung und Verpachtung) Berücksichtigung finden, wenn die Entnahmebeträge, die im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG zu Überentnahmen geführt haben, zur Erzielung von Einnahmen innerhalb dieser Einkunftsart verwendet wurden.

BFH Urteil vom 12.07.2016 – IX R 29/15

Begründung:

Soweit die Kläger ihr Klagebegehren erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durch die Stellung zweier Hilfsanträge in quantitativer Hinsicht erweitert haben, stellt dies nach § 155 FGO i.V.m. § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) keine Klageänderung i.S. des § 67 FGO dar und ist mithin zulässig. Denn nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn der Klageantrag in der Hauptsache betragsmäßig erweitert wird.

Soweit die Kläger erstmalig in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung (Schriftsatz vom 21. Juni 2016) erklärt haben, einen weiteren hilfsweisen Feststellungsantrag stellen zu wollen, haben sie diese –nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO unzulässige– Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von den Klägern geltend gemachten, nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei deren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.

Ein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit (Überschuss-)Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Maßgeblich ist danach, ob die maßgebliche Darlehensverbindlichkeit, auf die der Steuerpflichtige die Schuldzinsen zu entrichten hat, zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist. Ein bloßer rechtlicher Zusammenhang reicht insoweit nicht aus. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit einer Einkunftsart als Voraussetzung für den steuermindernden Abzug der geltend gemachten Aufwendungen trägt der Steuerpflichtige.

Demgegenüber stehen Schuldzinsen mit (Gewinn-)Einkünften in einem –betrieblichen– Veranlassungszusammenhang i.S. von § 4 Abs. 4 EStG, wenn sie für eine Darlehensverbindlichkeit geleistet werden, die ihrerseits durch einen Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgeblich hierfür ist allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel. Handelt es sich um eine Kontokorrentverbindlichkeit und entsteht diese sowohl durch betrieblich als auch durch nicht betrieblich veranlasste Auszahlungen oder Überweisungen, ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Werden Kontokorrentmittel nur teilweise für betriebliche Zwecke, im Übrigen aber für Kosten der Lebensführung oder für durch andere Einkunftsarten veranlasste Zwecke verwendet, so kann die Kontokorrentverbindlichkeit –ungeachtet dessen, dass sie auf einer einheitlichen zivilrechtlichen Vertragsgrundlage beruht– nur in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang bilanziert werden.

Unbeschadet einer betrieblichen Veranlassung sind Schuldzinsen nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar, wenn und soweit Überentnahmen getätigt worden sind. Auf der Grundlage dieser Bestimmung ist der betriebliche Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen. Auf einer ersten Stufe ist die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Auf einer zweiten Stufe ist zu prüfen, welche der betrieblich veranlassten Schuldzinsen auf Überentnahmen beruhen und daher nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinnes und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (sog. Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 EUR verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn –außerhalb der Bilanz– hinzuzurechnen (vgl. § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG).

Der als betriebsbezogene Aufwendungen abziehbare Teil der für ein gemischtes Kontokorrentkonto entrichteten Schuldzinsen ist –sowohl bei den Gewinn- als auch bei den Überschusseinkünften- entsprechend dem Verhältnis der betriebsbezogenen (d.h. der Einnahmeerzielung dienenden) und der nicht betriebsbezogenen (d.h. privaten) Zahlungen grundsätzlich nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist das Kontokorrentkonto entsprechend den betriebsbezogenen und den nicht betriebsbezogenen Sollbuchungen rechnerisch in (lediglich) zwei Unterkonten aufzuteilen.

Nach diesen Grundsätzen sind die im Streitfall kraft der Regelung in § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindenden Feststellungen des FG waren die für das Kontokorrentkonto des Gewerbebetriebes des Klägers in den maßgeblichen Jahren geschuldeten Kontokorrentzinsen in vollem Umfang betrieblich veranlasst; die insoweit entstandene Kontokorrentverbindlichkeit rechnete mithin in vollem Umfang zum Betriebsvermögen des Klägers. Soweit der Kläger die Herstellungskosten für die von ihm errichteten Immobilienobjekte zum Teil mit Geldmitteln bezahlt hat, die aus Barentnahmen von seinem betrieblichen Kontokorrentkonto stammten, hat er im Streitjahr hierfür keine –aus dem Kontokorrentvertrag oder aus anderweitigen Darlehensverbindlichkeiten geschuldeten– Kreditzinsen getragen; denn für im Streitjahr getätigte Entnahmen standen ausreichend Betriebseinnahmen zur Verfügung. Soweit  Kontokorrentzinsen tatsächlich angefallen  sind, stehen diese mithin ausschließlich mit der Begleichung von Betriebsausgaben in einem wirtschaftlichen Zusammenhang.

Der Umstand, dass die Barentnahmebeträge, die im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG zu (periodenübergreifenden) Überentnahmen geführt haben, zur Erzielung von Einnahmen innerhalb einer anderen Einkunftsart verwendet worden sind, führt nicht dazu, dass der wirtschaftliche Zusammenhang der (tatsächlich angefallenen) Kontokorrentzinsen mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers zu Gunsten der anderen steuerrelevanten Tätigkeit gelöst wird. Betrieblich veranlasste Schuldzinsen sind vielmehr, ungeachtet der Frage, inwieweit sie steuerlich abzugsfähig sind, dem Grunde nach weiterhin Betriebsausgaben; denn durch § 4 Abs. 4a EStG wird der Veranlassungszusammenhang nicht.

Nach diesen Grundsätzen kann der mit der Revision verfolgte Hilfsantrag zu 3. keinen Erfolg haben.

Auch der  Hinzurechnungsbetrag  der nicht abziehbaren Schuldzinsen, welcher typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Unterentnahmen ermittelt wird (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG), kann nicht –gleichsam als “typisierter Aufwand”– im Rahmen einer anderen Einkunftsart –im Streitfall der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung– Berücksichtigung finden, wenn die Barentnahmebeträge, die im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG zu Überentnahmen geführt haben, zur Erzielung von Einnahmen innerhalb dieser Einkunftsart verwendet wurden.

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG einen neuen Typus nicht abziehbarer Betriebsausgaben geschaffen. Ein Veranlassungszusammenhang zwischen dem nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG zu ermittelnden Hinzurechnungsbetrag und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wäre nur gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieses Betrages mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung bestünde und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht würden (s. unter II.2.a).

Ein solcher Zusammenhang ist jedoch nicht gegeben. Denn der Hinzurechnungsbetrag der nicht abziehbaren Schuldzinsen beruht im Streitfall nicht, wie erforderlich, auf der Inanspruchnahme von Kapital für die Herstellung von Immobilienobjekten, die zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt werden, sondern auf der gesetzlichen Überentnahmeregelung des § 4 Abs. 4a EStG. Die Wertentscheidung des Gesetzgebers, einen bestimmten (typisiert ermittelten) Schuldzinsenbetrag nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen, schafft für sich genommen keinen wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer (zwar steuerrelevanten, aber außerbetrieblichen) Tätigkeit des Steuerpflichtigen.

Ein solcher liegt auch nicht in dem Umstand, dass Entnahmen des Steuerpflichtigen für betriebsfremde Zwecke (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG), die im Kontext des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG zu (ggf. periodenübergreifenden) Überentnahmen geführt haben, zur Herstellung von Wirtschaftsgütern genutzt werden, die –wie im Streitfall– im Rahmen einer anderen Einkunftsart der Einkünfteerzielung dienen. Die Bestimmung des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG geht von dem allgemeinen Entnahmebegriff des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG aus; eine Herausnahme bestimmter Entnahmeformen aus dem Entnahmebegriff ist mit dem Wortlaut der Norm nicht vereinbar. Nach dieser Systematik ist auch eine steuerrelevante Verwendung der entnommenen betrieblichen Geldmittel nicht von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund kann ein nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a EStG bei der im Einzelfall betroffenen betrieblichen Einkunftsart hinzuzurechnende Betrag nicht –gewissermaßen ersatzweise– gleichzeitig als “Aufwand” einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden; denn damit würde die Wertentscheidung des § 4 Abs. 4a EStG in unzulässiger Weise steuerlich “neutralisiert”.

Überdies ist der nach den Regelungen in § 4 Abs. 4a Satz 3 und Satz 4 EStG außerbilanziell hinzuzurechnende Betrag der nicht abziehbaren Schuldzinsen betragsmäßig nicht notwendig identisch mit einem vom Steuerpflichtigen tatsächlich getragenen Schuldzinsenaufwand; denn zum einen wird der Hinzurechnungsbetrag überperiodisch ermittelt, zum anderen verlangen die genannten Regelungen eine Vergleichsberechnung des typisierten Hinzurechnungsbetrages mit der um private Schuldzinsen, Schuldzinsen für Investitionsdarlehen und einen Bagatellbetrag geminderten tatsächlich gezahlten Schuldzinsenbetrages. Deshalb kann eine dahin gehende “Belastung” des Steuerpflichtigen mit nicht abziehbaren Schuldzinsen –in Gestalt eines um den Hinzurechnungsbetrag erhöhten gewerblichen Gewinnes– die für den Abzug von Aufwand als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) maßgebliche Minderung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen schon dem Grunde nach nicht abbilden.

Nach diesen Grundsätzen kann auch der mit der Revision verfolgte Hauptantrag (1.) keinen Erfolg haben.

Auch die von den Klägern mit 26.625,83 EUR bezifferten Zinsaufwendungen, die auf das bei der A-Bank unter der Darlehensnummer… aufgenommene Umschuldungsdarlehen in Höhe von 600.000 EUR entfallen, können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden. Denn auch diese Darlehensverbindlichkeit haben die Kläger nicht entsprechend den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienenden Immobilie “aufgenommen und tatsächlich verwendet” (zu den diesbezüglichen Anforderungen s. oben unter II.2.a der Gründe). Vielmehr haben die Kläger das Darlehen Nummer… zur Umschuldung von Kontokorrentverbindlichkeiten, die in voller Höhe betrieblich veranlasst waren, aufgenommen.

Nach diesen Grundsätzen kann schließlich auch der mit der Revision verfolgte Hilfsantrag zu 2. keinen Erfolg haben.

Dieses Ergebnis verstößt weder gegen das objektive Nettoprinzip noch gegen den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit.

Soweit dem Kläger Zinsaufwendungen aus Kontokorrentverbindlichkeiten entstanden sind, haben sich diese in voller Höhe gewinnmindernd bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb als Betriebsausgaben ausgewirkt. Zwar führt die Anwendung der Bestimmungen des § 4 Abs. 4a EStG im Streitfall dazu, dass Schuldzinsen in typisiert ermittelter Höhe dem Gewinn außerbilanziell wieder hinzugerechnet werden; dies ist unter dem Blickwinkel des Nettoprinzips von Verfassungs wegen jedoch nicht zu beanstanden, da § 4 Abs. 4a EStG an Überentnahmen und somit typisierend an private Ursachen anknüpft.

Auch ein Verstoß gegen die Finanzierungsfreiheit liegt nicht vor. Der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit ist eine Schöpfung der Rechtsprechung, die schlagwortartig im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung kapitalersetzender Darlehen verwendet  auf den Schuldzinsenabzug übertragen wurde. Im Streitfall ist der Kläger in seiner Finanzierungsfreiheit nicht beschränkt worden, vielmehr hat er seine Möglichkeiten, die Immobilienobjekte auf die von ihm bevorzugte Art und Weise –hier durch die Entnahme von Mitteln aus seinem Gewerbebetrieb– zu finanzieren, gerade genutzt. Es hätte dem Kläger in gleicher Weise offen gestanden, die maßgeblichen Immobilienobjekte auf andere Weise –etwa über eigens aufgenommene Immobiliendarlehen– zu finanzieren.