Sonderausgabenabzug des Selbstbehalts zur Krankenversicherung

Der im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses vereinbarte Selbstbehalt stellt keinen Beitrag zur Krankenversicherung dar und kann nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG als Vorsorgeaufwendung berücksichtigt werden.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 06.05.2013, 9 K 265/12

Begründung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG gehören zu den Sonderausgaben unter anderem Beiträge zu Krankenversicherungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden.

Bei dem im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses vereinbarten Selbstbehalt des Klägers handelt es sich nicht um einen Beitrag zu einer Krankenversicherung.

Nach § 53 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) können Krankenkassen in ihren Satzungen vorsehen, dass Mitglieder für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Dies bedeutet, dass ein zuvor festgelegter Teil der im Kalenderjahr anfallenden Krankheitskosten durch den Versicherungsnehmer aus eigenen Mitteln zu zahlen sind.

Auch in der privaten Krankenversicherung, in der grundsätzlich das Erstattungsprinzip gilt, besteht für den Versicherungsnehmer die Möglichkeit Tarife, die eine Selbstbeteiligung beinhalten, individuell zu vereinbaren und so die an die Krankenversicherung zu zahlenden Beiträge (Versicherungsprämie) zu beeinflussen.

Zu den Beiträgen zu Versicherungen im Sinne der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG gehören nicht nur die eigentlichen Prämien, sondern auch die üblichen mit dem Versicherungsverhältnis zusammenhängenden und vom Versicherungsnehmer zu tragenden Nebenleistungen . Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG muss es sich jedoch um Beiträge „zu“ einer Krankenversicherung handeln. Daraus folgt, dass nur solche Ausgaben zu den Beiträgen zur Krankenversicherung gehören können, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit – als Vorsorgeaufwendungen – letztlich der Vorsorge dienen. Zahlungen aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten sind nach herrschender Auffassung daher keine Beiträge zu einer Versicherung

Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, steht der vom Kläger im Streitjahr getragene Selbstbehalt nicht im Zusammenhang mit der Erlangung eines Versicherungsschutzes. Denn der (Kranken-)Versicherungsschutz des Klägers wird durch seine monatliche Beitragszahlung gewährleistet und ist unabhängig von der Leistung des Selbstbehalts. Selbst wenn in einem Kalenderjahr keine ambulanten, ärztlichen, zahnärztlichen oder physiotherapeutischen Leistungen in Anspruch genommen werden, so dass kein Selbstbehalt anfällt, besteht für diesen Zeitraum grundsätzlich Versicherungsschutz.

Entgegen der Auffassung des Klägers begründet auch die ausdrückliche Vereinbarung des Selbstbehalts im Krankenversicherungsvertrag keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Selbstbehalt und der Erlangung des Versicherungsschutzes. Während der Versicherungsschutz durch die Zahlung der monatlichen Versicherungsprämie begründet wird, wird der Selbstbehalt ausschließlich durch die tatsächliche, krankheitsbedingte Inanspruchnahme einer ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder physiotherapeutischen Leistung ausgelöst. Aufgrund einer entsprechenden Ausgestaltung des Krankenversicherungsverhältnisses werden die ersten im Kalenderjahr anfallenden Krankheitskosten in Höhe von 600 EUR nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Erst wenn der vereinbarte und mit einem verminderten Versicherungsbeitrag honorierte Selbstbehalt „ausgeschöpft“ ist, entsteht ein Erstattungsanspruch des Klägers.

Die infolge des vereinbarten Selbstbehalts zu tragenden Krankheitskosten verbleiben dabei als originäre krankheitsbedingte Aufwendungen beim Kläger. Diese finden im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG einkommensteuerlich Berücksichtigung, soweit sie nicht – wie vorliegend – an der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG scheitern.

Die dem Kläger zur Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs obliegende Verpflichtung, sämtliche im Kalenderjahr anfallenden Krankheitskosten seiner Krankenversicherung durch die Vorlage entsprechender Belege  nachzuweisen, basiert auf dem Bedürfnis der …Versicherung die vereinbarte Eigenleistung zu überprüfen und ihren Pflichten aus dem Versicherungsvertrag nachzukommen. Sie steht jedoch nicht in Verbindung mit einer nachträglichen Erhebung von Versicherungsbeiträgen.